Mittwoch, Januar 29

Eine neue Schweizer Volksinitiative zur Konzernverantwortung will sich grossenteils nach den neuen EU-Regeln ausrichten. Diese Haltung hatte früher auch der Bundesrat vertreten. In der EU wächst nun aber der Widerstand gegen die neuen Regeln.

Ein Schweizer Alleingang sei schädlich – man solle sich nach den EU-Regeln ausrichten. Das war eine Kernbotschaft des Bundesrats gegen die Volksinitiative zur Konzernverantwortung. Die Initiative scheiterte 2020 an der Urne knapp.

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Im Mai 2024 hat sich die EU zu einer neuen Richtlinie zu den Sorgfaltspflichten der Unternehmen zu Umwelt und Menschenrechten durchgerungen. Die verlangten Pflichten der Firmenzentralen umfassen auch ihre Tochtergesellschaften in aller Welt und im Prinzip die ganze Lieferkette. Die Richtlinie verankert auch eine zivilrechtliche Haftung bei absichtlicher oder fahrlässiger Verletzung von Sorgfaltspflichten zur Schadenvermeidung.

Die neuen EU-Regeln heizten die Schweizer Diskussionen wieder an. Diesen Monat lancierten die Urheber der gescheiterten Konzernverantwortungsinitiative einen zweiten Anlauf. Die Initianten haben laut eigenen Angaben innert zwei Wochen bereits über 180 000 Unterschriften gesammelt.

Bald kommt der Bundesrat

Der Bundesrat diskutiert voraussichtlich dieses Frühjahr, wie er auf die neuen EU-Regeln reagieren will. Doch die EU-Regeln sind nun wieder infrage gestellt. Die EU-Parlamentswahlen vom Juni 2024 brachten eine Verschiebung nach rechts. Und bei den EU-Mitgliedstaaten wie auch in der EU-Kommission haben Anliegen wie die Stärkung der «Wettbewerbsfähigkeit» und der Abbau der Bürokratie an Gewicht gewonnen. Der wirtschaftliche Vergleich zwischen der schwächelnden EU und den USA schmerzt manche Europäer. Sogar in Brüssel haben einige gemerkt, dass Bürokraten nicht Wohlstand befehlen können, sondern dass es dafür Freiräume für die Privatwirtschaft braucht.

Die EU-Kommission kündigte im November an, die Richtlinien zu den Sorgfaltspflichten und zu den Berichterstattungspflichten der Firmen zusammen mit weiteren Nachhaltigkeitsbestimmungen in einem Rechtstext zusammenzufassen; dies soll die Firmen markant entlasten.

Gegenwind aus Paris

Auch die Inhalte der Richtlinie zu den Sorgfaltspflichten (auch Lieferkettenrichtlinie genannt) sind wieder infrage gestellt. Der Beschluss zu dieser Richtlinie war im EU-Ministerrat im Mai 2024 knapp ausgefallen. Letztlich stimmten 17 von 27 EU-Mitgliedern zu. Bedeutend ist nun vor allem die jüngste Kritik aus Frankreich. Die Pariser Regierung hat vergangene Woche Vorschläge zum Bürokratieabbau gemacht. Zu den genannten Ansatzpunkten gehört auch die Lieferkettenrichtlinie. Paris verlangt eine Aufschiebung – auf unbestimmte Zeit. Gesellt sich Frankreich zu den Gegnern der Richtlinie, verlieren die Befürworter die nötige qualifizierte Mehrheit (15 Mitglieder, die zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung umfassen).

Das Pariser Papier enthält auch Forderungen nach inhaltlichen Änderungen. Dazu zählt etwa eine Erhöhung der Schwellenwerte für die direkt betroffenen Firmen – von 1000 auf 5000 Angestellte und von 450 Millionen Euro Jahresumsatz auf 1,5 Milliarden Euro. Auch Stellungnahmen von deutschen Regierungsvertretern hatten jüngst Vereinfachungen gefordert.

Die Spitze der grössten Fraktion im EU-Parlament, der Mitte-rechts-Fraktion Europäische Volkspartei (EVP), hatte im Januar ebenfalls bedeutende Erleichterungen bei der Lieferkettenrichtlinie und der Berichterstattungsrichtlinie verlangt. Zu den Forderungen zählen eine Erhöhung des Schwellenwerts auf 1000 Angestellte, die Eliminierung der indirekten Wirkungen auf Klein- und Mittelbetriebe als Zulieferer der Grossfirmen, die Verschiebung der Inkraftsetzung der besagten Richtlinien um mindestens zwei Jahre sowie generell die Reduktion der Berichterstattungspflichten für Grossfirmen um mindestens 50 Prozent. Die EVP hätte im Parlament zusammen mit den weiter rechts positionierten Fraktionen eine Mehrheit; die Fraktionen stimmen indes oft nicht einheitlich ab.

Doch die Wahrscheinlichkeit einer Aufweichung der Lieferkettenrichtlinie und/oder einer Verschiebung ist nicht mehr vernachlässigbar. Das dürfte auch die Schweizer Diskussionen beeinflussen. Solange das Endergebnis in der EU nicht klar ist, werden sich Bundesrat und Parlament kaum auf die Äste hinauslassen wollen.

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