Montag, September 30

Drei Rumänen und eine Rumänin sind in Uster wegen bandenmässigen Diebstahls verurteilt worden. Das Gericht hat zudem drei Landesverweise ausgesprochen.

Ihre Masche war simpel, aber doch fast drei Monate lang erfolgreich: Eine Bande von rumänischen Ladendieben füllte jeweils in Filialen von Coop und Migros Einkaufswagen und verliess damit einfach die Läden, ohne zu bezahlen. Neun Delikte in Gossau, Uster, Volketswil, Wetzikon, Meilen und Dübendorf werden dem Quartett zwischen Oktober 2023 und Januar 2024 zur Last gelegt. Die Ladendiebstähle wurden in unterschiedlicher Zusammensetzung begangen. Nicht alle waren an allen Tatorten beteiligt.

Als Beute sind in den Anklageschriften unter anderem aufgeführt: Spirituosen, Champagner, Wein, hochpreisige Schokolade, Kaffee, Waschmittel, Rasierklingen, elektrische Zahnbürsten, Parfums, Nachthemden, Unterhosen, Perücken, Computermäuse, Wasserkocher, Kopfhörer, Haartrimmer, Uhren, eine Kaffeemaschine, Bettbezüge. Die Diebe hatten vor, die Ware in Rumänien zu verkaufen.

Der Inhalt der Einkaufswagen hatte je nach Tatort einen Wert zwischen 750 und 2200 Franken. Insgesamt erbeuteten die Diebe Produkte von rund 11 000 Franken. Ende Januar war nach einem Diebstahl in Pfäffikon (ZH) jedoch Schluss mit lustig: Drei Männer und eine Frau wurden in flagranti ertappt und verhaftet.

Die Frau fungierte als Fahrerin

Die 44-jährige Rumänin lebt seit 2018 in der Schweiz, arbeitet als Reinigungskraft und hat einen dreieinhalbjährigen Sohn. Die drei männlichen Täter im Alter zwischen 27 und 32 Jahren waren hingegen jeweils aus Rumänien angereist. Sie sind Bekannte der Frau. Sie beherbergte die Männer in ihrer Wohnung. Bei den Diebstählen kam ihr die Rolle der Fahrerin zu. Sie fuhr die Männer mit ihrem Auto zu den Läden und zurück. Die Beute, von der ein grosser Teil sichergestellt werden konnte, war in ihrer Wohnung gelagert worden.

Die Frau und zwei männliche Beschuldigte, die Brüder sind, wurden im April nach 71, 77 und 78 Tagen aus der Haft entlassen, nachdem sie Geständnisse abgelegt hatten. Die beiden Brüder mussten Kautionen von je 5000 Franken leisten und reisten nach Rumänien zurück. Der jüngste Täter ist zwar auch geständig, hatte aber kein Geld für die Kaution und befindet sich deshalb nach wie vor in Haft. Er wird am Prozess vor dem Bezirksgericht Uster von Polizisten in den Saal geführt.

Die beiden Brüder fehlen jedoch im Gerichtssaal. Ihre Verteidiger erklären, die Mandanten hätten ihnen versprochen, zum Gerichtstermin zu erscheinen. Sie seien selber überrascht, dass sie nicht gekommen seien. Die Anwälte stellen Dispensationsgesuche für die Brüder, die vom Gericht bewilligt werden, so dass der Prozess überhaupt stattfinden kann.

Der Staatsanwalt ist ebenfalls abwesend. Er muss am Einzelrichterverfahren nicht teilnehmen. In seinen Anklagen fordert er Verurteilungen wegen banden- und gewerbsmässigen Diebstahls mit Freiheitsstrafen von neun bis zwölf Monaten. Zudem verlangt er Landesverweise von sieben Jahren für alle vier Beschuldigten, auch für die Frau.

«Die Jungs» nur zu den Läden gefahren?

Zum Sachverhalt und zu ihren Motiven will die 44-Jährige im Gerichtssaal nichts mehr sagen. Sie entschuldigt sich aber für die Taten und bittet das Gericht, ihr keinen Landesverweis zu geben. In Rumänien könne sie ihrem Kind kein Leben bieten.

Während der Haft und nach der Haftentlassung sei sie von ihrer Familie finanziell unterstützt worden. Diese helfe ihr bedingungslos. Ab September habe sie auch wieder eine Hundert-Prozent-Arbeitsstelle. Es seien ihre alten Arbeitgeber, die sie zurückhaben wollten. Die Frau ist vorstrafenlos in der Schweiz, hat aber eine geringe Vorstrafe im Ausland: In Irland wurde sie 2016 wegen Diebstahls zu einem Monat Gefängnis verurteilt.

Ihr Verteidiger spielt die Rolle der 44-Jährigen bei den Diebstählen herunter. Sie habe «die Jungs» nur zu den Verkaufsgeschäften gefahren. Von der Beute habe sie gar nicht profitiert. Diese sei unter den Männern aufgeteilt worden. In zwei Fällen sei sie nur Gehilfin gewesen und habe die Läden gar nicht betreten. Nur in zwei der anderen Fälle könne sie als Mittäterin bezeichnet werden. Auf Überwachungsvideos ist zu sehen, wie sie ebenfalls Waren in den Einkaufswagen legte.

Von einer Qualifikation der Bandenmässigkeit oder Gewerbsmässigkeit könne bei der Frau aber keine Rede sein, hält ihr Verteidiger fest. Deshalb falle bei ihr auch die Katalogtat für einen obligatorischen Landesverweis weg. Er beantragt eine bedingte Geldstrafe von maximal 80 Tagessätzen.

Der 27-jährige Beschuldigte sagt hingegen, man könne ihm auch zehn Jahre Landesverweis geben. Er wolle nur so schnell wie möglich nach Hause und komme sicher nie wieder in die Schweiz. Er gibt alles zu. Alles, was in der Anklage stehe, sei wahr. Auch er äussert sich aber nicht mehr inhaltlich zu den Taten.

Sein Verteidiger plädiert auf eine bedingte Freiheitsstrafe von höchstens zehn Monaten und beantragt die sofortige Entlassung aus der Sicherheitshaft. Die Verteidiger der beiden Brüder sind mit den Anträgen des Staatsanwalts einverstanden.

Keine Rückfallgefahr bei der Frau angenommen

Der Einzelrichter verurteilt die Brüder zu bedingten Freiheitsstrafen von je zehn Monaten. Der 27-Jährige, der bereits einmal in Slowenien wegen Diebstahls zu drei Monaten verurteilt worden war, erhält zwölf Monate. Alle drei erhalten sieben Jahre Landesverweis. Sowohl die besondere Qualifikation der Bandenmässigkeit als auch jene der Gewerbsmässigkeit bejaht das Gericht. Es handle sich um eigentliche Kriminaltouristen.

Anders verhalte es sich aber bei der 44-jährigen Frau. Zwar sei auch bei ihr Bandenmässigkeit gegeben, nicht aber Gewerbsmässigkeit. Als Fahrerin habe sie zwar eine wichtige Rolle innegehabt. Es sei jedoch unklar, welchen Anteil am Deliktserlös sie erhalten hätte. Zudem habe sie in der Schweiz ja gearbeitet. Sie erhält eine bedingte Freiheitsstrafe von sieben Monaten.

Im Gegensatz zu den drei Männern schrammt sie auch am Landesverweis vorbei. Es handle sich zwar auch bei ihr um eine sogenannte Katalogtat für einen obligatorischen Landesverweis. Dieser dürfe aber nicht dem Völkerrecht widersprechen. Die Frau stelle keine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Schweiz dar, und es könne ihr keine negative Rückfallprognose gestellt werden, begründet der Einzelrichter.

Der 27-jährige Beschuldigte wird aus der Sicherheitshaft entlassen und dem Migrationsamt zugeführt. Die Schadenersatzforderungen von Coop und Migros werden auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen. Die beiden Brüder erhalten ihre geleisteten Kautionen von je 5000 Franken zurück. Es handelt sich um Darlehen von Dritten. Und Drittkautionen dürfen nicht zur Deckung von Verfahrenskosten beigezogen werden.

Urteile GG240035 bis GG240038 vom 21. 8. 2024, noch nicht rechtskräftig.

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