Montag, November 25

Klimaschützer hatten den Energiekonzern verklagt und 2021 recht bekommen. Nun aber kassiert ein Gericht in Den Haag das historische Urteil. Shell habe aber trotzdem Verpflichtungen, betonen die Richter.

Der Verbrauch von Erdgas und Erdöl ist die wichtigste Ursache des Klimawandels. Aber wer ist verantwortlich dafür, dass wir so viel davon nutzen? Die Konsumenten, die Unternehmen oder die Politiker, die dem Verbrauch mit Gesetzen Grenzen setzen könnten? Ein Gericht hat dazu in Den Haag in vielbeachtetes Urteil gefällt, der britische Erdöl- und Erdgasförderer Shell einen Teilsieg erzielt.

Die niederländische Umweltorganisation Milieudefensie ist der Ansicht, dass die Verpflichtung zum Klimaschutz bei einflussreichen Firmen liegt, unter anderem bei Shell.

Die Umweltorganisation und weitere Verbände haben die Firma daher in den Niederlanden verklagt. In einer ersten Runde hatten sie 2021 einen Sieg errungen. Shell wurde von einem Gericht in Den Haag angewiesen, den Ausstoss von CO2 bis 2030 um 45 Prozent zu reduzieren, und das im Vergleich mit 2019.

Klimaschutz ist ein Menschenrecht

Shell legte dagegen Berufung ein und hat am Dienstag teilweise recht bekommen. Das Appellationsgericht in Den Haag urteilte, dass Shell zwar dafür sorgen müsse, weniger CO2 auszustossen. Der Schutz gegen die Klimaveränderung sei ein grundlegendes Menschenrecht, meinten die Richter. Ein konkretes Reduktionsziel haben sie der Gesellschaft aber nicht auferlegt.

Das Urteil von 2021 hatte Milieudefensie als Wendepunkt im Kampf gegen den Klimawandel gefeiert. Zum ersten Mal hatten Richter einem Unternehmen ein Reduktionsziel vorgegeben. «Dieses Urteil verändert die Welt fundamental», sagte der Anwalt Roger Cox damals in einem Interview mit der NZZ. Er hatte Milieudefensie und weitere Verbände vor dem Haager Gericht vertreten. Der Schutz vor dem Klimawandel ist laut Cox ein Menschenrecht geworden.

Shell hat die Macht, etwas zu verändern

Umso grösser ist nun die Enttäuschung bei den Verantwortlichen von Milieudefensie. Donald Pols, der Direktor der Organisation, sagte, dass das Urteil schmerze. Der Fall habe aber wenigstens eine Diskussion darüber angestossen, wie es mit der Verantwortung von Grossunternehmen für den Klimawandel stehe.

Milieudefensie hatte sich Shell bewusst als Ziel ausgesucht. Aus Sicht der Umweltschützer handelt es sich bei dem Rohstoffunternehmen um eine mächtige Organisation, die Veränderungen bei der Umweltpolitik bewirken kann.

Milieudefensie sieht dabei die Verantwortung von Shell als sehr weitreichend an. Das Unternehmen habe die Verpflichtung, nicht nur den Energieverbrauch bei der Förderung zu minimieren, sondern müsse auch auf die Abnehmer Einfluss nehmen. So trage Shell etwa eine Verantwortung dafür, die Verbreitung von E-Autos zu unterstützen, indem man beispielsweise mehr grünen Strom statt Erdgas produziere.

Man habe nicht gegen Gesetze verstossen, sagt Shell

Shell verteidigte sich unter anderem mit dem Argument, dass sich die gesamte Gesellschaft anstrengen müsse, um die Wirtschaft ökologisch umzubauen. Es sei falsch, die Last einfach einer Firma aufzubürden, zumal Shell nicht gegen spezifische Vorschriften verstossen habe.

Ferner meinten Firmenverantwortliche, dass der Umwelt nicht gedient wäre, wenn Shell nun so viel weniger Erdgas und Erdöl förderte, wie dies das Gericht verlangt habe. Ein solcher Schritt würde Shell Schaden zufügen, und andere Anbieter sprängen in die Lücke.

Ähnlich argumentierte das Appellationsgericht. Wenn Shell die Förderung stark reduziere, bestehe unter anderem die Gefahr, dass Kohle in der Stromproduktion wieder vermehrt zum Zuge komme. Das Reduktionsziel sei daher möglicherweise nicht effektiv, meinten die Richter. Sie argumentierten dabei wie folgt: Wenn Shell einem Kunden Erdgas verkaufe, der vorher Kohle genutzt habe, stosse Shell zwar möglicherweise mehr CO2 aus. Da Erdgas aber weniger CO2-intensiv ist als Kohle, sinke global gesehen aber die Emission.

Am Dienstag hatte Milieudefensie nicht entschieden, ob man gegen dieses Urteil Berufung einlegen will. Die Organisation kann sich noch an das höchste Gericht der Niederlande wenden.

Shell rudert bei grüner Energie zurück

Shell hat jüngst seine Investitionspläne angepasst. Die Produktion von grüner Energie hat bei dem Unternehmen an Bedeutung verloren. Man wolle mehr Geld zur Verfügung haben und über mehr Freiheiten verfügen in Bezug auf das, was man mit dem Geld tue, sagte Wael Sawan, der seit Anfang 2023 das Unternehmen führt.

Investitionen in Biokraftstoffe, Wasserstoff und erneuerbare Energien sollen selektiver erfolgen. Ein Schwerpunkt liegt dagegen auf der Produktion von verflüssigtem Erdgas (LNG).

Ein Antrag, wonach Shell seine Strategie stärker an den Pariser Klimazielen ausrichten soll, hat dieses Jahr an der Generalversammlung keine Mehrheit gefunden. Nur 19 Prozent der Aktionäre stimmten ihm zu.

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