Montag, November 25

Krankheiten geheim halten ist, auch wenn man kein König, sondern Untertan ist, in mehrfacher Hinsicht schlecht. Es schadet nicht nur der Psyche und der Genesung. Ein Beitrag in der Rubrik «Hauptsache, gesund».

Zwei ältere Promis, beide haben Probleme mit ihrer Prostata. Doch sie gehen völlig unterschiedlich damit um. Der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd J. Austin III. hielt Prostatatumor sowie Spitalaufenthalt geheim. Er sorgte damit nach Weihnachten für beträchtliche Verwirrung wegen Abwesenheit mit unbekanntem Aufenthaltsort. König Charles III. hingegen liess bereits vor seinem Spitalaufenthalt mitteilen, dass er sich wegen einer vergrösserten Prostata einem chirurgischen Eingriff unterziehen werde.

Ich bin wahrlich keine Royalistin, aber hier war das Vorgehen des britischen Königs beispielhaft. Zugegeben, Mr. Windsor hatte es einfacher als Mr. Austin. Denn der König leidet «nur» unter einer gutartigen Vergrösserung, der Verteidigungsminister dagegen unter einem Tumor. Es ist sicher einfacher, zu sagen: «Leute, ich muss zum Service, bin aber bald wieder voll da», als zu verkünden: «Ich habe etwas potenziell Lebensbedrohliches».

Doch dessen ungeachtet ist Austins Vorgehen inakzeptabel, weil offenbar sein Boss, Präsident Joe Biden, aber auch Kabinettskollegen während Tagen nicht wussten, wo der Verteidigungsminister sich aufhielt – während die Armee des Landes Huthi-Rebellen bombardiert und die Kriege in der Ukraine und Gaza weitergehen. Das war mehr als nur ein grober Kommunikationsfehler.

Austin ist kein Einzelfall, gerade ältere Männer – Austin ist siebzig – reden äusserst ungern über eigene gesundheitliche Probleme. Zu tief steckt die Angst, durch das Eingestehen einer Krankheit Schwäche zu offenbaren. Die Erfahrung lehrt, dass Schwäche nur allzu oft gerade in der politischen Arena, aber auch bei Unternehmensleitern von Widersachern ausgenutzt wird.

Aber er hätte bedenken sollen: Wenn jemand eine krankheitsbedingte Abwesenheit oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit vorausschauend plant und gestaltet, kann ihm oder ihr das als Stärke ausgelegt werden. Völlig zu Recht. Eine schwere oder langwierige Krankheit durchzustehen, ist Arbeit und verdient Respekt.

Zudem sollten Austin und alle anderen erkrankten Menschen ganz unabhängig von ihrer beruflichen Position bedenken, dass sie sich selbst und ihrer Genesung keinen Gefallen tun, wenn sie eine Krankheit verschweigen.

Denn solche Geheimniskrämerei ist doppelt schlecht. Erstens kommt eine Krankheit fast immer doch ans Licht. Niemand kann Nachwehen einer Operation oder die Nebenwirkungen von Medikamenten über Monate hinweg geheim halten. Unerklärte Abwesenheiten ebenso wie ungewohntes Verhalten sorgen für Nachfragen und Argwohn. Bei Personen des öffentlichen Lebens deutlich mehr als bei anderen.

Wird das Geheimnis dann gelüftet, wird das Verschweigen als Schwäche ausgelegt. Und als Unfähigkeit, mit einer Krankheit verantwortungsvoll umzugehen. Es passiert also genau das, was die Geheimnisträger verhindern wollten.

Zweitens schadet Verdrängung oftmals der Heilung. Es ist psychisch ungesund, alles mit sich selber auszumachen. Rechtzeitig Hilfe holen für die Bewältigung des beruflichen wie privaten Lebens kann man auch nur dann, wenn die Umgebung von der Krankheit weiss.

Transparenz bedeutet aber nicht, dass man Krethi und Plethi über alle eigenen Beschwerden ständig auf dem Laufenden hält. Menschen, die einem wichtig sind, sollte man mehr erzählen als den reinen Zuschauern.

König Charles’ offene Kommunikation hatte noch einen weiteren positiven Nebeneffekt. Andere Betroffene können sich über ihre Krankheit klar werden und wenn nötig ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. So schossen bei Google oder auch staatlichen Informationsportalen die Suchanfragen nach «Prostataproblemen» in den letzten Tagen in die Höhe. Well done, Your Majesty.

In der wöchentlichen Rubrik «Hauptsache, gesund» werfen die Autorinnen und Autoren einen persönlichen Blick auf Themen aus Medizin, Gesundheit, Ernährung und Fitness. Bereits erschienene Texte finden sich hier.

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