Donnerstag, Januar 30

Das Foto wurde zum Symbol für das Grauen im Vietnamkrieg. Nun wird der Urheber in einem Dokumentarfilm angezweifelt. Dieser weist die Vorwürfe zurück.

Es ist ein Bild des Schreckens. Fünf Kinder rennen auf einer Strasse. Zwei davon, ein Junge und ein Mädchen, verziehen das Gesicht, sie schreien. Das Mädchen ist nackt und hat schwere Verbrennungen am Hals und am Arm. Hinter ihr gehen sechs Soldaten, am Horizont steigt eine schwarze Wolke in den Himmel.

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Das Bild mit dem Titel «The Terror of War», 1972 bei Saigon im Vietnamkrieg geschossen, zeigt die vor Schmerzen schreiende und heulende 9-jährige Phan Thi Kim Phuc. Sie flieht vor einem US-Angriff mit Napalm, einem Brandkampfstoff. «Napalm Girl», wie das Bild genannt wird, steht für die Grauen des Vietnamkriegs und dessen Wendepunkt. Unzählige Zeitungen druckten es, «Napalm Girl» trug dazu bei, dass die westliche Öffentlichkeit sich gegen den Krieg stellte.

Der vietnamesisch-amerikanische Fotograf Nick Ut von der Presseagentur Associated Press (AP) gewann mit dem Bild den Pulitzerpreis. Auch war es das «World Press Photo» 1973. Doch was, wenn Uts Name zu Unrecht unter dem Bild steht, auch in diesem Artikel?

Forensische Untersuchung

Der Dokumentarfilm «The Stringer», der am Wochenende am Sundance Film Festival in Utah gezeigt wurde, will beweisen, dass jemand anderes die Aufnahme gemacht hat. Der Film legt laut Medienberichten durch eine forensische Untersuchung von Film- und Fotomaterial dar: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort stand nicht Ut, sondern Nguyen Thành Nghe. Der lokale Freelancer, ein sogenannter «Stringer», war als Fahrer für amerikanische Journalisten tätig. Er soll für das Foto schlappe 20 Dollar und einen Abzug als Andenken erhalten haben.

Den Anstoss dazu gegeben, am Fotografen zu zweifeln, hat Carl Robinson, ein ehemaliger Redaktor der Associated Press in Saigon. Er sei von Horst Faas, dem damaligen Foto-Chef der Agentur, gezwungen worden, den Bildnachweis zu ändern. Robinson erzählt, dass er von Schuldgefühlen geplagt gewesen sei: «Ich wollte nicht sterben, bevor diese Geschichte herauskam», sagte er nach der Premiere.

Deshalb habe er den renommierten Fotografen Gary Knight kontaktiert und ihm seine Version der Geschichte des «Napalm Girl»-Fotos erzählt. Vor fünf Jahren machten sie sich auf die Suche nach dem eigentlichen Fotografen und fanden Nghe in Kalifornien. Dieser zeigt sich im Film laut «Guardian» berührt: «Ich habe hart gearbeitet, aber dieser Typ hat alles bekommen.»

Die Agentur wehrt sich

AP weist die Vorwürfe von sich. In den vergangenen sechs Monaten habe die Agentur, im Wissen, dass der Film in Produktion war, «eigene sorgfältige Recherchen» durchgeführt und sei zum Schluss gekommen, dass Ut tatsächlich das Foto gemacht habe. «Da keine neuen, überzeugenden Beweise für das Gegenteil vorliegen, hat AP keinen Grund zu der Annahme, dass jemand anderes als Ut das Foto gemacht hat», heisst es in einer Mitteilung.

Dass Gary Knight den Film produziert hat, macht die Vorwürfe zumindest nicht glaubwürdiger. Knight ist Mitbegründer der VII Foundation, Besitzerin der Fotoagentur VII Photo Agency. Diese konkurriert letztlich auch mit AP auf dem Markt des Fotojournalismus. Nun will AP das Material sichten, auf dem die Anschuldigungen basieren. Doch die Filmemacher wollen es nur gegen eine Geheimhaltungsvereinbarung auf Zeit zugänglich machen. Und einer solchen will AP nicht zustimmen.

Falls die Geschichte der Filmemacher stimmen sollte: Warum hat der damalige AP-Direktor einem anderen Fotografen das Foto zugewiesen als dem eigentlichen? Dafür liefert der Film mögliche Erklärungen.

Eine menschliche Geste?

Einer würde man gerne glauben: Der Foto-Chef Faas habe Gewissensbisse gehabt, weil er 1965 den älteren Bruder von Ut für die Associated Press in einen gefährlichen Einsatz geschickt hatte, wo er dann starb. Eine schöne, menschliche Geste. Jedoch ist auch denkbar, dass Faas Nghe den Ruhm nicht gönnen wollte, weil dieser ein wenig wertgeschätzter «Stringer» war und kein angestellter AP-Fotograf.

Und das ist auch das Thema, auf das der Film laut den Machern hinauswill: auf die teilweise sehr schlechten Arbeitsbedingungen dieser freischaffenden Fotografen. Insbesondere wenn sie Vietnamesen waren. Dass solche auch aus rassistischen Motiven benachteiligt wurden, mag sein. Doch der Anwalt von Ut sagte zur «Los Angeles Times», dass Carl Robinson, der die Bedenken in puncto Urheberschaft in die Welt setzte, eine Kampagne gegen Ut führe und ihm das Bild entziehen wolle, vielleicht aus Eifersucht?

Ist der Film also nur entstanden, weil die Fotografen Robinson und Knight am liebsten ihre eigenen Namen im Bildnachweis lesen würden? Oder ist es doch ein unglücklicher Stringer, der das Nachsehen hatte? Nur eines steht noch fest: Solche Fragen entziehen dem Foto kein bisschen seiner Kraft als Mahnmal gegen den Krieg.

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