Die Klimaforschung ist in den USA unter Beschuss. Donald Trumps Administration entliess vergangene Woche Hunderte von Mitarbeitern aus einer Behörde, die eine zentrale Schaltstelle für Wetter- und Klimadaten ist. Das macht auch Wissenschafter in Europa Sorgen.

Bis spät in die Nacht rangen Hunderte von Forschern und Regierungsvertretern aus aller Welt am vergangenen Samstag um die wissenschaftlichen Schwerpunkte, die der Weltklimarat in den kommenden Jahren setzen würde.

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Eine Delegation war nicht darunter: die USA.

Amerika ist das Schwergewicht in der internationalen Klimaforschung. Seit der Gründung des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) im Jahr 1988 sind sie von der Arbeit nicht wegzudenken. Ein Beispiel illustriert den Einfluss: Der Weltklimarat veröffentlichte im Jahr 2021 seinen jüngsten Bericht über den Stand der Klimawissenschaft.

Eine Analyse zeigte daraufhin, dass bei drei Vierteln der zitierten Literatur mindestens ein Autor in den USA oder im Vereinigten Königreich ansässig war. Mehr als 6000 Literaturangaben enthielten mindestens einen Autor mit Sitz in den USA.

Das Land sei ein «klimawissenschaftliches Powerhouse», bestätigte ein Anwesender in Hangzhou gegenüber der NZZ. Stets zählen die USA zu den Ländern mit den meisten Autorinnen und Autoren. Fast immer sind sie an der Leitung der Arbeitsgruppen beteiligt. Dazu kommt noch, dass die USA traditionell zu den grössten Geldgebern gehören, neben Deutschland zum Beispiel.

Die Nachricht, dass Donald Trumps Administration die Teilnahme amerikanischer Delegierter an der Sitzung in Hangzhou unterbunden hatte und die fachliche und finanzielle Unterstützung für die Arbeit des Weltklimarats kürzen würde, erschreckte nicht nur Aktivisten, sondern auch Klimaforscher.

Internationale Klimaforschung ohne die USA?

Die Entwicklung sei «absolut verheerend», schrieb Angel Hsu, eine federführende Autorin des geplanten Sonderberichts über die Rolle von Städten, auf Linkedin. Hsu unterrichtet in den USA an der University of North Carolina und forscht an der Schnittstelle von Energie- und Umweltfragen und Politik.

Sie sei besorgt, dass der Schritt der Trump-Administration «unsere Fähigkeit als in den USA ansässige amerikanische Wissenschafter gefährdet», zu der Arbeit des IPCC beizutragen. Denn alle fünf bis sieben Jahre verpflichten sich Hunderte von Forschern freiwillig, den Stand der Klimaforschung in verschiedenen Berichten mühsam zusammenzutragen und auszuwerten. Die Mitarbeit ist unbezahlt. Finanzielle Unterstützung ist in vielen Fällen notwendig, etwa um Reisekosten abzugelten.

In Gesprächen mit deutschen Forschern heisst es, dass sich wohl alternative Geldgeber finden lassen würden. Die Entwicklung sei sicherlich beunruhigend, aber andere Regierungen oder philanthropische Einrichtungen könnten einspringen. Bei den Beiträgen handelt es sich lediglich um einstellige Millionenbeträge.

Für die Wissenschafterin Hsu geht es jedoch um eine grössere Frage. «Ich verstehe nicht, wie der Rückzug der USA aus der wichtigsten wissenschaftlichen Bewertung der Klimaforschung, an der 195 Länder beteiligt sind, dazu beitragen soll, ‹Amerika an die erste Stelle zu setzen›», sagt sie. Die Entscheidung stelle die Führungsrolle der USA in Klimabelangen infrage.

Schlechte Wetterlage in den USA

Seit Hsu diese Sorge Anfang letzter Woche öffentlich kundtat, sind viele weitere, ähnliche Warnungen auf den Internetplattformen und den Kanälen der sozialen Netzwerke Linkedin, X oder Bluesky hinzugekommen. Denn die Situation hat sich für viele amerikanische Wissenschafter noch einmal verschärft – mit langfristigen Folgen für die Klimaforschung im Inland und darüber hinaus.

Am Donnerstagabend wurde bekannt, dass die Trump-Administration – unter der Federführung der Bürokratie-Bekämpfer des Department of Government Efficiency – Hunderten Mitarbeitern der Regierungsagentur NOAA gekündigt hatte. NOAA steht für National Oceanic and Atmospheric Administration.

Amerikanische Medien und ehemalige Angestellte sprechen von rund 800 Mitarbeitern, die ihre Arbeit verloren haben, unter ihnen viele in Schlüsselpositionen, etwa Meteorologen oder Programmierer. Insgesamt seien rund 12 000 bei NOAA angestellt, heisst es auf der Website.

Für viele Betroffene waren die Entlassungen ein Schock, aber keine völlige Überraschung. Denn politische Strategen für Donald Trumps Kampagne hatten schon vor seiner Wahl als Präsident einen Plan entwickelt, NOAA zu zerschlagen. Das Ziel dabei: die «Quelle des Klima-Alarmismus» der Behörde auszulöschen und «den Grossteil ihrer Forschung zum Klimawandel aufzulösen».

Die Agentur, die auf eine 200-jährige Geschichte zurückblickt, vereint eine Vielzahl von Aufgaben. Dazu gehören tägliche Wettervorhersagen, Sturmwarnungen sowie wissenschaftliche Messungen zum Klimawandel – Informationen, von denen nicht nur amerikanische Bürgerinnen und Bürger, sondern auch private Unternehmen abhängen.

«Jeder einzelne Dollar unserer Wirtschaft wird durch das Wetter beeinflusst», schimpfte ein lokaler Meteorologe am Dienstag auf X gegenüber seinem Publikum: «Die Landwirtschaft, das Energiesystem, der Reiseverkehr, die Verteidigung, die Logistik aller grossen Unternehmen . . . Ihr seht, was ich meine.»

Jane Lubchenco, eine internationale Grösse in der Meeresforschung und ehemalige Verwalterin der NOAA-Behörde, kritisierte die Massenentlassungen nicht nur «als eine nationale Katastrophe» scharf. Sie seien auch eine «kolossale Geldverschwendung». Die Amerikanische Gesellschaft der Meteorologen bezifferte den ökonomischen Mehrwert, der durch die frei zugänglichen Dienstleistungen und Wetter- und Klimainformationen geschaffen werde, auf über 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Das entspreche etwa dem Zehnfachen der Investitionen durch die amerikanischen Steuerzahler.

Aber auch Wissenschafter aus der ganzen Welt verlassen sich auf das geballte Wissen der Agentur. NOAA sei weltweit die grösste staatliche Forschungsinstitution in den Bereichen Klima, Ozean und Wetter, sagt Andreas Oschlies, Leiter der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Er und seine Kollegen beziehen nicht nur NOAA-Daten für ihre Arbeit. Sie wenden auch Klima- und Wettermodelle als zentrale Bausteine in ihrer Forschungsarbeit an, die von dortigen Wissenschaftern entwickelt wurden.

Die Entlassungen würden jetzt genau diese Kompetenz ins Wanken bringen und Fragen zum zukünftigen Umfang und Austausch der Daten aufwerfen. «NOAA hat 18 Wettersatelliten, von denen auch wir unsere Daten bekommen. Diese Infrastruktur muss betrieben werden. Es muss ständig etwas gewartet werden. Das erfordert Rundumbetreuung», sagt er im Gespräch. Die Frage, die sich jetzt stelle, so Oschlies: «Hat man noch das Personal, das zum Betrieb erforderlich ist?»

In den USA sagen Forscher schon jetzt: Nein. Es gibt erste Warnungen, dass einige Regionalzentren des Nationalen Wetterdienstes ihrer Arbeit nicht nachkommen könnten, weil ihnen das Personal fehle. Oschlies sagt, das könne längerfristig auch Auswirkungen auf die Qualität des Wetterdiensts in Deutschland haben: «Wenn wir keine guten Daten haben oder diese zu spät bekommen, dann können auch die deutschen Wettermodelle nicht mehr so gut rechnen.»

Oschlies macht sich zudem Sorgen, dass NOAA-Daten und Klimamodelle nicht mehr so leicht zugänglich sein werden. Das könnte auch seine Forschungsarbeiten erschweren.

Die Behörde betreibt unter anderem die weltweite Datenbank für Ozeane, «ein enorm wichtiges Werkzeug», sagt Oschlies. Sie vereine all jene Informationen, die notwendig seien, um beispielsweise die Daten zur Erwärmung oder zur Versauerung der Ozeane zu erheben. Normalerweise können einfach Daten von der Website genutzt werden. Jetzt habe man aber aus Sicherheit schon eine Kopie heruntergeladen. Die Entlassungen könnten in Zukunft womöglich auch die Qualitätskontrolle der Daten beeinträchtigen.

Auch viele der wichtigen weltweiten Klimamodelle werden in den amerikanischen Forschungsinstituten erstellt und weiterentwickelt. Oschlies sagt, seine Arbeit baue insbesondere auf zwei Modellen auf, die von NOAA-Wissenschaftern und -Programmierern weiterentwickelt würden. «Wir benutzen sie und haben uns immer darauf verlassen, dass das bereitgestellt wird.»

Selbst die Software, mit der für die Meeresforschung und die Meteorologie relevante Daten analysiert und visualisiert würden – als «Ferret» bekannt –, sei bei NOAA entwickelt worden und sei bislang frei zugängig. Jetzt wisse man nicht mehr, ob man die für die Modelle benötigten Codes auch in Zukunft einfach herunterladen könne, sagt Oschlies. Und auch in diesem Fall habe sein Team schon Sicherheitskopien erstellt, fügt er hinzu.

Was deutlich wird: Die Entwicklungen der letzten Tage haben eine Gewissheit der vergangenen Jahre erschüttert. Der freie Zugang zu zentralisierten Wetter- und Klimadaten und den dazugehörigen Dienstleistungen ist nicht mehr einfach so gegeben.

Dabei sei der transparente Austausch von Informationen und Know-how nicht nur «ein Service für die Weltforschungsgemeinschaft» gewesen, sagt Oschlies. Davon profitierten auch die Amerikaner. «Die USA sind auf diesen Gebieten führend, weil sie die Strukturen so stark und über Jahrzehnte hinaus verlässlich finanziert haben, und die Welt hat sich daran gewöhnt, dass das gut funktioniert.»

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