Die wachsende chinesische Dominanz im Markt für Elektroautos erschüttert gerade die gesamte Lieferkette. Das trübt auch die langfristigen Aussichten des Herstellers von Maschinen zur Kabelverarbeitung – mit Auswirkungen auf die Aktien.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Der Aktienkurs von Komax spricht eine deutliche Sprache. Seit dem Höchst Anfang 2023 hat er sich halbiert.
Der Hersteller von Kabelverarbeitungsmaschinen und Automatisierungsspezialist hat schwierige Quartale hinter sich. Im Januar schreckte er die Börse mit einer Gewinnwarnung auf. 2023 blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück. Und die Aussichten sind düster: Die Aufträge blieben auch im ersten Halbjahr 2024 aus, mehrere Beobachter berichteten mir, dass die Produktionshallen seit Monaten wie ausgestorben wirkten. Seit Anfang Mai sind die Mitarbeitenden in der Produktion in Dierikon in Kurzarbeit, durchschnittlich zu etwas über 30%, wie mir das Unternehmen bestätigt.
Der Entscheid zeigt: Komax hat die Hoffnung auf eine baldige Besserung der Auslastung aufgegeben, verzichtet aber mit diesem Schritt vorerst auf Entlassungen.
Das Unternehmen hängt am Tropf der Automobilindustrie. Seine Maschinen werden insbesondere für die Verarbeitung von Kabeln für Fahrzeuge eingesetzt – ein Markt, der mit der Verbreitung von Elektroautos strukturell wachsen sollte. Doch nach dem Boom zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine Anfang 2022, als viele Hersteller ihre Produktion in andere Länder verlagern mussten und neue Fabriken mit modernen Maschinen ausstatteten, scheint die Nachfrage nun vorerst gedeckt.
Der europäische Automobilmarkt kommt nicht in Schwung. Schwache Erholungstendenzen zu Beginn des zweiten Quartals 2024 sind bereits wieder verpufft. Noch wichtiger sind aus meiner Sicht aber die strukturellen Veränderungen im Markt, Ungemach droht vor allem aus China.
BYD ist im Herzen Europas angekommen
Symbolträchtiger kann ein Werbevertrag nicht sein: Der chinesische Elektroautokonzern BYD, ab Ende 2023 nach verkauften Stückzahlen Weltmarktführer, ist in diesem Jahr offizieller Partner und Mobilitätssponsor der Fussballeuropameisterschaft der Männer in Deutschland. Er löst damit Volkswagen ab. Die Deutschen hatten die seit 2018 bestehende Partnerschaft genutzt, um die Elektroauto-Baureihe ID populär zu machen. Nach Angaben von VW hat sich der Konzern nicht um eine Verlängerung der Zusammenarbeit mit der UEFA bemüht, dennoch dürfte es nun schmerzen, dass ausgerechnet der chinesische Konkurrent in die Bresche springt.
Denn es macht deutlich, BYD ist im Herzen Europas angekommen.
Und die Chancen stehen gut, dass daraus eine Liebe zum Auto wird. Schätzungen zufolge kostet ein chinesisches Elektroauto in der Herstellung mindestens ein Drittel weniger als ein europäisches. Die günstigsten Modelle sind in China ab umgerechnet 10’000 Fr. erhältlich. Der Verkaufspreis ist einer der Hauptgründe, weshalb viele Autofahrerinnen im Westen immer noch zögern, vom Verbrenner auf ein Elektroauto umzusteigen.
Der Schweizer Autoimporteur Emil Frey hat das Potenzial der chinesischen Modelle erkannt: Kürzlich kündigte er an, künftig Autos von BYD vertreiben zu wollen. Im ersten Jahr hat BYD 230 Einzelhandelsgeschäfte in neunzehn europäischen Ländern eröffnet und fünf neue Modelle lanciert, die verschiedene Segmente abdecken. 2024 sollen nochmals drei neue Modelle auf den Markt kommen.
Die Europäische Union (EU) will dem nicht tatenlos zusehen. Nach dem Vorbild der USA hat sie hohe, wenn nicht sogar prohibitive Importzölle auf chinesische Elektroautos angekündigt, um die heimischen Produzenten vor der in ihren Augen sehr stark subventionierten Konkurrenz zu schützen. Diese Woche sollen die neuen Importbedingungen publik gemacht werden.
Auch für dieses Szenario hat BYD einen Plan. Innerhalb der nächsten drei Jahre will das Unternehmen in Ungarn eine «hochmoderne Produktionsstätte» für mehrere Baureihen von reinen Elektroautos in Betrieb nehmen und von dort aus den europäischen Markt beliefern. Damit ist sie nicht allein. Bereits im kommenden Jahr will die ebenfalls chinesische Konkurrentin Geely die neue Elektroautoserie von Volvo in Tschechien produzieren.
Die Ankündigung von BYD zu Beginn des Jahres umfasste noch einen weiteren Punkt, der in Europa die Alarmglocken läuten lassen sollte: Das Unternehmen wolle «sein Fachwissen in integrierten vertikalen Lieferketten nutzen, um ein lokales grünes Ökosystem zu schaffen».
Copy cat
Vor diesem Hintergrund wenig überraschend gibt sich BYD nicht mit dem Bau von konkurrenzfähigen Elektroautos zufrieden. Das Unternehmen produziert und verkauft bereits die dazugehörigen Batterien und sogar die Rohstoffgewinnung ist Teil der eigenen Produktion. Die Integration der Lieferkette geht aber noch weiter: Bilder aus dem deutschen Bremerhaven zeigen, wie Elektroautos aus dem firmeneigenen Containerschiff gefahren werden. Der Autotransporter kann bis zu 7000 Fahrzeuge befördern.
Angesichts der grossen Bedeutung von Kabeln beim Bau von Elektroautos, die auch Komax immer wieder betont, liegt eine Frage nahe: Warum baut BYD nicht eigene Maschinen zur Kabelverarbeitung? Genau dies soll das Unternehmen bereits tun, wie mir berichtet wurde. Wie gross dieses Geschäft heute tatsächlich ist, konnte nicht verifiziert werden. Aber bereits im letzten Sommer hat das Unternehmen eine Partnerschaft mit JMK Intelligence angekündigt. Der chinesische Hersteller ist auf Lösungen für die automatische Verarbeitung von Kabelbäumen für die Automobilindustrie spezialisiert.
Das Perfide: Chinesische Unternehmen sollen beim Aufbau dieser Infrastruktur auch bei Komax abgekupfert haben, ob es sich dabei um JMK respektive BYD oder einen anderen Hersteller handelt, ist nicht bekannt. Die Entwicklung ist aber nicht neu, seit Jahren kämpfen europäische und amerikanische Firmen damit, dass die chinesische Konkurrenz ihre Produkte und auch hochwertige Maschinen mehr oder weniger offen kopiert.
Für Komax hätte der Aufstieg von BYD ein Booster sein können, sind die Chinesen doch seit Jahren ein wichtiger Kunde. Wie europäische Unternehmen dürften sie die hochautomatisierten Premiumlösungen von Komax geschätzt haben. Doch die Schweizer scheinen am Aufschwung nicht teilhaben zu können. Einen Hinweis darauf lieferten die Geschäftszahlen 2023: Trotz starkem Wachstum und Rekordumsatz bei BYD zeigen die Zahlen von Komax in China ein anderes Bild. Dort ist der Umsatz sogar zurückgegangen – laut dem Unternehmen aufgrund der geringen Investitionstätigkeit der Kunden. Gut möglich aber, dass da jemand ähnlich gute Maschinen zu geringerem Preis liefern konnte.
Doppelter Schlag gegen Komax?
Und es könnte noch doppelt hart kommen für Komax. BYD hat nicht nur die klare Ambitionen, den europäischen Autoherstellern bei Elektrofahrzeugen Konkurrenz zu machen und will dazu nicht mehr auf europäische Zulieferer angewiesen sein. Was, wenn der chinesische Konzern beginnt, seine Vorprodukte und Maschinen auch an andere Unternehmen zu liefern?
Vor diesem Hintergrund muss auch ich meine Meinung über Komax und die Aktie revidieren. Bis vor kurzem hatte ich nicht nur auf eine baldige Erholung des (europäischen) Automobilsektors gehofft, von der Komax mit ihrem hochwertigen Angebot klar hätte profitieren können, sondern vor allem das Risiko der chinesischen Konkurrenz unterschätzt. Mir schien Komax bestens positioniert, um von mehreren Megatrends zu profitiere. Doch während Volkswagen und Co. um die Erholung des Markets zittern, arbeiten die chinesischen Autobauer im Hintergrund mit Hochdruck an dessen Umwälzung.
Eine Umwälzung, die auch Komax treffen wird. Bevor nicht klar ist, wo ihr Platz in dieser neuen Realität des Automobilsektors ist, sollten Anleger die Aktien meiden.
Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market
Gabriella Hunter