Bei ihm gehen Musik und politische Agitation ineinander über. Wer ist dieser Sänger, dem am Samstag in Zagreb die Massen zujubelten?

«Gelobt seien Jesus und Maria, mein liebes Volk», so begann der kroatische Sänger Thompson seinen Auftritt im Zagreber Hippodrom. «Ganz Europa» fordere er dazu auf, «zu seiner Tradition, zu seinen christlichen Wurzeln zurückzukehren. Nur dann kann Kroatien wieder stark sein.»

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Das Konzert vom Samstag war eines der grössten je in Europa veranstalteten Musikevents. Der Verkauf von schätzungsweise 485 000 Eintrittskarten brach alle Rekorde. Der Mann, der die Massen wie kaum sonst jemand zu mobilisieren vermag, ist 58 Jahre alt und heisst mit bürgerlichem Namen Marko Perković.

Seine Musik ist eine Mischung aus kroatischer Folklore, Heavy-Metal und Symphonic Rock – wobei die Musik und die politische Agitation bei ihm immer schon ineinander übergingen. Perković alias Thompson ist ein Mann der Provinz, der mit einfachen Botschaften arbeitet und über ein umfangreiches Merchandising-Unternehmen gebietet. Den Fans vermittelt er die Botschaft, zu einer grossartigen Nation zu gehören. Er ist beides: Provokateur und Volksheld.

1991, zu Beginn des Kroatien-Kriegs, als er sich selbst als Freiwilliger zur Nationalgarde meldete, nahm er einen Song auf, der mit der Phrase «Za dom spremni!» («Bereit für die Heimat!») beginnt. Dabei handelt es sich um einen Gruss der faschistischen Ustascha, die während des Zweiten Weltkriegs in Kroatien und Bosnien-Herzegowina einen Marionettenstaat von Nazideutschland errichtete.

Auch der Ministerpräsident war dabei

Auch am Samstag begann Thompson den Song mit den Worten «Za dom» und das Publikum antwortete: «Spremni!» Hunderttausende riefen, ohne zu zögern, die Faschistenparole. Und dies, obschon die Phrase bei Minderheiten in Kroatien nach wie vor Angst auslöst. Während des Zweiten Weltkriegs wurden unter der Ustascha-Herrschaft massenweise Juden, Serben und Roma ermordet.

Das dürfte nicht nur Thompson bewusst gewesen sein, sondern auch den vielen Prominenten aus Politik und Fussball, die bei dem Konzert dabei waren. Doch niemand schien das zu stören. Selbst der konservative Ministerpräsident Andrej Plenković und seine Kinder besuchten Thompson bei der Generalprobe.

Die Konzerte des Mannes, der sich nach einer amerikanischen Maschinenpistole benannt hat, waren während des Kriegs (1991–1995) Rituale kollektiver Identitätsstärkung – und sie sind es bis heute geblieben.

In der Figur des singenden Kämpfers bündelte sich eine trotzige Wehrhaftigkeit, die die Armee anspornen sollte. «Unsere Hand wird euch sogar in Serbien erreichen», lautet etwa eine Textzeile. Teile Kroatiens waren damals von serbischen Milizen besetzt. Jahre später vermittelt Perković auch, dass die Leute stolz über den Sieg der kroatischen Armee im Jahr 1995 sein sollten. Thompson kanalisiert das Nationalgefühl und verstärkt es.

Hat der Sänger Massentötungen verherrlicht?

Doch auch in Kroatien ist er umstritten. Das Medium «Index» veröffentlichte 2004 eine Tonaufnahme, auf der zu hören ist, wie er ein Lied singt, das die Massentötung von Serben, Juden und Roma in den Todeslagern Jasenovac und Stara Gradiška verherrlicht. In einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» im Jahr 2020 bestritt er allerdings, das Lied bei einem seiner Konzerte gesungen zu haben, und distanzierte sich von dem Inhalt.

«Index» verwies darauf, dass Perković noch 2004 auf seiner Website angab, das Lied während des Kriegs «auf allen kroatischen Plätzen und in allen Sälen» aufgeführt zu haben. Vor allem wegen dieses Songs wurden in den letzten Jahren Konzerte des Sängers in der Schweiz, in Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Bosnien-Herzegowina und Slowenien verboten.

In Kroatien allerdings steigerte sich seine Beliebtheit dadurch noch. 2008 unterzeichneten Hunderte Politiker, Intellektuelle und Bischöfe eine Petition gegen Konzertabsagen in Kroatien. Seine Songs bekamen so auch noch die Aura des Widerständigen und er selbst den Nimbus eines Märtyrers.

Christlicher Nationalismus

Bei Thompson gibt es immer das Gute: die Familie, das kroatische Volk, Gott, Maria. Und das Böse: die Kommunisten und die Verräter des kroatischen Volkes. Beim Konzert am Samstag zeichneten Lichtdrohnen ein Kreuz und ein Bild von Maria, der Mutter Jesu, auf den Nachthimmel – der kroatische Nationalismus ist eng verknüpft mit einer pervertierten Form des Katholizismus.

Thompson ist ein Vertreter jenes christlichen Nationalismus, der als politische Bewegung vor allem aus den USA rund um Donald Trump bekannt ist. Dabei geht es um eine geglaubte Vorherrschaft gegenüber Nichtchristen, den Gedanken, einer «auserwählten Nation» anzugehören, den Versuch, die Trennung von Staat und Kirche aufzuheben, sowie die Unterstützung für althergebrachte Geschlechterrollen. Bei dem Konzert am Samstag trat auch der ehemalige Bischof Ante Ivas auf die Bühne und sprach ein Gebet. Und die Leute riefen: «Ich und meine Heimat wollen Gott dienen.»

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