Mittwoch, Januar 15

Im Sudan drohe die weltweit grösste Hungerkatastrophe seit den 1980er Jahren, mahnen internationale Experten. Es ist das erste Mal seit 2017, dass eine «Hungersnot» klassifiziert wird.

Erstmals seit Beginn des Bürgerkriegs im Sudan im April 2023 haben internationale Experten für Ernährungssicherheit eine Hungersnot in einer Region des Landes ausgerufen. Die am Donnerstag veröffentlichte Erklärung betrifft ein Vertriebenenlager in der umkämpften Region Darfur im Westen des Landes. Eine halbe Million Menschen leben in dem Lager. Laut den Experten des Famine Review Committee ist es wahrscheinlich, dass auch in anderen Gebieten Darfurs Hungersnot herrscht – es lässt sich aber aufgrund fehlenden Zugangs zu den Gebieten nicht mit Sicherheit bestimmen.

Erklärungen wie die jetzige sind selten. Das Label «Hungersnot» ist die höchste von fünf Stufen der IPC-Klassifikation, einer von der Uno, Regierungen und Hilfsorganisationen verwendeten Skala zur Einschätzung von Ernährungsunsicherheit. Es ist erst das dritte Mal seit der Einführung des Systems vor 20 Jahren, dass eine Hungersnot erklärt wird. Zuvor war das 2011 in Teilen Somalias und 2017 in Teilen des Südsudans der Fall.

Kriegsparteien plündern Hilfslieferungen

Der Krieg im Sudan hat sowohl die grösste Flüchtlings- als auch die grösste Hungerkrise der Welt ausgelöst. Mehr als 10 Millionen Menschen wurden bisher vertrieben. Laut der Uno haben 25,6 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte der Bevölkerung, nicht genug zu essen. Mehr als 8 Millionen Menschen stehen kurz vor einer Hungersnot – sind also akut gefährdet, zu verhungern. Manche Experten glauben, dem Sudan drohe die grösste Hungersnot, die die Welt seit den 1980er Jahren gesehen habe.

«Es gibt nicht genug Worte, um zu beschreiben, wie besorgniserregend die Situation ist», sagt Leni Kinzli, die Sprecherin des Welternährungsprogramms der Uno (WFP) für den Sudan. Gerade die Region Darfur, für die nun die Hungersnot erklärt wurde, sei kaum zugänglich. In das betroffene Gebiet, das bei der umkämpften Stadt al-Fashir liegt, konnte das WFP letztmals im April Hilfsgüter schicken.

Dass die Ernährungssituation im Sudan so dramatisch ist, liegt wesentlich an den beiden Kriegsparteien – der nationalen sudanesischen Armee und der bis zu 100 000 Mann starken Miliz Rapid Support Forces (RSF). Beide Kriegsparteien haben Hilfslieferungen blockiert, beiden wird auch vorgeworfen, Hilfskonvois oder Materiallager geplündert zu haben.

Die nationale Armee erlaubt zum Beispiel nicht, dass Uno-Hilfslieferungen aus dem Nachbarland Tschad beim Grenzort Adré eingeführt werden, weil das angrenzende Gebiet von den RSF kontrolliert wird. Die Einfuhr via Adré könnte jene Gebiete erreichen, die nun von der Hungersnot betroffen sind. Das Famine Review Committee schreibt in seinem Bericht: «Die Hauptursachen für die Hungersnot im Camp Zamzam sind der Konflikt und fehlender Zugang für humanitäre Hilfe. Beides könnte mit dem nötigen politischen Willen sofort behoben werden.»

Die Armee ziert sich vor Gesprächen in der Schweiz

Der Bürgerkrieg im Sudan brach vor 15 Monaten los, als sich die nationale Armee und die RSF gegeneinander wandten. Zuvor waren die Generäle der beiden Armeen, Abdelfatah al-Burhan und Mohammed Hamdan Daglo, die starken Männer in einer Putschregierung gewesen. Diese war seit Oktober 2021 an der Macht und stemmte sich gegen den Übergang zu einer zivilen Regierung.

Burhan und Daglo haben bisher keine ernsthaften Anstalten gemacht, den Krieg zu beenden. Von den USA und Saudiarabien vermittelte Waffenruhen brachen die beiden Konfliktparteien jeweils sofort wieder. Ab dem 14. August sollen in der Schweiz auf Initiative der USA Gespräche über einen Waffenstillstand und Zugang für humanitäre Hilfe stattfinden. Die Gespräche sind jedoch in der Schwebe. Während die RSF-Miliz zugesagt hat, stellt die nationale Armee mehrere Bedingungen. Sie verlangt unter anderem, dass die Vereinigten Arabischen Emirate, die ein wichtiger Unterstützer der RSF sind, nicht an den Gesprächen teilnehmen. Die Armee fordert auch, dass sich die RSF vor Beginn der Gespräche aus eroberten Ortschaften zurückziehen – was unrealistisch ist.

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