Mittwoch, Januar 29

Trump hat an Kolumbien ein Exempel statuiert. Präsident Petro knickt ein – bedingungslos. Auch auf andere lateinamerikanische Staaten wächst der Druck aus Washington.

Nicht einmal einen Tag lang widersetzte sich Präsident Gustavo Petro den Abschiebungen von Kolumbianern aus den USA – danach lenkte er bedingungslos ein: Am Sonntagmorgen weigerte er sich noch, zwei amerikanische Militärflugzeuge mit abgeschobenen Kolumbianern landen zu lassen. «Die USA dürfen Migranten nicht wie Kriminelle behandeln», liess er via X ausrichten. Er stelle seine Präsidentenmaschine zur Verfügung, um sie abzuholen, kündigte der linke Präsident an.

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Doch schon am Abend ruderte Petro zurück: Die kolumbianische Regierung habe sich bereit erklärt, ihre aus den USA abgeschobenen Bürger auf Militärflügen aufzunehmen, teilte das Weisse Haus am Sonntagabend mit. Präsident Petro habe alle Bedingungen von Präsident Trump akzeptiert. Die kolumbianische Regierung begründete ihre Kehrtwende damit, die Würde der Abgeschobenen garantieren zu wollen.

Als Löwe gebrüllt, als Bettvorleger geendet – so oder so ähnlich wird Petros Aktion in vielen Kommentaren in den sozialen Netzwerken beschrieben. Denn offensichtlich wollte Petro um jeden Preis verhindern, dass die von Trump angedrohten Strafaktionen umgesetzt werden.

Für Trump kommt Kolumbiens Weigerung gerade recht

Denn Trump hatte mit wütenden Posts und handfesten Drohungen deutlich gemacht, dass er an Kolumbien ein Exempel statuieren werde, sollte die Regierung keine Abschiebeflüge erlauben.

Er verhängte Strafzölle von 25 Prozent auf Importe aus dem südamerikanischen Land. Auf seinem Kanal Truth Social kündigte er ein Einreiseverbot für Regierungsmitglieder sowie Einschränkungen im Zahlungsverkehr an. Zudem stelle die amerikanische Botschaft in Bogotá ab sofort keine Visa mehr für kolumbianische Staatsbürger aus. In der kommenden Woche sollten die Strafzölle dann verdoppelt werden, drohte er. «Wir werden nicht zulassen, dass Bogotá seine Verpflichtung verletzt, Kriminelle zurückzunehmen, die es in die USA gezwungen hat.»

Petro drohte daraufhin, kurzfristig auch Amerikanern in Kolumbien die Visa zu entziehen und Zölle in Höhe von 50 Prozent auf Importgüter aus den USA zu erheben. Doch der Schaden wäre für Kolumbien enorm gewesen.

Die USA sind der grösste Handelspartner Kolumbiens. Rund ein Viertel aller Exporte – vor allem Erdöl und Kaffee – gehen in den Norden. Einen Handelskrieg kann sich Petro nicht leisten: Die Wirtschaft beginnt sich nach einem schwachen Jahr 2024 (1 Prozent Wachstum) gerade zu erholen. Nur ein Drittel der Bevölkerung schätzt ihn und seine Regierungspolitik. 60 Prozent lehnen seine Amtsführung ab, wie das Meinungsforschungsinstitut Invamer vor wenigen Wochen ermittelte.

Zudem war Kolumbien jahrzehntelang das Land, das weltweit am meisten amerikanische Militärhilfe im Kampf gegen die Drogenproduktion und die Guerilla erhielt. Auch wenn die Hilfe in den letzten Jahren zurückgegangen ist, ist das amerikanische Militär nach wie vor eng mit den kolumbianischen Sicherheitskräften verbunden.

Entwürdigende Rückführung brasilianischer Migranten

Angesichts des in der vergangenen Woche wieder aufgeflammten Konflikts mit der Drogenguerilla der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) und Dissidenten der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) könnte Kolumbien die Unterstützung der USA gut gebrauchen. In der vergangenen Woche kam es an der Grenze zu Venezuela zu Gefechten mit mindestens 80 Toten, zahlreichen Verletzten, Entführungen und der Vertreibung von mehr als 32 000 Menschen. Zudem liegt nach Angriffen Petros auf die israelische Regierung auch die wichtige Zusammenarbeit mit dem anderen traditionell wichtigen Sicherheitspartner auf Eis.

Nach dem Rückzieher kündigten die USA an, dass die angedrohten Zölle zwar ausgesetzt, aber «in Reserve gehalten» würden. Die Visa-Beschränkungen blieben in Kraft, bis das erste Flugzeug mit ausgeschafften Kolumbianern zurückgekehrt sei.

Auslöser für Petros Aktion waren die Umstände eines Rücktransports brasilianischer Emigranten aus den USA: Am vergangenen Freitag war das Flugzeug aus den USA wegen technischer Probleme in der Amazonas-Metropole Manaus gelandet. Die 88 Deportierten waren an Händen und Füssen gefesselt. Sie sollen während 50 Stunden weder zu essen noch zu trinken erhalten haben; auch durften sie angeblich die Toilette nicht aufsuchen. Einige Passagiere berichteten zudem von Misshandlungen während des Fluges. Die brasilianischen Behörden ordneten daraufhin die Entfernung der Fesseln an. Die Weiterreise der Deportierten wurde mit einer Maschine der brasilianischen Luftwaffe organisiert.

Die brasilianische Regierung bezeichnete die Behandlung der abgeschobenen Bürger als «entwürdigend» und «inakzeptabel». Das brasilianische Aussenministerium forderte eine offizielle Erklärung Washingtons zu den Umständen der Abschiebung.

Allen Staaten in Lateinamerika drohen Rückführungen

In den lateinamerikanischen Regierungen werden die Vorgänge aufmerksam verfolgt. Allen Staaten drohen Rückführungen. Trump will Millionen Menschen ohne Aufenthaltsrecht in den USA abschieben. Seit Sonntag sollen dazu Razzien in den USA stattfinden. Geschätzte elf Millionen Menschen leben ohne gültige Papiere, knapp die Hälfte davon sind Mexikaner, dann folgen Venezolaner als zahlenmässig grösste neuere Einwanderergruppe.

Vor allem für Zentralamerika, die Karibik und Mexiko dürften Rückführungen politisch heikel sein. Für kleinere Staaten wie El Salvador, Honduras oder Guatemala sind die Geldüberweisungen der Emigranten in den USA für das Wachstum ihrer Volkswirtschaften und die Armutsreduktion enorm wichtig. Eine massenhafte Rückkehr von Emigranten würde alle Regierungen stark belasten. Mexikos Regierung bereitet sich mit Notunterkünften und massiver Behördenpräsenz an den Grenzen auf die Ausschaffungen vor.

Bis jetzt ist Präsident Trumps Vorgehen aber vor allem als eine PR-Aktion zur Besänftigung seiner Wähler und zur Abschreckung neuer Migranten zu verstehen. In den letzten Tagen wurden weniger Personen nach Lateinamerika zurückgeschafft als im Durchschnitt im letzten Amtsjahr von Präsident Biden. Mit den harschen Bedingungen für die gefesselten Auszuschaffenden und der Rückführung mit den grossen C-17-Transportflugzeugen der amerikanischen Armee konnte Trump aber viel mediale Aufmerksamkeit erregen. Mit den meisten lateinamerikanischen Staaten gab es unter Biden keine Schwierigkeiten bei Rückschaffungen. Eine Ausnahme ist das mit amerikanischen Sanktionen belegte Venezuela.

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