Donnerstag, Mai 1

Die 24-Stunden-Verfahren in Asylzentren seien nur ein Marketing-Gag, kritisieren bürgerliche Politiker. Nun wehrt sich Bundesrat Beat Jans: Die Zahl von Asylsuchenden aus Nordafrika sei in den Zentren bereits stark zurückgegangen.

Zwei Monate nach seiner Wahl in den Bundesrat setzte Beat Jans eine erste Duftmarke: Mitte Februar kündigte er bei einem Besuch in Chiasso an, dass in allen Bundesasylzentren der Schweiz 24-Stunden-Verfahren durchgeführt werden sollen. Die Botschaft wurde als Signal dafür wahrgenommen, dass Jans in der Asylpolitik wieder eine forschere Linie fahren werde als seine Vorgängerin Elisabeth Baume-Schneider. «Um die Gesuche ohne Aussicht auf Asyl möglichst rasch abschliessen zu können, werden alle wesentlichen Verfahrensschritte in dieser sehr kurzen Frist durchgeführt», erläuterte Jans’ Departement den Entscheid damals in einer Medienmitteilung.

Inzwischen ist Ernüchterung eingekehrt, und der Asylminister Jans befindet sich bereits wieder unter bürgerlichem Beschuss. Am vergangenen Wochenende berichtete die «NZZ am Sonntag», dass die 24-Stunden-Verfahren – anders als der Name vermuten lasse – nicht 24 Stunden, sondern im Schnitt zwölf Tage dauerten. Die SVP kritisierte in dem Bericht, die von Jans in Chiasso angekündigte Massnahme sei vor allem ein Marketing-Gag: «Es klingt, als wären alle Probleme innert 24 Stunden gelöst, aber das stimmt natürlich nicht», so der Thurgauer SVP-Nationalrat Pascal Schmid.

Starker Rückgang der Zahl der Asylsuchenden in Zürich

Gegen den Vorwurf der Kulissenschieberei wehren sich nun Bundesrat Jans und das Staatssekretariat für Migration (SEM). Alle wesentlichen Verfahrensschritte würden wie angekündigt innert 24 Stunden eingeleitet, sagte Jans am Mittwoch vor den Medien. Dabei sei aber nie die Rede davon gewesen, dass innert dieser Frist auch über die Gesuche entschieden werden könne. Tatsächlich wäre dies gar nicht möglich, betrügen doch gemäss Asylgesetz allein die Beschwerdefristen gegen Entscheide des SEM zwischen fünf und sieben Tagen.

Registrierung, Erfassung der biometrischen Daten, der Abgleich der Fingerabdrücke mit der europäischen Datenbank Eurodac und die Anhörung zu den Asylgründen würden aber innert 24 Stunden abgewickelt, ergänzte das SEM am Freitag in einer Medienmitteilung. Die 24-Stunden-Verfahren kommen bei Gesuchen von Personen aus Ländern zur Anwendung, bei denen die Chancen auf Gewährung von Asyl klein ist – wie zum Beispiel bei Personen aus den nordafrikanischen Staaten.

Am Freitag präsentierte das SEM neue Zahlen, die zeigen sollen, wie diese Massnahme wirkt. Seit der Einführung der Verfahren in Zürich ist die Zahl der Asylsuchenden aus Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen, die sich im Bundesasylzentrum (BAZ) aufhalten, um 62 Prozent zurückgegangen. Schweizweit betrage der Rückgang rund 40 Prozent. Dabei geht es allerdings um die Zahl der Personen, die sich in den BAZ aufhalten – und nicht um die Zahl der eingereichten Gesuche. Ziel der raschen Verfahren sei es, dass diese Personen die Asylunterkünfte nicht unnötig belasteten, erklärte das SEM dazu.

Nordafrikaner haben praktisch keine Chance auf Asyl

Die Quote jener Gesuchsteller aus Marokko, Algerien und Tunesien, deren Asylgesuch gutgeheissen wird, beträgt laut SEM nur rund ein Prozent. Seit November wurde im BAZ in Zürich von 413 eingereichten Asylgesuchen von Personen aus Nordafrika sogar kein einziges gutgeheissen. In 102 Fällen wurde nicht eingetreten. In 185 Fällen wurden die Gesuche abgeschrieben, weil die betreffenden Personen wieder abreisten oder die Mitwirkungspflicht verletzten. 31 Gesuche wurden abgewiesen. In 14 Fällen sind die Entscheide noch nicht rechtskräftig, weil sie vom Bundesverwaltungsgericht überprüft werden.

Bürgerliche Migrationspolitiker wie der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller bemängeln, solche Massnahmen seien vor allem Augenwischerei. Das SEM unternehme zu wenig, um die zwangsweise Rückführung zu organisieren, so zum Beispiel auf dem Seeweg nach Algerien. Vor rund drei Jahren hatten die eidgenössischen Räte in einer Motion gefordert, diese Möglichkeit zu forcieren, doch es passiere zu wenig. Jans widersprach am Mittwoch vor den Medien diesem Vorwurf: Man signalisiere den Menschen aus den betreffenden Staaten mit den raschen Verfahren sehr klar, dass sie sich nicht lange in der Schweiz aufhalten könnten. Zwar brauche es dazu tatsächlich auch konsequente und rasche Rückführungen. Doch auch in diesem Bereich seien Fortschritte zu verzeichnen.

Jans muss zurückbuchstabieren

In einem zweiten Punkt muss Jans gegenüber früheren Ankündigungen allerdings zurückbuchstabieren. Weil sich Asylsuchende in den BAZ regelmässig an den Wochenenden anmeldeten und wieder abreisten, bevor am Montag ein Verfahren eingeleitet wurde, wollte Jans die Zentren am Wochenende schliessen. Dies, um zu verhindern, dass die ohnehin knappen Unterbringungsplätze in den BAZ als eine Art Notschlafstelle missbraucht werden. Doch diese Massnahme erweise sich nun als nicht praktikabel, schreibt das SEM. Dies, weil der Zugang für verletzliche Personen weiterhin gewährleistet werden müsse.

Das SEM prüft nun die Einführung einer Pikettorganisation: Wer am Wochenende eintreten will, muss danach in jedem Fall sofort die Fingerabdrücke abgeben. Personen, deren Asylgesuch bereits an einem anderen Ort behandelt wird, deren Asylverfahren abgeschlossen oder deren Gesuch in den letzten fünf Jahren abgeschrieben worden ist, würden dann abgewiesen. Ob das Konzept wirklich eingeführt wird, ist aber noch unklar. Zuvor will das SEM abklären, in welchem Ausmass das Phänomen der Wochenendbesucher nach der flächendeckenden Einführung von 24-Stunden-Verfahren überhaupt noch auftrete.

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