Mittwoch, April 30

Die G-7-Staaten wollen bis 2035 keine Kohle mehr zur Verstromung nutzen. Über die Zukunft des fossilen Brennstoffs wird aber anderswo entschieden.

Zwei Schlagzeilen in einer Woche, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: Auf der einen Seite berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass einige der grössten Aktionäre des Rohstoffkonzerns Glencore gegen eine Abspaltung des derzeit sehr profitablen Kohlegeschäfts seien. Das Schweizer Unternehmen kaufte im vergangenen Jahr die Kohlesparte des Konkurrenten Teck und stellte gleichzeitig eine Aufspaltung des Konzerns in Aussicht – wenn die Aktionäre dem Plan zustimmten.

Ankündigung mit Schlupflöchern

Auf der anderen Seite kündigten die wichtigsten westlichen Industrieländer, die G-7-Staaten, an, bis zum Jahr 2035 aus der Kohle zur Verstromung auszusteigen. Kohle ist der dreckigste Energieträger unter den fossilen Brennstoffen. Zur Ländergruppe gehören Deutschland, Frankreich, Italien, das Vereinigte Königreich, Japan, Kanada und die USA. Zudem ist die EU bei den Treffen vertreten.

Zwar hatten sich die meisten Länder bereits prinzipiell zu diesem Schritt verpflichtet, auf einen gemeinsamen Endtermin hatte man sich aber noch nie geeinigt. Wie gehen nun diese zwei Schlagzeilen zusammen?

Zunächst haben die G-7-Staaten in ihrer Erklärung zwei Schlupflöcher eingebaut. Kohle wird vor allem in der Verstromung verwendet. Im Abschlussdokument heisst es, dass die «unverminderte» Stromerzeugung mit Kohle in der ersten Hälfte der 2030er Jahre enden soll.

«Unvermindert» heisst in diesem Zusammenhang, dass bei der Verstromung von Kohle der dabei entstehende Kohlenstoff nicht abgeschieden und eingelagert wird. Wenn aber diese Technik angewandt wird, können auch noch weiter Kohlekraftwerke betrieben werden. Dieser Begriff wird auch in der Abschlusserklärung des letzten Klimagipfels in Dubai verwendet.

Ausserdem heisst es, dass der Ausstieg auch «in einem Zeitrahmen erfolgen könne, der mit der Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius vereinbar ist, im Einklang mit den Netto-Null-Zielen der Länder». Dies dürfte vor allem auf Japan gemünzt sein. Zusammen mit Deutschland hat das asiatische Land noch den höchsten Anteil von Kohle an der Stromerzeugung innerhalb der G-7. In Ländern wie Frankreich, Grossbritannien und Kanada spielt Kohle so gut wie keine Rolle mehr. In den USA trägt die Kohle gut ein Fünftel zur Stromproduktion bei.

Ausser Japan haben alle G-7-Länder bereits einen Ausstiegsplan. So haben die USA vor kurzem die Bestimmung eingeführt, dass bestehende Kohlekraftwerke, die nach 2039 noch in Betrieb sein sollen, mindestens 90 Prozent der Emissionen abscheiden und einlagern müssen. Deutschland will bis 2038 aus der Kohle aussteigen, wobei im Koalitionsvertrag Ende 2021 vereinbart worden ist, diesen Schritt «idealerweise» auf 2030 vorzuziehen.

Für Nordrhein-Westfalen steht dieser frühere Termin schon fest, in Ostdeutschland, wo Braunkohle in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt gefördert wird, gibt es aber Widerstände gegen einen Ausstieg vor 2038. In den EU-Ländern unterliegt aber die Nutzung von Kohle ohnehin dem Emissionshandelssystem.

China spielt die Hauptrolle

Die Musik spielt zudem schon lange nicht mehr in den westlichen Industrieländern. Deren absoluter Konsum, aber auch der weltweite Anteil am Kohleverbrauch ist über die Jahrzehnte stark zurückgegangen. Die globale Kohlenachfrage hat zudem in den vergangenen zwei Jahren Höchstwerte erreicht, wie die Internationale Energieagentur (IEA) Ende 2023 festgestellt hat – Klimapolitik hin oder her.

Die IEA geht aber noch davon aus, dass der Appetit auf Kohle im vergangenen Jahr seinen historischen Höhepunkt erreicht hat, bis zum Jahr 2026 werde die Nachfrage langsam fallen. Hohe Erdgaspreise im Zuge des Krieges in der Ukraine liessen den Verbrauch von Kohle besonders in Asien steigen. Dabei ist wichtig, was in China passiert. Das Land zeichnet für rund die Hälfte des weltweiten Verbrauchs verantwortlich.

Zwar hatte der chinesische Präsident Xi 2021 versprochen, Kohleprojekte «strikt zu kontrollieren». Im vergangenen Jahr sind jedoch so viele Kapazitäten für Kohlekraftwerke wie seit 2016 nicht mehr in Betrieb gegangen. Die weltweite Kraftwerksflotte, die Kohle nutzt, hat sich um 2 Prozent vergrössert. Dabei gehen laut der Organisation Global Energy Monitor zwei Drittel dieser neuen Anlagen auf die Kappe von China.

Auch Indien, Indonesien oder Vietnam eröffneten in erheblichem Masse neue Kraftwerke. In Indonesien schlägt deutlich die erhöhte Energienachfrage bei der Verarbeitung von Nickelerzen zu Buche. Zudem verlangsamte sich die Schliessung von Anlagen in den USA und in Europa.

Nachfrageschub durch Datenzentren

China hat zwar in der vergangenen Zeit seine Abhängigkeit von der Kohle verkleinert, der fossile Brennstoff hat aber weiterhin einen Anteil von rund 60 Prozent an der Stromerzeugung. Dies relativiert auch den Erfolg von Elektrofahrzeugen in China, die häufig mit Kohlestrom angetrieben und produziert werden. Neben der Verstromung wird Kohle auch in der Stahl- und in der Zementbranche genutzt.

Die Prognose der IEA, dass in diesem Jahr der Höhepunkt der Kohlenachfrage erreicht werden wird, hängt insbesondere davon ab, wie sich die chinesische Wirtschaft entwickelt. Für eine weitere Unsicherheit sorgt der stark steigende Energieverbrauch von Datenzentren. Das «Wall Street Journal» berichtet davon, dass die grosse Zunahme in Regionen wie Northern Virginia bereits dazu geführt hat, dass Versorgungsunternehmen damit rechnen, für längere Zeit als geplant Kohle zu nutzen.

Vor allem die rasche Verbreitung der künstlichen Intelligenz führt zu mehr Stromverbrauch. Unterschiedliche Zahlen werden herumgeboten: Laut dem Rohstoffhändler Trafigura verbraucht eine Anfrage bei Chat-GPT neunmal so viel Energie wie eine solche bei Google. Eine andere Schätzung geht davon aus, dass Server für die künstliche Intelligenz im Jahr 2027 weltweit ähnlich viel Elektrizität wie Argentinien in einem Jahr verbrauchen werden.

Im Februar verwies Glencore darauf, dass Datenzentren, künstliche Intelligenz und Kryptowährungen die Nachfrage nach Strom bis zum Jahr 2026 in einer Höhe ansteigen lassen könnten, die dem Verbrauch von Deutschland entspricht. Wie auch immer: Der Strombedarf geht in die Höhe. Kohleproduzenten rechnen sich aus, dass ein Teil der steigenden Nachfrage mit dem fossilen Brennstoff gedeckt wird.

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