Mittwoch, November 27

Der Ständerat entscheidet im Dezember darüber, ob Eltern von Krippenkindern künftig bis zu 500 Franken im Monat erhalten sollen – finanziert durch die Wirtschaft.

So hat sich das der Schweizerische Arbeitgeberverband eigentlich nicht vorgestellt. Seit Jahren weibelt er zusammen mit linksprogressiven Kreisen dafür, dass der Bund die externe Kinderbetreuung subventionieren und die seit über zwanzig Jahren laufende befristete «Anstossfinanzierung» in eine Dauerlösung umwandeln soll. Im Nationalrat war die eingespielte Krippen-Allianz erfolgreich, man stimmte dem entsprechenden Kita-Gesetz 2023 zu und stockte den Betrag, den der Bund künftig leisten solle, auf über 700 Millionen Franken pro Jahr auf. Zum Vergleich: Heute setzt der Bund etwa 25 Millionen Franken pro Jahr für die «Anstossfinanzierung» ein.

Kosten von schätzungsweise 640 Millionen pro Jahr

Der Arbeitgeberverband lobte den Beschluss als «Meilenstein». Doch inzwischen hat sich die Begeisterung merklich abgekühlt. Denn die Finanzierung des neuen Sozialausbaus, die die Arbeitgeber gerne dem Bund überlassen würden, droht an ihnen selber hängenzubleiben. Beziehungsweise an den Arbeitnehmern und an den Konsumenten, auf die die Kosten wahrscheinlich überwälzt würden.

Wie es aussieht, ist das vom Nationalrat gutgeheissene Krippen-Gesetz im Ständerat chancenlos; in der vorberatenden Kommission erhielt die Vorlage nicht einmal von linker Seite Unterstützung. Zum einen erachtet die Kommission das Elaborat des Nationalrats als bürokratisch komplett überladen, zum andern will sie den Bund nicht mit einer gebundenen Ausgabe, die bald einmal in die Milliarden gehen dürfte, zusätzlich belasten.

Wer gehofft hatte, dass die Ständeratskommission aus föderalistischen Überlegungen von der Krippenförderung gänzlich Abstand nehmen würde, weil es sich dabei nicht um eine Bundesaufgabe handelt, sieht sich getäuscht – auch sie folgt dem Zeitgeist. So will die Kommission im Bundesgesetz über die Familienzulagen neu eine schweizweite Betreuungszulage schaffen. Anspruchsberechtigt wären Eltern, deren Kinder jünger als acht Jahre sind und die «institutionell» betreut werden. Die Zulage soll mindestens 100 Franken und höchstens 500 Franken pro Monat betragen (bei einer fünftägigen Betreuung). Ob die Eltern arbeiten oder die kinderfreie Zeit für andere Dinge nutzen, spielt keine Rolle.

Die Kosten für die Betreuungszulage würden sich pro Jahr auf schätzungsweise 640 Millionen Franken belaufen. Die Finanzierung soll analog zu den Familienzulagen erfolgen – sprich: Es dürften in erster Linie die Arbeitgeber sein, die bezahlen müssen. Die Kommission rechnet vor, dass der mittlere Beitragssatz der Arbeitgeber, die diese heute für die Familienzulagen ausrichten, um 0,2 Prozentpunkte von 1,75 auf 1,95 Prozent erhöht werden müsste. Die Kantone könnten zudem auch eigene Beiträge einschiessen oder zusätzlich die Arbeitnehmer in die Pflicht nehmen.

Der Ständerat wird in der Dezembersession über die Vorlage entscheiden. Die Frage ist, ob sich eine Mehrheit für den Sozialausbau finden wird. Die FDP und die SVP sprechen sich gegen die Vorlage aus, weil Familienpolitik keine Bundesaufgabe sei. Unter den Wirtschaftsverbänden gehen die Meinungen auseinander. Der Arbeitgeberverband findet das Finanzierungsmodell zwar schlecht, doch seine Ablehnung tönt nicht apodiktisch. Er scheint für eine Mischfinanzierung zu haben zu sein: Falls die Arbeitgeber zahlen müssten, dann müssten sich auch die Arbeitnehmer und der Bund beteiligen, fordert er.

Ein klares Nein kommt dagegen vom Schweizerischen Gewerbeverband und von anderen Wirtschaftsorganisationen. Die finanzielle Unterstützung der familienexternen Kinderbetreuung sei keine Aufgabe der Arbeitgeber. Das Argument, dass die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung (ALV) ab 2027 voraussichtlich um 0,3 Lohnprozente sinken würden und dass die neue Sozialleistung für die Arbeitgeber unter dem Strich nicht zu einer Mehrbelastung führen würde, vermag diese Kreise nicht zu beschwichtigen. Die steigenden Prämien für die Krankentaggeldversicherungen und andere Zusatzleistungen für Arbeitnehmer würden den tieferen ALV-Beitragssatz bei weitem übersteigen, kontern sie.

Tiefere Kosten – höheres Pensum?

Weiter stellen sich der Gewerbeverband und Co. auf den Standpunkt, dass der Staat, wenn er denn Angebote für die familienexterne Kinderbetreuung fördern wolle, hierfür öffentliche Mittel einsetzen müsse. Die Politik gehe schliesslich davon aus, dass die Eltern infolge der verbilligten Krippen ihr Arbeitspensum erhöhen und damit zu mehr Steuereinnahmen beitragen würden. Deshalb sei es nur richtig, auf Steuergelder zuzugreifen und nicht die Arbeitgeber zu verpflichten.

Ob diese Rechnung aufgeht, ist allerdings eine andere Frage. Inwieweit sich Mütter durch tiefere Krippenkosten zu einem höheren Pensum motivieren lassen, darüber gehen die Meinungen nämlich auseinander. Die Befürworter zitieren Studien, aus der Schweiz und aus anderen Ländern, die einen entsprechenden Zusammenhang erkennen. Kritiker hingegen sehen keine Evidenz, dass familienpolitische Massnahmen wie die Krippen-Subventionen die Arbeitsentscheide der Mütter gross beeinflussen.

Ein unverdächtiger Zeuge ist der scheidende Arbeitsmarktchef Boris Zürcher. Er meinte jüngst im Interview mit der NZZ, dass Frauen in der Schweiz durchschnittlich ungefähr so arbeiteten, wie sie das wünschten. Die zusätzliche Erwerbstätigkeit der Frauen durch die Subventionen für Krippen wäre, gemessen an den Zusatzkosten, marginal. «Das zeigen im Übrigen auch Erfahrungen aus anderen Ländern, die deutlich grosszügiger sind, aber dennoch eine deutlich tiefere Erwerbsbeteiligung aufweisen.»

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