Mittwoch, Februar 5

Der deutsche Bundeskanzlerkandidat Friedrich Merz will dauerhafte Grenzkontrollen. Das behindert den europäischen Binnenmarkt. Manche Länder bezweifeln die Aktion, aber nur ein Staat lehnt sich offen dagegen auf.

Luxemburg, das zweitkleinste EU-Land, begehrt gegen den grössten Mitgliedstaat Deutschland auf. Dieser führt seit September 2024 an allen Grenzen zu den Nachbarländern Grenzkontrollen durch. Als Begründung nennt Deutschland die Gefahren, die von der irregulären Migration ausgingen. Offiziell gelten die Kontrollen noch bis Mitte März, der Bundeskanzlerkandidat Friedrich Merz möchte sie allerdings «dauerhaft» installieren.

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Der Luxemburger Regierung passt das gar nicht. «Es muss vermieden werden, dass in den Köpfen der Menschen wieder Grenzen geschaffen werden», sagt Léon Gloden, der Innenminister des Grossherzogtums.

Die Grenzkontrollen beeinträchtigen gleichsam das Geschäftsmodell des reichsten EU-Landes. In Europa gibt es zwei grosse Magnete für Arbeitspendler: die Schweiz und Luxemburg.

Über 220 000 «Frontaliers» machen sich jeden Tag auf den Weg, um nach Luxemburg arbeiten zu gehen. Sie sind in allen Sektoren tätig, von der Gastronomie bis zu Unternehmensdienstleistungen. Die Hälfte von ihnen kommt aus Frankreich, je ein Viertel stammt aus Deutschland und Belgien. Unnötige Störungen des grenzüberschreitenden Verkehrs müssten vermieden werden, meint Gloden. Falls Deutschland die Kontrollen über den März hinaus verlängere, werde sein Land bei der EU-Kommission Einspruch erheben.

In Diplomatenkreisen hat es auch schon geheissen, Luxemburg wolle Deutschland vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zerren. Luxemburg bestätigt das jedoch nicht.

Auch Polen ist unzufrieden

Die Grenzkontrollen Deutschlands haben bei manchen europäischen Regierungen Unmut ausgelöst, kein Land demonstriert aber so heftig wie Luxemburg. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk etwa sagte im Herbst, die Kontrollen seien eine Aufhebung von Schengen «in grossem Stil». Aus polnischer Sicht sei das nicht akzeptierbar.

Grenzkontrollen können auch für Polens Wirtschaft ein Problem darstellen. Erstens besteht das Risiko, dass der Warenfluss ins Stocken gerät. Deutschland ist Polens wichtigster Exportmarkt. Zweitens pendeln über 90 000 Polen nach Deutschland zur Arbeit. Europa wächst also an vielen Orten zusammen, die Grenzen weichen sich auf. Kontrollen behindern diesen Prozess

Die Schweiz bezweifelt den Nutzen von Grenzkontrollen

Trotzdem ist es um Deutschlands Grenzkontrollen auffallend ruhig geworden. Die tschechische Regierung etwa ist angeblich auch unzufrieden, sie will aber keinen Ärger mit dem Nachbarn. Der Schweizer Bundesrat Beat Jans hat mit Gloden über die Grenzkontrollen gesprochen, als sich die Innen- und die Justizminister der EU und weiterer Schengenländer vergangene Wochen in Warschau trafen.

Die Schweiz bezweifelt, ob Binnenkontrollen in Europa die irreguläre Migration begrenzen. Das Land verzeichne jedenfalls keine Zunahme der Asylgesuche, seitdem Deutschland auch an der Grenze zur Schweiz Kontrollen durchführe, haben Bundesvertreter wiederholt betont.

Der nur leise Protest vieler Länder hängt auch damit zusammen, dass inzwischen rund zehn Staaten Kontrollen an den Grenzen innerhalb des Schengen-Raumes durchführen. Zu ihnen zählen neben Deutschland die skandinavischen Staaten Dänemark, Schweden und Norwegen, aber auch Österreich, die Niederlande und Italien.

Die meisten von ihnen machen wie Deutschland Sicherheitsrisiken geltend, die aus der irregulären Migration resultierten. Dänemark und Norwegen nennen auch die Gefahr russischer Sabotage und Spionage, Schweden verweist auf die im Land herrschende Bandenkriminalität.

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr

Eigentlich dürfen die Mitgliedsländer von Schengen Kontrollen an den Binnengrenzen nur restriktiv anwenden. Diese müssen zeitlich beschränkt erfolgen, und aus der Sicht der EU-Kommission sind sie das letzte Mittel, um Unheil von einem Mitgliedsland abzuwenden.

Der Aufstieg der rechten Parteien und die Angst der Politiker der Mitte, weiter Wähleranteile zu verlieren, haben in vielen Ländern aber zu einer grosszügigen Auslegung dessen geführt, was verhältnismässige Massnahmen gegen die Migration sind.

Luxemburg nimmt da eine andere Perspektive ein. Das hängt nicht nur mit den engen wirtschaftlichen Beziehungen zu den Nachbarn zusammen, sondern das Land sieht sich auch als eine Art Hüter des Schengen-Vertrages. Das Abkommen, das den europäischen Binnenmarkt voranbringen soll, wurde im Sommer 1985 im Luxemburger Ort Schengen geschlossen. Es steht also ein kleines Jubiläum bevor.

Die Einhaltung des Vertrags habe für Luxemburg «absolute Priorität», sagt Gloden. Aber auch er fordert, dass die Schengen-Staaten die Aussengrenze besser kontrollieren. Das wollen eigentlich alle von ihnen, um letztlich die Binnenkontrollen wieder abzuschaffen. Merz dagegen scheint die Ausnahme zur Regel machen zu wollen.

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