Sonntag, April 27

Mit viel Willen und Wettkampfglück schaffen die Seeländer die grosse Überraschung: Die Stufe Final hat zuvor noch nie ein Klub aus der drittklassigen Promotion League erreicht. YB erdauert derweil die nächste Ernüchterung.

So etwas hat der Schweizer Klubfussball noch nie geboten. Weil dem so ist, muss vom Unterklassigen in diesem denkwürdigen Cup-Halbfinal alles erlitten und erzittert werden. Bis zur 120. Minute, nein, sogar bis zur 125. Minute. Am Ende der Verlängerung folgt zunächst das aufgrund dem Spielgeschehen Unvermeidbare. YB gleicht zum 1:1 aus und gibt sich kollektiv exzessivem Jubel hin.

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Doch es wäre nicht dieser sporthistorische 26. April 2025, wenn der Match vor 6000 Personen im Bieler Stadion (Rekordkulisse) nicht nochmals eine Wende nehmen würde. Das tut er, weil dem YB-Spieler Felix Tsimba vor dem Torschuss der Ball an die Hand springt. Der Videoschiedsrichter meldet sich, der Ausgleich wird aberkannt.

Sekunden danach brechen die emotionalen Dämme. Der FC Biel, der Spitzenklub der drittklassigen Promotion League, schafft mit Kampfkraft und Dusel das kleine Seeländer Wunder und verwehrt mit vereinten Kräften YB den Einzug in den Cupfinal, bringt YB um die mögliche Rettung einer irgendwie verkorksten Saison. Der FC Biel ganz gross. Im Viertelfinal den FC Lugano ausgeschaltet, jetzt YB. Er ist in der Geschichte des Schweizer Cups der erste Drittklassige, der in den Final vorstösst.

YB holt sich den 9. Platzverweis der Saison

Das ist ein Höhepunkt in der Bieler Vereinsgeschichte, neben dem weit zurückliegenden Meistertitel 1947 und der ersten Cupfinal-Teilnahme 1961. Nach dem Match steht der Klubpräsident Dietmar Faes auf dem Rasen, gibt Interview um Interview und wird immer heiserer. Er denkt in diesem Moment «an den Klub, an die Stadt, an die Region und ans Seeland» und fügt an: «Wir haben gekämpft – und auch Glück gehabt».

Natürlich beansprucht der Unterklassige das notwendige Wettkampfglück, wie schon an gleicher Stelle im Viertelfinal gegen Lugano. Dank dem Videoschiedsrichter wird in der ersten Halbzeit ein YB-Tor wegen Offsides aberkannt. In der 77. Minute wird der YB-Spieler Kastriot Imeri wegen einer Notbremse des Feldes verwiesen. Es ist bezeichnenderweise der bereits 9. YB-Platzverweis in der laufenden Saison.

Kurz vor Schluss der Verlängerung trifft Lukasz Lakomy nur die Querstange, und der Schuss Chris Bedias verfehlt das Tor nur knapp. Danach folgt als Kulmination des verdichteten YB-Malheurs die Szene mit der Hand Tsimbas.

Biel erhält einen umstrittenen Penalty zugesprochen

Alles läuft für die Seeländer, auch der Penaltyentscheid, der in der 99. Minute zum 1:0 führt. Der YB-Goalie David von Ballmoos eilt unsicher aus dem Tor, zögert und bremst ab, worauf der Bieler Loïc Socka Bongué abhebt und durch die Luft segelt. Der Schiedsrichter rechtfertigt sich danach mit der Aussage, dass er gute Sicht gehabt einen Kontakt «wahrgenommen und gehört» habe.

Da sind zwei Dinge zusammengekommen: Die Unsicherheit von David von Ballmoos, der in dieser Saison zum Goalie Nummer 2 degradiert worden ist. Sowie die Flugkunst und der Instinkt Bongués.

Auf jeden Fall werden die Young Boys hinterher mit grundsätzlichen Dingen konfrontiert, der missratene Cup-Halbfinal ist ein weiteres Sinnbild für eine Spielzeit, in der viel verlorengegangen ist. Zum Beispiel die Souveränität und das Selbstverständnis früherer Tage. Nach der herbsten Cup-Blamage der YB-Geschichte folgt ein unschöner Austausch zwischen YB-Anhängern und dem Team.

Danach kämpft der Trainer Giorgio Contini vor den Medien gegen das Offensichtliche an: Dass YB wieder zurück ins Reich der vielen Fragen katapultiert worden ist. In Biel den Cupfinal verpassen? Unmöglich, eigentlich. Aber dieser Tage eben nicht ausgeschlossen. Biel wird zum Mahnmal des unbefriedigenden YB-Jahres.

Clermont stärkt Biel entscheidend

Dass es so weit kommt, muss sich der FC Biel am Limit bewegen. Und das tut er. Der Franzose Brian Beyer, jetzt in Biel und einer der Helden des Aufstiegs des FC Yverdon-Sport 2023, wird mit Beinkrämpfen ausgewechselt. Abdoulaye Coulibaly, der Franzose, der mit einem Sprint am Ursprung des YB-Platzverweises steht, greift sich in der Mitte der Verlängerung an den Oberschenkel und muss ebenfalls raus. Wie etwas später der Flugkünstler Bongué.

Die Bieler sind physisch bisweilen dergestalt durchgebraten, dass sie einen Spieler weniger zu haben scheinen. Und nicht YB. Aber sie halten sich im Kollektiv im Spiel.

Unschwer ersichtlich ist, dass die französische Hilfe das Team auf ein Level hievt, das den Cupfinal möglich macht. Also neben der emotionalen Dampfmaschine Beyer vor allem die Spieler, die vom Partnerklub Clermont Foot 63 zur Verfügung gestellt werden. Coulibaly, Bongué und insbesondere auch der Mittelfeldspieler Yann Massombo.

Biel gehört wie Clermont und Lustenau zum Unternehmen Core Sports Capital, das vom Schweizer Fussball-Manager Ahmet Schaefer geleitet wird. Während sich in Clermont-Ferrand und Lustenau für Schaefer die Probleme summieren, bietet im Moment Biel das Kontrastprogramm, steht Biel für einen einzigartigen Höhepunkt, von dem in der Region noch lange erzählt werden wird.

Das Beispiel Biel zeigt eindrücklich, was in der Nische möglich ist. Nicht mit vielen Millionen, aber mit etwas ökonomischem Support, der ein Extra erlaubt. YB setzte 2024 ungefähr 80 Millionen Schweizerfranken um, Biel ungefähr eine Million. Solche Vergleiche bieten sich jeweils richtiggehend an.

Eigentlich möchte Biel in die Challenge League aufsteigen

So werden am Samstag Märchen wahr. «Bieu isch ä Cupmannschaft» steht in grossen Lettern vor der Bieler Fankurve. Und zum Start ist dort «Chline Verein, grossi Tröim» zu lesen. In einem Trailer des Schweizerischen Fussballverbands ist von der «Magie des Schweizer Cups» die Rede, von den Kleinen, die den Grossen zusetzen. Oft genug ist es andersherum. Aus den Stadionlautsprecher dröhnt «Highway to Hell». Und am Ende, als sich der FC Biel bis zur Heiserkeit feiert, folgt das unvermeidliche «We are the Champions».

So weit ist es noch nicht. Für Core Sports Capital ist vor allem wichtig, dass Biel in die Challenge League aufsteigt und interessanter für Spieler(-transfers) wird. Das hat Schaefer durchblicken lassen. Werden der Präsident Dietmar Faes und der Sportchef Oliver Zesiger am späten Samstagabend mitten in der Bieler Glückseligkeit darauf angesprochen, antworten sie fast deckungsgleich: «Er hat Recht.»

Der Cupfinal ist auch nicht schlecht, ein einträglicher PR-Coup sondergleichen. Aber er absorbiert Energie und macht das Vorhaben Aufstieg nicht einfacher.

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