Dienstag, November 26

Der EHC Kloten engagiert Stephan Mair als neuen Trainer und findet doch nicht zur Ruhe. Der bei der Selektion offenbar übergangene Sportchef Larry Mitchell will sich lieber nicht zur Personalie äussern.

Das Problem, sagt Stephan Mair, sei die fehlende Rückendeckung durch das Management gewesen. Deswegen sei er 2022 im HC Pustertal knapp einen Monat nach Saisonstart entlassen worden.

Mair, 56, ein drahtiger Südtiroler, steht am Montagvormittag im Schluefweg, gerade hat er das erste Training als Cheftrainer des EHC Kloten hinter sich gebracht. Das mangelnde Vertrauen der Klubführung bei Pustertal ist darum eine Retrospektive wert, weil dieses Thema aktueller nicht sein könnte. Jetzt, wo es überall heisst, der Sportchef Larry Mitchell habe Mair nicht gewollt.

Für einen Klub, der zuletzt vier Siege in Folge feierte, wirkt der EHC Kloten in diesen Tagen wenig harmonisch. Von einem «Chaos» schrieb der Boulevard, die «Sonntagszeitung» berichtete, der General Manager Mitchell werde von der Chefetage «vorgeführt». Mitchell, 56, leitet die Klotener Sportabteilung seit Oktober 2022, zuletzt führte er das Team im Doppelmandat auch als Trainer.

Mitchell kam aus Deutschland mit wenig Kredit nach Kloten, und er hat es mit seinem bisherigen Wirken nicht geschafft, sein Standing zu verbessern. Mehrere seiner Transfers waren Fehlgriffe, darunter im Herbst die Verpflichtung des Verteidigers Nathan Beaulieu. Daneben trompierte Mitchell sich bei der Trainerwahl: Der von ihm als Nachfolger für Jeff Tomlinson auserkorene Kanadier Gerry Fleming musste bereits im November entlassen werden.

Der Klotener CEO Anjo Urner dementiert, dass Mitchell in die Verpflichtung Mairs nicht eingebunden gewesen sei

Angesichts der Trefferquote des Sportchefs kann man nachvollziehen, dass der Verwaltungsrat nicht mehr jeden Vorschlag freudig abnickt. Bei der langen Trainersuche der letzten Wochen ist das offenbar geschehen: Mitchell wurde überstimmt, der nun mit einem Vertrag bis Saisonende engagierte Mair war nicht sein Kandidat. Der Vorgang ist ungewöhnlich; es wurden im Schweizer Eishockey schon Trainer an Sportchefs vorbei entlassen, im SC Bern etwa. Aber bei der Einstellung geschieht das sehr selten.

Bestimmt wäre es konsequenter und vielleicht auch fairer gewesen, man hätte sich von Mitchell getrennt, wenn man ihm nicht zutraut, den richtigen Trainer zu finden. Es gibt im Klotener Dunstkreis Würdenträger, die gerne Loïc Burkhalter als nächsten Sportchef sähen, der beim Swiss-League-Champion HC La Chaux-de-Fonds auffallend gute Arbeit verrichtet.

Während der ehemalige italienische Nationalcoach Mair sein erstes Training leitet, sitzen Mitchell und der CEO Anjo Urner auf der Tribüne. Urner sagt: «Es ist nicht korrekt, wie die Dinge wiedergegeben worden sind. Im Prozess, einen Trainer zu verpflichten, sind immer mehrere Personen involviert. Die sportliche Führung steht hinter dem Entscheid.» Die Frage direkt an Mitchell: Ist das Ihre Trainerwahl, sind Sie zufrieden damit, wie alles abgelaufen ist? Der Deutschkanadier sagt: «Sie haben doch jetzt gerade alles gehört, was Sie hören wollten. Es gibt keinen weiteren Kommentar.»

Man hat von Managern schon flammendere Bekenntnisse zu frisch eingestellten Trainern gehört, Stichwort Rückendeckung, aber Mair sieht die Sache pragmatisch. Er sagt: «Wir haben keine Probleme miteinander. Und sind Profis genug, um zum Wohle des Klubs dem Erfolg alles unterzuordnen.»

Beim HC Thurgau hat sich Mair einst beworben

Mair ist eine interessante Wahl. Er betreute zuletzt die Elite-Junioren des HC Ambri-Piotta und ist, das ist in Kloten nicht unwichtig, eine kostengünstige Lösung. Der Klub beschäftigte sich schon 2019 mit ihm, als es in der Swiss League galt, den schmählich gescheiterten Per Hanberg zu beerben. Mair sagt: «Felix Hollenstein hat mich damals angerufen. Ich hatte beim HC Thurgau zwar noch nicht unterschrieben, aber schon zugesagt. Deshalb habe ich mich fürs Interesse bedankt und abgesagt.»

Mair war 2016 im Thurgau gelandet. Er hatte sich auf den Job beworben, war zunächst aber nur zweite Wahl. Weil der siegreiche Kandidat Christian Wohlwend seinen Job gar nie antrat und lieber die U-20-Nationalmannschaft übernahm, rückte Mair nach. Er blieb sechs Jahre lang; unter ihm übertraf der Klub die Erwartungen praktisch in jeder Saison.

Mairs mangels finanzieller Möglichkeiten stets mit auffallend wenig Talent bestückte Teams zelebrierten die hohe Kunst der Defensive. Thurgau spielte oft wenig attraktiv, dafür aber sehr kompakt, mit cleverer Destruktivität und hocheffizient. Angesichts des augenfälligen Klotener Talentdefizits im Vergleich mit den Schwergewichten der Liga existieren in der Aufgabenstellung durchaus Parallelen.

Mair sagt, eine seiner Maximen sei ein Bonmot, welches ihm einst ein NHL-Scout mit auf den Weg gegeben habe: «Keep them under 3», lass weniger als drei Gegentore zu. Bis dahin wird es in Kloten ein langer Weg: Der Tabellenvorletzte hat in 42 Spielen 141 Gegentore kassiert. Es ist die mit Abstand schwächste Defensive der Liga.

Der Torhüter Janick Schwendener flüchtete vor Mair aus dem Thurgau nach Deutschland

Mair fordert von seinen Schützlingen viel Aufopferungsbereitschaft und Disziplin. Im Thurgau hiess es, er vergreife sich hier und da im Ton; der Torhüter Janick Schwendener floh einst vor Mair aus einem laufenden Vertrag heraus nach Deutschland, weil er dessen Negativität nicht mehr ausgehalten habe, so erzählt er es. Mair sagt: «Ich habe eine emotionale Seite, das will ich gar nicht verleugnen.» Es hätten beide Fehler gemacht. «Es macht mich wütend, wenn einer sein Potenzial nicht ausreizt. Als Trainer willst du das Beste für deine Spieler, du willst, dass sie sich entwickeln.»

Und Mair ergänzt, dass er ruhiger geworden sei: «Ich habe in Ambri zuletzt Junioren gecoacht. Mir war klar, dass es da einen anderen Umgangston braucht, dass ich mich diesbezüglich ändern muss.» Das sei ihm gelungen. «Grundsätzlich finde ich nicht, dass ich ein sonderlich harter Coach bin. Aber jeder Trainer kriegt irgendwann ein Label übergestülpt, das gehört halt zum Geschäft», sagt Mair.

Er will in den verbleibenden zehn Qualifikationsspielen auch Eigenwerbung für eine Weiterbeschäftigung betreiben. Auch ohne Mitchell hat er Fürsprecher im Klub, etwa den Goaliecoach Tim Bertsche und den Nachwuchschef Thomas Büsser, die er aus Thurgauer Zeiten kennt. Mair sagt: «Was zählt, sind die Resultate. Als Trainer sind die Flitterwochen irgendwann unweigerlich sowieso vorbei.» Kloten trifft in dieser Woche auf den Meister Genf/Servette, auf Bern und Gottéron. Nach den turbulenten letzten Tagen ist das nicht das einfachste Programm, um die offenbar weitherum erhitzten Gemüter zu befrieden.

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