Montag, November 25

In Spanien trifft unser Autor Richard Kägi den Messi der Eisenroste und lässt sich von ihm Tipps geben, wie man richtig grilliert. Dazu brauche es nur zwei Dinge.

Der Sommer, der erst keiner sein wollte, liess uns lang im Regen stehen, im Schlamm der Freudlosigkeit versinken, vom Strand träumen, überteuerte Flüge und Hotels buchen oder einfach schlechte Laune verbreiten. Nur eines schaffte er nicht: uns das Grillieren madigmachen. Der Höhlenmenschen feurige Saat geht ungebremst auf, jedes Jahr fruchtbarer und ausnahmslos alle Grilleure dieser Welt vereinigend.

Da der Schnösel in der Villa, der auf seiner Enea-geplankten Rosenholzterrasse einer monströsen Grillapparatur, die zweifellos zur AMG-Klasse der Feuerstellen gehört, glühendes Leben einhaucht. Natürlich mittels japanischer Binchotan-Holzkohle, 1100 Grad heiss, rauch- und emissionsfrei, das Kilo teurer als das Wagyu-Steak, das darauf hoffentlich nicht verbrennt. Dort der Maturand, der mit den letzten paar Franken (seiner Freundin) billigstes Quälfleisch beim Discounter ersteht – unmariniert, denn kostet die Würzpampe mehr, als was sie umhüllen soll, geht die Rechnung des Händlers nicht mehr auf.

Dafür ist eine Aluschale mit einigen mit übelster Chemie zusammengepappten Kohlebriketts inbegriffen. Da wächst der Tumor im Darm nur schon beim Anschauen. Dazwischen alle Balkonbrandstifter und sonstigen Feuerteufel, denen mithilfe überschaubaren Grillgeräts die Unerbittlichkeit der eigenen Vorsätze am Ende genauso das Glück bringt wie den beiden extremen Beispielen. Nämlich nicht zu knapp Bier zu trinken und das Haus nicht abzufackeln.

Es gibt nur den einen Menschen, mit dem ich mich über das Garen auf dem Feuer unterhalten möchte. Glaubt man seinem legendären Ruf, kann niemand, was er kann, er soll der Beste sein, im Wesentlichen ausserirdisch, ein Alien, ein Grillgott. Zu meinem Glück kann man ihn aber in seiner Küche, also auf Erden, treffen, vorausgesetzt, es ist kein Montag, denn an diesem Wochentag ist sein Restaurant geschlossen.

Victor Arguinzoniz ist der Messi der Eisenroste

Victor Arguinzoniz – man ahnt es, ein Baske – empfängt mich in seinem Dorf am Ende der Welt. Axpe, in grüner, hügeliger Landschaft, eine Stunde von San Sebastián entfernt. Und ja, wenn jemand übers Grillieren Bescheid weiss, dann er, der Koch des «Etxebarri». Ausgezeichnet als eines der besten Restaurants dieses Planeten und Wallfahrtsort sämtlicher verfressener Pyromanen. Hier wird nur über Glut gegart. Victor ist der Messi der Eisenroste, das achte Weltwunder, das grösste Talent aller Zeiten. Wer bei ihm gegessen hat, der weiss, es gibt eine Zeitrechnung vor Victor und eine nach ihm.

Er kommt sofort auf den Punkt. «Zwei Dinge braucht es für das Grillerlebnis: ein Feuer, einen Rost.» In seiner geräumigen Küche sind etwa ein halbes Dutzend Feuerstellen verteilt, deren Roste mit einem von ihm konstruierten Kettenzug-Hebemechanismus zentimetergenau über der Glut positioniert werden. Je nachdem was draufkommt und wie viel direkte Hitze es abbekommen soll. Keine Funktion ist wichtiger beim Zubereiten über Glut.

Wenn Victor Kaviar oder die berühmten Tränenerbsen grilliert oder gar Milch, Büffelmozzarella und Eis nach Feuer und Rauch schmecken sollen, kommen besondere, von ihm konstruierte Gerätschaften zum Einsatz. Gitterförmige und durchlöcherte Pfannen, spezielle Siebe und Töpfe, um auch halbfeste und flüssige Zutaten mit subtilsten Feuer- und Raucharomen zu parfümieren. Und natürlich das richtige Holz für die Glut.

Anfangs grillierte er mit Holzkohle, seit vielen Jahren nur noch mit Holz. Lange gelagerte Steineiche für alles, was aus dem Meer kommt, und für Gemüse. Altes Rebholz für das Steak vom Rippenstück einer älteren, mit Gras gefütterten Kuh. Dafür allein würde ich zum Mars reisen, wenn das «Etxebarri» dort oben läge. Um immer perfekte Glut bereitzuhaben, für den ganzen Tag, stehen zwei separate Öfen an der Seite, darin brennen die Hölzer zu schwelender, fast rauchfreier Glut herunter. Mehr Gerät ist nicht vorhanden. Kein Kugelgrill mit iGrill-Technologie (Temperaturanzeige mittels Bluetooth auf dem Handy) und emailliertem Zwei-Zonen-Grillsystem, dem Helm von Darth Vader nicht unähnlich. Kein tonnenschweres, eiförmiges Green Egg zum Preis eines Kleinwagens und auch kein Oklahoma Joe’s Smoker, der mehr Lokomotive ist denn Grill.

Das Wichtigste ist die Glut – und das Anzünden

Der grösste Fehler beim Grillieren ist zu wenig Geduld mit der Glut. Keine Flammen dürfen mehr züngeln, ganz wenig Zugluft darf sein, gerade so viel, dass sich keine weisse Ascheschicht bildet, die an das Grillgut geweht werden könnte. Ebenso wichtig: das Anzünden. Tabu sind mit Chemikalien getränkte Anzündwürfel (ausser um Holzkohlebriketts abzufackeln, weil mit diesen zu grillieren, da steht der Magenkrebs sowieso schon vor der Tür).

Mit Mundwasser zu gurgeln, wie der Nerd in der Villa, bevor er mit reinstem Atem auf die drei Jahre luftgetrocknete Bauchwolle eines Bergziegenembryos bläst, um damit seine glasharte japanische Steineichenholzkohle zum Glühen zu bringen, ist auch übertrieben. Es gibt etwas dazwischen. Mit Baumharz getränkte Holzwolle in einen Anzündkamin legen, Holzkohle daraufschichten und unten anzünden. Oder, noch besser, den Kamin auf den Gasherd stellen. Innerhalb von Minuten glüht es vom Feinsten.

Ein Feuer, ein Rost. Idealerweise höhenverstellbar. Es gibt sie für zu Hause, die Edelstahlungetüme mit kettengetriebenem, in der Höhe einstellbarem Gitter. Für Leute, die nicht wissen, wohin mit ihrem Geld. Doch da sind wir wieder in der Liga der Terrassenporsches. Einfacher geht es auch mit Backsteinen, die man unter den vier Ecken des Grillrostes zur gewünschten Höhe aufschichtet. Das dabei eingesparte Geld besser in allerbeste Lebensmittel investieren.

Viele Menschen kaufen sauteure Grills und verkohlen Billigfleisch darauf. Dabei müsste es umgekehrt sein. Oder noch besser: ins Baskenland reisen und sich dort von Victor – nach einer der besten Mahlzeiten im menschlichen Dasein – von seiner Arbeit erzählen lassen, vom Zauber der Gelassenheit, der Erfahrung und der Zurückgezogenheit. Und sich sein grandioses Kochbuch signieren lassen, das bedeutendste Kompendium über die älteste Kochmethode der Menschheit.

Richard Kägi ist Autor und Foodscout, schreibt Kochbücher und Kolumnen. Seine Rezepte veröffentlicht er auf homemade.ch und richardkaegi.ch, Instagram @richifoodscout

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