Mittwoch, November 27

Russland braucht Waffen aus Nordkorea. China hat sich wohl mit der nuklearen Aufrüstung des Nachbarlands abgefunden. Beides bestärkt den Diktator in Pjongjang.

Krieg im Nahen Osten, Krieg in der Ukraine, Wahlen in den USA – die Aufmerksamkeit der Welt liegt gerade nicht in Asien. Das sollte sie aber.

Auf der koreanischen Halbinsel hat sich die Lage in den letzten Monaten zugespitzt. Am Mittwoch hat sich das Regime Nordkoreas zu einem Schritt von grosser Symbolik entschieden: Alle Strassen- und Bahnverbindungen zu Südkorea sollen mit sofortiger Wirkung gekappt werden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur. Nun will Pjongjang im Grenzgebiet die Verteidigungsanlagen ausbauen. Nordkorea habe dort in den letzten Monaten bereits Zehntausende Landminen verlegt, sagt das südkoreanische Militär.

Das Regime in Pjongjang wird immer unberechenbarer

Bereits im Januar schrieben renommierte Nordkorea-Experten, dass sich Kim Jong Un auf einen Krieg vorbereite. Die Lage auf der koreanischen Halbinsel sei derzeit so gefährlich wie noch nie seit dem Koreakrieg, so die Warnung von Robert A. Manning, einem Forscher bei der amerikanischen Denkfabrik Stimson Center und ehemaligen Mitarbeiter der Regierung in Washington, vor wenigen Tagen. Er rechnet mit der Möglichkeit eines «dramatischen Schritts» von Kim Jong Un in den nächsten sechs Monaten bis anderthalb Jahren.

Das ist eine realistische Einschätzung. Die Strassen und Bahnlinien von Nord- nach Südkorea sind bereits seit Monaten schrittweise zerstört worden. Mit dem Entscheid, die Südgrenze nun «dauerhaft zu blockieren», unterstreicht Kim Jong Un, was er in einer Rede im Januar erklärt hatte: Südkorea ist der Hauptfeind. Das Ziel einer Wiedervereinigung mit dem Süden scheint für Kim offenbar endgültig vom Tisch, genauso wie die nukleare Abrüstung.

Seit dem gescheiterten diplomatischen Versuch des damaligen amerikanischen Präsidenten Donald Trump in Hanoi, Kim von einem «Deal» zu überzeugen, hat der Machthaber offenbar nicht mehr den Wunsch, das Verhältnis zu den USA zu normalisieren. Nordkorea hat seither noch mehr Atomwaffen entwickelt. Im September zeigte Kim der Welt, wie er durch eine kolossale Urananreicherungsanlage stolziert und dabei einen «exponentiellen» Ausbau des Atomwaffenarsenals fordert. Je stärker seine atomare Abschreckung wird, desto unberechenbarer wird Kim und desto risikofreudiger.

Kim Jong Un ist der lachende Dritte

Pjongjangs Muskelspiel verschiebt das Kräfteverhältnis in der Region und erhöht die Unsicherheit. Japan will seine «Selbstverteidigungskräfte» schlagkräftiger machen. Südkorea erwägt nun, eigene Atomwaffen zu entwickeln. Ob das passiert, hängt auch vom neuen amerikanischen Präsidenten oder von der neuen Präsidentin ab – es hätte weitreichende Konsequenzen. Kim scheint unbeeindruckt und tritt selbstsicherer auf denn je. Er schöpft Vertrauen aus der Tatsache, zwei mächtige Freunde zu haben: Russland und China. Pjongjang ist sogar in einer Position, die beiden gegeneinander ausspielen zu können.

Russland braucht Waffen und Munition aus Nordkorea. Im Tausch dafür erhält Kim Jong Un mutmasslich militärische und wirtschaftliche Hilfe, er dürfte auch auf Hochtechnologie für sein Atomprogramm hoffen. Die beiden Länder haben im Sommer eine «allumfassende strategische Partnerschaft» beschlossen.

In Peking hat das für Beunruhigung gesorgt. China war bis dahin der einzige gewichtige Partner Nordkoreas und hat lange vermittelt im Atomstreit mit dem Westen. Auch Chinas Einfluss auf Russland ist durch den Krieg in der Ukraine gewachsen. Dass Putin nun einen Partner in Pjongjang hat, reduziert seine Abhängigkeit von Xi Jinping zu einem gewissen Grad. Kim Jong Un ist nun plötzlich der lachende Dritte.

Wie der Westen hat auch China an Einfluss auf Nordkorea eingebüsst. Hatte Peking in der Uno bis 2017 noch Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea unterstützt, scheint es die atomare Aufrüstung des Nachbarlands nun als unvermeidbar hinzunehmen. In China sieht man diese gefährliche Entwicklung als Konsequenz der amerikanischen Politik, also ein Problem, das nicht Peking, sondern Washington verursacht hat und nun auch zu lösen hat.

Die Kriegsgefahr steigt

Gelegenheiten für eine Eskalation auf der koreanischen Halbinsel gibt es genug. Erst noch im Januar hat Nordkorea in der Nähe einer südkoreanischen Insel in einem umstrittenen Grenzgebiet im Gelben Meer Schüsse abgefeuert. Es wird erwartet, dass Pjongjang in diesen Tagen eine Verfassungsänderung bekanntgibt mit neuen Territorialansprüchen. Damit stiege die Kriegsgefahr. Im Januar drohte Kim, wenn Südkorea auch nur 0,001 Millimeter des nordkoreanischen Territoriums verletze, betrachte er das als kriegerischen Akt.

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