Im September entscheidet das Volk über die Reform der beruflichen Vorsorge. Ausnahmsweise muss die Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider nicht nur gegen das eigene Lager antreten.

Mittlerweile hat sie eine gewisse Routine entwickelt. Am Montag hat Elisabeth Baume-Schneider den dritten Abstimmungskampf dieses Jahres eröffnet, in dem sie als Bundesrätin gegen ihr eigenes Lager antreten muss, gegen die SP und die Gewerkschaften. Inhaltlich dreht sich die Debatte erneut um die Altersvorsorge. Nach dem Entscheid über die AHV vom März geht es nun um die Reform der zweiten Säule, der beruflichen Vorsorge (BVG) mit den Pensionskassen.

Die Abstimmung findet erst am 22. September statt, doch weil die Zeit nach den Ferien knapp ist, haben Baume-Schneider und ihre Fachleute bereits jetzt die Diskussion lanciert und ihre Dokumentation publiziert.

Beim Auftritt vor den Medien wies die Bundesrätin sec darauf hin, dass sie weder gegen die eigene Partei kämpfe noch gegen eine andere. Ihre Aufgabe sei es, Informationen zu liefern, damit die Leute sich ein Bild machen könnten. Das hat sie denn auch getan, hat die Argumente für die Reform loyal, korrekt und ohne Herzblut rapportiert. Dass sie sich energisch ins Zeug legen wird, ist nicht zu erwarten.

Ein Beispiel für fast jede Behauptung

Umso mehr dürfte die Reform einen schweren Stand haben. Sie wird – und das macht die Sache für Baume-Schneider etwas einfacher – nicht nur vom linken Lager bekämpft, sondern auch von Teilen der Wirtschaft. Das Gastgewerbe und das Westschweizer Centre patronal sind dagegen, in der Landwirtschaft und Teilen des Gewerbes gibt es grosse Bedenken. Der Grund ist klar, primär in Tieflohnbranchen würden für manche Betriebe die Pensionskassenbeiträge steigen. Die Skepsis dürfte noch zugenommen haben, weil bereits die 13. AHV-Rente zu höheren Abgaben führt.

Wenig hilfreich ist auch, dass die BVG-Reform enorm kompliziert ist und die Auswirkungen sich nur summarisch wiedergeben lassen. Die Unterschiede zwischen den 1400 Pensionskassen im Land sind vielfältig, und die individuellen Folgen sind abhängig von Alter, Pensum und Lohn sowie von Annahmen für die weitere Laufbahn bis zur Pensionierung.

Daraus folgt, dass sich für fast alle Behauptungen Beispiele finden lassen. Manche Versicherte werden weniger einzahlen und trotzdem eine höhere Rente erhalten. Aber auch das Gegenteil wird es geben, darauf baut die ganze Nein-Kampagne der Gewerkschaften auf. Klar ist nur eines: Die grosse Mehrheit von mindestens zwei Dritteln aller Versicherten ist praktisch nicht betroffen.

Die Frauen im Zentrum

Die Reform betrifft einzig das gesetzliche BVG-Minimum. Die meisten Angestellten sind jedoch in Pensionskassen versichert, die weit über dieses Minimum hinausgehen. Für sie ändert wenig bis nichts. Anders für die Minderheit, deren Pensionskasse mehr oder weniger nur das gesetzliche Minimum abdeckt. Hier soll der Umwandlungssatz sinken, der über die Höhe neuer Renten entscheidet (von 6,8 auf 6 Prozent). Heute ist er angesichts der Lebenserwartung und der Renditen zu hoch. Darunter leiden die jüngeren Versicherten in den betroffenen Pensionskassen, weil sie die überhöhten Renten ihrer älteren Kollegen querfinanzieren müssen. Dieses Problem würde die Reform zumindest mildern.

Das geht aber nicht, ohne dass mehr Geld in das System fliesst. Andernfalls würden die Renten markant sinken, was politisch nicht erwünscht ist. Deshalb sieht die Vorlage mehrere Kompensationen vor. Unter anderem sollen betroffene Angestellte höhere Lohnabzüge in Kauf nehmen; zudem sind Rentenzuschläge geplant für die ersten fünfzehn Jahrgänge, die nach der Reform in Rente gehen.

Langfristig würde die Reform die Vorsorge von Angestellten mit tiefen Löhnen, kleinen Pensen und mehreren Arbeitgebern ausbauen. Das soll primär Frauen dienen. Wobei systemlogisch die bessere Rente in Zukunft mit einer Reduktion des verfügbaren Einkommens in der Gegenwart einhergeht. Die Frauen und ihre Renten dürften im Abstimmungskampf eine entscheidende Rolle spielen.

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