Samstag, September 28

Gesperrte Treppen, geschlossene Türen, und das während der Session – das Schutzkonzept anlässlich des Besuchs des ukrainischen Parlamentspräsidenten war aussergewöhnlich. Doch «Gastgeber» Eric Nussbaumer sieht darin kein Problem.

Einen Tag nach den handgreiflichen Auseinandersetzungen im Parlamentsgebäude scheinen die Beteiligten bestrebt, die unrühmliche Sache rasch hinter sich zu lassen. Die direkt Beteiligen sind die Nationalräte Thomas Aeschi, SVP-Fraktionschef, und sein Parteikollege Michael Graber sowie zwei Mitarbeiter der Bundespolizei (Fedpol). Indirekt beteiligt sind auch die Verwaltungsdelegation der eidgenössischen Räte mit dem Nationalratspräsidenten Eric Nussbaumer (SP) an der Spitze und die Parlamentsdienste.

Gezielte Provokation?

Zum Vorfall kam es am Mittwochvormittag, als der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk im Parlamentsgebäude zu Besuch war. Zu seinem Schutz wurde ein für schweizerische Verhältnisse ungewohnt strenges Sicherheitsdispositiv hochgezogen. Dies nicht nur vor dem Bundeshaus, sondern auch innerhalb des Parlamentsgebäudes, in dem derzeit die Sommersession im Gange ist und am Mittwoch beide Räte tagten. Als der Ukrainer und Eric Nussbaumer unterhalb der drei Eidgenossen in der Eingangshalle für ein Foto posierten, wurde die Haupttreppe, die von den Ratssälen zur Eingangshalle hinunterführt, kurz gesperrt.

Aeschi und Graber akzeptierten die Sperrung nicht und gingen die Treppe hinunter. Zwei schwerbewaffnete Bundespolizisten versuchten, sie daran zu hindern, was nicht gelang. Es kam zu einem heftigen Gerangel. Laut dem «Blick» haben die SVP-Vertreter die Auseinandersetzung gezielt gesucht. Aeschi selber versichert, er habe einfach möglichst schnell zu seinem Büro gelangen wollen, wie er dies x-fach pro Tag tue. Eine Aussprache von Aeschi mit den zwei Polizisten ist angedacht, immerhin wird man sich im Parlamentsgebäude wieder über den Weg laufen.

Wer welche Schuld am Vorfall trägt, darüber gehen die Ansichten auseinander. Es ist unbestritten, dass Parlamentarier die Weisungen der Bundespolizisten, die für die Sicherheit im Parlamentsgebäude zuständig sind, zu befolgen haben und die Sperrung einer Treppe auch für sie gilt; es standen genügend Alternativen wie Lifte zur Verfügung. Es handle sich um eine typische SVP-Kinderei, war denn von Parlamentariern vielfach zu hören.

Eine andere Frage ist, ob die Bundespolizisten verhältnismässig reagierten haben, als sie den unfolgsamen Aeschi am Hemd packten und rabiat die Treppe hinunterstiessen (wo dieser ja hinwollte). Sicherheitskräfte müssen ihren Auftrag erfüllen, sie sollten allerdings das Gefährdungspotenzial einer Person auch einschätzen können. Warum ein Polizist einen Parlamentarier, der ihm bekannt sein müsste, mit Gewalt angeht, wenn er eine gesperrte Treppe betritt, ist nicht unbedingt einsichtig.

Auf Einladung von Eric Nussbaumer

Nochmals eine andere Frage ist, ob das Sicherheitsdispositiv, das für den Besuch von Ruslan Stefantschuk ergriffen wurde, den laufenden Ratsbetrieb nicht zu stark beeinträchtigte. In diese Richtung äusserte sich Bundesrat Albert Rösti. Man müsse beim Dispositiv über die Bücher, sagte er in der SRF-«Rundschau». Es gehe nicht, dass sich vom Volk gewählte Parlamentarier innerhalb des Bundeshauses nicht frei bewegen könnten. Sein Amtskollege Beat Jans, der Chef des Fedpol, verteidigte dagegen das Sicherheitskonzept der Bundespolizei: Der parlamentarische Betrieb sei zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt gewesen, meinte er.

Zuständig für das Hausrecht im Parlamentsgebäude ist die sechsköpfige Verwaltungsdelegation, die von Eric Nussbaumer präsidiert wird. Nussbaumer versteht die Kritik am Sicherheitsdispositiv nicht. Beim ukrainischen Parlamentspräsidenten handle es sich um eine völkerrechtliche geschützte Person, die auf seine, Nussbaumers, Einladung hin das Bundeshaus besucht habe. Das Fedpol lege in Zusammenarbeit mit den Parlamentsdiensten das Sicherheitsdispositiv jeweils aufgrund der Gefährdungslage fest, das habe es auch im Fall von Stefantschuk getan. Er sei über die Details der Sicherheitsmassnahmen nicht informiert gewesen. Das habe er auch nicht sein müssen, das sei Aufgabe der Parlamentsdienste und des Fedpol.

Alfred Heer konnte nicht abstimmen

Fest steht, dass die Ratsmitglieder nicht oder nur rudimentär über die ausserordentlichen Sicherheitsmassnahmen informiert waren, die an diesem Tag im Parlamentsgebäude ergriffen wurden. Dass Stefantschuk dem Bundeshaus auf Einladung von Nussbaumer einen Besuch abstatten würde, war den Parlamentariern zwar bekannt, nicht aber, dass während mehrerer Stunden Sonderregeln gelten würden. So wurde etwa am Nachmittag der Zugang zum Parlamentsgebäude gesperrt, und dies während der laufenden Ratsdebatten. Man sei zuvor nicht informiert worden, ärgerte sich etwa der SVP-Nationalrat Alfred Heer, der nach einem externen Termin nicht in den Ratssaal zurückkonnte. Er habe zwanzig Minuten draussen vor der Absperrung warten müssen und nicht abstimmen können.

Nussbaumer räumt ein, dass man die Ratsmitglieder besser über die an diesem Tag geltenden verschärften Schutzmassnahmen hätte informieren sollen. Er habe jenen Parlamentariern, die sich bei ihm über den verhinderten Zugang zum Parlamentsgebäude beschwert hätten, offeriert, sie könnten einen Ordnungsantrag stellen, um die verpasste Abstimmung zu wiederholen. Doch das habe keiner gewollt.

Die Kritik, dass er eine derart exponierte Person wie Ruslan Stefantschuk nicht während der laufenden Session ins Bundeshaus hätte einladen sollen, lässt Nussbaumer nicht gelten. Alle Fraktionen seien schon vor Wochen über den Besuch informiert worden.

Exit mobile version