Montag, November 25

Die Volksmehrheit sieht keinen Bedarf für mehr Missbrauchsbekämpfung bei Untervermietungen und für die Möglichkeit einer schnelleren Kündigung bei Eigenbedarf des Vermieters.

Es soll keine Stärkung der Eigentümerrechte zulasten des Mieterschutzes geben. Das ist das Volksverdikt vom Sonntag zu den zwei Abstimmungen über das Mietrecht. Zur Diskussion standen jeweils nur kleine Änderungen für bestimmte Fallkonstellationen bei Wohn- und Geschäftsräumen. Beide Vorlagen entsprangen parlamentarischen Initiativen. Der Bundesrat hatte die Änderungen als unnötig befunden.

Zahlenmässig sind die Mieter klar im Vorteil. Rund 60 Prozent aller Haushalte wohnen in Mietwohnungen. Und nur ein kleiner Teil der Wohneigentümer gehört zu den Vermietern. Jede Stärkung der Vermieterrechte (bzw. Schwächung des Mieterschutzes) hat es damit schwer. Auch aufgrund der Umfragen im Vorfeld des Urnengangs schien ein doppeltes Nein wahrscheinlich.

Streit um Adjektive

Bei einer der Vorlagen musste man die Änderungen fast mit der Lupe suchen. Dabei ging es um die Idee, dass die Vermieter bei akutem Eigenbedarf für die vermietete Sache den Mietern schneller kündigen könnten. Nach geltendem Recht ist in gewissen Fällen eine schnellere Kündigung möglich, wenn der Eigenbedarf des Vermieters «dringend» ist. Neu hätte es für die Anwendung dieser Sonderbestimmungen genügt, wenn der Eigenbedarf «bedeutend» und «aktuell» ist.

Die Befürworter hatten argumentiert, dass die Rechtsprechung mit einer strengen Definition des Worts «dringend» die Latte für die Anwendung der Sonderbestimmungen zu hoch gelegt habe. So sei es vorgekommen, dass Eigentümer die eigene Wohnung erst nach mehrjähriger Wartezeit hätten beziehen können. Mietervertreter hatten dagegen argumentiert, dass mit der vorgeschlagenen Änderung der Missbrauch von Vermietern mit Kündigungen aufgrund eines nur vorgeschobenen Eigenbedarfs noch zunehmen werde.

Letztlich hätten die Gerichte entscheiden müssen, wie stark die Hürden für eine schnellere Kündigung gesunken wären. Die Änderung wäre beschränkt gewesen auf drei Fallkonstellationen mit Eigenbedarf des Vermieters: bei einem Verkauf der Liegenschaft, bei einer Kündigung in zeitlicher Nähe von mietrechtlichen Verfahren und bei Gesuchen des Mieters um Erstreckung der Mietdauer.

Auch nach geltendem Recht gilt der Eigenbedarf des Vermieters grundsätzlich als valabler Grund für eine ordentliche Kündigung. Der Eigenbedarf mit Adjektiv (dringend bzw. bedeutend/aktuell) ist im Prinzip nur für ausserordentliche Kündigungen relevant. In Einzelfällen hätten die Änderungen für die Direktbetroffenen bedeutend sein können – wohl am ehesten bei Mietverträgen mit mehrjähriger Laufzeit, was bei Geschäftsliegenschaften oft vorkommt. Doch im Gesamtkontext hielt sich die Bedeutung in engem Rahmen. Mit dem Volks-Nein vom Sonntag ist die Diskussion um juristische Subtilitäten einzelner Adjektive Makulatur.

Spannend bis zum Schluss

Ähnliches gilt für das Thema der zweiten gescheiterten Mietrechtsvorlage: die Regeln zur Untermiete. Hier blieb das Abstimmungsergebnis am Sonntag offen bis fast zum Schluss. Die Kritiker des Status quo wollten Missbräuche mit Daueruntervermietungen und mit Untervermietungen zu überhöhten Preisen bekämpfen. Nach geltendem Recht kann der Mieter die gemieteten Räume mit Zustimmung des Vermieters ganz oder teilweise untervermieten. Der Vermieter darf die Untervermietung nur in bestimmten Fällen verweigern – zum Beispiel wenn der Hauptmieter damit Profite macht oder die Mieträume durch die Untervermietung überbelegt sind oder stärker abgenutzt werden.

Die wichtigste Änderung der Abstimmungsvorlage: Neu hätte der Vermieter generell eine Untervermietung von mehr als zwei Jahren ablehnen können. Laut Gegnern hätte dies sinnvolle längere Untervermietungen erschwert (zum Beispiel bei dreijähriger Auslandabwesenheit) und auch Hürden für Wohngemeinschaften aufgebaut. Gemäss den Befürwortern wären Wohn- und Bürogemeinschaften weiterhin problemlos möglich gewesen. Auch diese Änderung scheiterte an der Urne. Das Ergebnis war indes knapp, mit 51,6 Prozent Nein-Stimmen.

Nein/Nein oder Ja/Ja

Die Abstimmungsergebnisse und Umfragen im Vorfeld lassen vermuten, dass inhaltliche Subtilitäten bei den meisten Urnengängern eine geringe Rolle spielten. Vielmehr ging es um die Grundfrage, ob man mehr Eigentümerrechte zulasten des Mieterschutzes will oder nicht. Die Nein-Kampagne des Mieterverbands war auf die Botschaft ausgerichtet, dass jede Schwächung des Mieterschutzes den Untergang des Abendlands bedeutet. Gemäss der zweiten SRG-Umfrage des Forschungsinstituts «gfs.bern» Ende Oktober / Anfang November waren rund 85 Prozent der Befragten im Lager Nein/Nein oder Ja/Ja. Dieser Anteil dürfte seither noch zugenommen haben – vermutlich auf etwa 90 Prozent oder sogar mehr.

Die einzige politische Partei mit differenzierter Parole waren die Grünliberalen: Sie empfahlen ein Ja zur Vorlage über den Eigenbedarf und ein Nein zur Änderung der Regeln über die Untermieter. Ironischerweise hat jene Minderheit der Urnengänger, die differenzierte, per saldo die gegenteilige Haltung eingenommen. Die Vorlage zur Untermiete erhielt mit einem Ja-Stimmen-Anteil etwas über 48 Prozent gut 2 Prozentpunkte mehr Unterstützung als die Vorlage zum Eigenbedarf. Auch aus der Optik von manchen Mietern mag die «Geschäftemacherei» via Untervermietung ein Ärgernis sein – besonders im Zeitalter von Online-Vermietungsplattformen à la Airbnb.

Die Abstimmungsergebnisse zum Mietrecht und die Umfragen im Vorfeld zeigten die üblichen Differenzen: Städtische Gebiete stimmen weit linker als ländliche, und die Westschweiz ist viel linker als die Deutschschweiz. Viele Deutschschweizer Kantone sagten zweimal Ja, und die Westschweiz sagte zweimal klar Nein.

Bald kommt nächste Etappe

Zwei weitere parlamentarische Initiativen zur Stärkung der Vermieterrechte sind noch hängig im Parlament. Diese Vorlagen dürften bis nächsten Frühling in den Nationalrat kommen. Dabei geht es um die Mietzinse. Eine der Vorlagen will die Anfechtung von missbräuchlichen Anfangsmieten einschränken. Die andere will die Beweisbarkeit von orts- und quartierüblichen Mietzinsen erleichtern. Auch bei diesen Vorlagen wäre mit je einem Referendum des Mieterverbands zu rechnen.

Verlässt die Bürgerlichen angesichts des Urnenverdikts von diesem Sonntag nun der Mut? Er gehe davon aus, dass man an den parlamentarischen Initiativen festhalte, sagt der Walliser Mitte-Nationalrat Philipp Bregy, Chef der Mitte-Nationalräte und Vorstandsmitglied des Hauseigentümerverbands. Denn die Eigentümerrechte seien zu wenig gut geschützt: Man wolle einen besseren Schutz, damit mehr Wohnungen gebaut würden.

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