Samstag, Dezember 21

Wer für Apple arbeitet, stimmt einer strikten Überwachung zu: Selbst auf privaten Geräten und zu Hause darf der Konzern seine Mitarbeiter kontrollieren. Nun klagt ein Manager gegen diese Praxis.

Ein Werbemanager des Apple-Konzerns hat Klage vor einem kalifornischen Bezirksgericht erhoben: Amar Bhakta wirft dem wertvollsten Technologiekonzern der Welt vor, dass er das Recht seiner Mitarbeiter auf Privatsphäre systematisch verletze. Apple überwache seine Belegschaft über deren private Geräte sowie die Datenwolke iCloud und verstosse damit gegen kalifornisches Datenschutzrecht.

Hintergrund der Klage ist, dass Apple seine Angestellten verpflichtet, für dienstliche Zwecke nur Apple-eigene Geräte zu nutzen (andere Technologiekonzerne tun dies ebenfalls). Um nicht zwei Smartphones zu haben, lehnen viele ein separates Diensthandy ab und nutzen ihr privates Gerät auch für Dienstzwecke.

In diesem Fall müssen sie Apple aber auch ihr privates iCloud-Konto zur Verfügung stellen und zudem Software installieren, die es Apple ermöglicht, alles zu sehen, was auf dem privaten Gerät geschieht – einschliesslich des Aufenthaltsorts in Echtzeit. «Jegliche auf dem Gerät gespeicherten Daten (inklusive E-Mails, Fotos, Videos, Notizen und mehr) könnten Gegenstand einer Durchsuchung werden», heisst es nun in der Klageschrift.

Firmen versuchen, sich gegen Industriespionage zu wappnen

In den USA wie auch in der Schweiz ist es durchaus üblich, dass Arbeitgeber sich das Recht vorbehalten, Laptops, E-Mail-Konten und dienstliche Unterlagen ihrer Mitarbeiter zu durchsuchen. In den Tech-Firmen des Silicon Valley sind diese Regeln besonders ausgeprägt, aus gutem Grund: Konzerne wie Apple zählen zu den innovativsten weltweit, dort entsteht «Cutting edge»-Technologie. Regelmässig kommt es zu Fällen von Industriespionage oder Datendiebstahl durch scheidende Mitarbeiter. Nur dank Zugriff auf die Geräte ist es den Firmen möglich, einen Datenabfluss aufzuspüren.

Bemerkenswert im Fall von Apple ist jedoch, wie weitreichend die Rechte sind, die sich der Konzern gegenüber seinen weltweit 164 000 Angestellten vorbehält. So müssen Apples Mitarbeiter einwilligen, dass sie «physisch, via Video und elektronisch» überwacht werden können.

Jegliches Gerät, das sich auf dem Firmengelände befinde, könne durchsucht werden, heisst es in den Anstellungsunterlagen, aus denen in der Klageschrift zitiert wird – darunter könne auch das Home-Office fallen. Zudem ende die Überwachung nicht zwingend mit dem Anstellungsverhältnis.

Für Apple ist der Rechtsstreit besonders brisant, weil der Konzern wie kein anderer damit wirbt, die Privatsphäre seiner Nutzer zu schützen. Es sei «eine der wichtigsten Schlachten unserer Zeit», betont der CEO Tim Cook immer wieder; an einer Datenschutzkonferenz 2022 schalt er auf «datenhungrige Firmen, die Nutzer gegen ihren Willen überwachen». Apple bezeichnet Privatsphäre immer wieder als Menschenrecht und baut ganze Marketingkampagnen um diese Beteuerung. «Privacy. That’s iPhone», heisst es da.

Privatsphäre auf dem iPhone | Der Schwarm | Apple

Auch im Wettbewerb mit anderen Technologiekonzernen nutzt Apple dieses Versprechen, um sich abzuheben; im derzeitigen Kopf-an-Kopf-Rennen um die beste generative künstliche Intelligenz dient es als Schlüsselargument. Dass der iPhone-Konzern dieses «Menschenrecht» bei seinen Mitarbeitern allerdings wenig respektiert, dürfte einige Konsumenten hellhörig machen.

Auch im Rekrutierungswettstreit um die besten KI-Experten könnte dies Fachkräfte abschrecken – wer teilt schon gern Privates mit seinem Arbeitgeber? «Es ist enttäuschend, dass Apple, dessen Ethos Datenschutz und Vertraulichkeit ist, versuchen würde, mich zu überwachen und zu zensurieren», so wird Bhakta, der seit 2020 für Apple arbeitet, in der Klageschrift zitiert.

Als gebe man dem Arbeitgeber den privaten Bankordner

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Mitarbeiter über Apples Umgang mit ihren Daten beschweren: Gegenüber «The Verge» und «Cybercrime Magazine» beklagten 2021 zahlreiche Angestellte die Überwachungspraktiken der Firma.

In einem Fall wurde ein Mitarbeiter an seinem ersten Arbeitstag vom Vorgesetzten aufgefordert, das Firmenhandy mit seinem persönlichen iCloud-Konto zu verknüpfen. In den folgenden Jahren wurden seine Familienfotos, Textnachrichten und private Dokumente – unter anderem zu seiner Hypothek – automatisch auf dem Firmencomputer gespeichert. Als er nach drei Jahren Apple verliess, wurde ihm untersagt, die Festplatte des Firmenlaptops von solchen Daten zu säubern. Das ist so, als händige ein Mitarbeiter Apple zum Abschied das Fotoalbum der eigenen Familie und den privaten Bankordner aus.

In einem anderen Fall sollten Apple-Mitarbeiter die damals neue Funktion Face ID testen, die das Gesicht des Nutzers scannt. Was die Mitarbeiter nicht wussten, war, dass das Gerät jedes Mal kurze Videos aufzeichnete, wenn sie ihr Smartphone entsperrten. Plötzlich hatte Apple Bildaufnahmen sehr persönlicher Lebenssituationen seiner Angestellten. «Würde (die Firma) dies mit Kunden anstellen, würden die Leute ausflippen», sagte ein Mitarbeiter gegenüber «The Verge».

Auch über Gehälter dürften Angestellte nicht sprechen

In der Klageschrift wird Apple auch vorgeworfen, dass es die Redefreiheit seiner Angestellten zu weitreichend einschränkt: Der klagende Mitarbeiter kritisierte unter anderem, dass er sein Profil auf dem beruflichen Netzwerk Linkedin ändern musste, um weniger Details zu seiner Tätigkeit bei Apple preiszugeben.

Auch damit ist er nicht allein: Anfang des Jahres warf bereits die für Arbeitnehmerrechte zuständige Bundesbehörde National Labor Relations Board Apple vor, Informationen übermässig als «vertraulich und firmeneigen» einzustufen. Auf diese Weise unterbinde der Konzern auch rechtswidrig, dass Mitarbeiter über ihre Gehälter und ihre Anstellungsbedingungen sprächen.

Apple bestritt diesen Vorwurf in einer Stellungnahme vor wenigen Tagen. Der Konzern dürfte nun versuchen, wie in früheren Fällen den Rechtsstreit aussergerichtlich zu schlichten. Denn im Zuge einer ordentlichen Gerichtsverhandlung könnten weitere Firmeninterna an die Öffentlichkeit gelangen – und diese schützen die Technologiekonzerne bekanntlich um jeden Preis.

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