Hat die Gouverneurin von South Dakota wirklich geglaubt, man könnte Welpen abknallen und Vizepräsidentin werden? Porträt einer Verstrahlten.
Alle Hunde und Ziegen in den USA atmen auf: Diese Frau wird nicht an der Seite von Donald Trump in den Wahlkampf ziehen. Kristi Noem, 52, ist der erste weibliche Gouverneur im Gliedstaat South Dakota.
Sie ist auch die erste Politikerin, die sich damit brüstet, Tiere in Kiesgruben abzuknallen. Und sie hat im Alleingang ein Buchgenre begründet, das an dieser Stelle vorläufig Selbstsabotage-Memoir genannt werden soll.
Da geht noch mehr
Noem wuchs auf einer Farm in South Dakota auf, ihre Familie ist seit Jahrzehnten in der Landwirtschaft tätig. Sie hat einen Bachelor in Politikwissenschaft und arbeitete vor ihrer politischen Karriere als Rinderzüchterin und Betreiberin eines Gästehauses für Jäger.
2018 liess sie sich für das Gouverneursamt aufstellen und setzte sich bei der Wahl gegen den Demokraten Billie Sutton, einen ehemaligen Rodeoreiter, durch. 2022 wurde sie im Amt erneut bestätigt.
In dieser Zeit muss Noem, der leidenschaftlichen Abtreibungsgegnerin und Waffenlobbyistin, klargeworden sein, dass mehr geht, als einen Gliedstaat zu managen, der weitgehend aus Prärie und Steueroasen besteht. Superreiche parkieren in South Dakota gerne ihre Vermögen, um sie vor Finanzbehörden, Geschäfts- oder Ehepartnern zu verstecken. Vielleicht stand sie auch vor dem Mount Rushmore Memorial mit seinen vier in Stein gehauenen Präsidentenköpfen und dachte: Mein Gesicht da oben wäre viel attraktiver, für den Tourismus und überhaupt.
Hausverbot auf dem eigenen Staatsgebiet
Noem versuchte sich als Präsidentschaftskandidatin der Republikaner, und als sie wie alle, die glaubten, es gebe eine Zukunft jenseits von Trump, unterlag, arrangierte sie sich. Sie wurde Trumps eifrige Fürsprecherin.
Es passte ja auch: Noem liebt Waffen und rassistische Vorurteile; sie ist stolz darauf, dass ihre zweijährige Enkelin einen Revolver und ein Gewehr besitzt, und hält es für mehr als plausibel, dass indigene Stämme Geschäfte mit Drogenkartellen machen, auch wenn es dafür keinerlei Beweise gibt. Die Sioux und vier weitere Stämme haben ihr das richtig übel genommen: Die Gouverneurin darf deren Gebiete nicht mehr betreten. Noem hat zurzeit auf rund 20 Prozent ihres eigenen Staatsgebiets Hausverbot.
Trump sagt: «Ich mag sie sehr. Sie ist toll»
Trump muss das alles beeindruckt haben, noch im Februar sagte er: «Ich mag sie sehr. Sie ist toll. Kristi hat einen tollen Job gemacht.» Was mit dem tollen Job genau gemeint war, bleibt im Dunkeln. Ihre gesundheitspolitisch desaströse Strategie während der Covid-Pandemie oder ihr stümperhaftes Vorgehen gegen die Drogensucht – Claim ihrer Kampagne: «Meth. We’re on it» – kann es nicht gewesen sein.
Vielleicht waren es Noems wiederholte Warnungen vor Sozialismus und ausländischen Mächten, die die Südgrenze der USA nutzten, «um uns zu unterwandern und zu zerstören», die Trump überzeugten. Vielleicht war es auch einfach nur ihr markiges Auftreten, das selbst die schiesswütige Nikki Haley und die selbsternannte «Ultra-Maga» Elise Stefanek aussehen liess wie Betschwestern. Dann veröffentliche Noem ihre Autobiografie.
Crickets Tod in der Kiesgrube
Auf den ersten Blick schien alles in Ordnung mit Noems Memoiren. Wie die meisten Wahlkampfpublikationen bestach auch ihr Werk durch Durchschnittlichkeit. Auf dem Cover ein schmeichelhaftes Porträt der Autorin, dazu ein spektakulär nichtssagender Titel.
Das Buch heisst: «No Going Back: The Truth on What’s Wrong with Politics and How We Move America Forward». Auf Deutsch übersetzt also etwa «Kein Zurück mehr: Die Wahrheit darüber, was in der Politik falsch läuft und wie wir Amerika voranbringen», was nun auch nicht wesentlich blöder klingt als «The Truths We Hold», also: «Die Wahrheiten, für die wir einstehen» (Kamala Harris), oder «The Courage to Be Free», übersetzt: «Der Mut, frei zu sein» (Ron DeSantis).
Ausserordentlich aber an dieser Mischung aus Pamphlet und Selbstbeweihräucherung ist Noems Beschreibung von Tieren und davon, wie mit ihnen umzugehen sei. Noem berichtet, wie sie vor zwanzig Jahren ihre 14 Monate alte Drahthaar-Hündin Cricket in einer Kiesgrube erschoss.
Der Hund hatte bei einer Jagd versagt, die sie für Gäste geplant hatte, ausserdem zahlreiche Hühner des Nachbarn getötet und sich aggressiv gegenüber ihrer Familie verhalten. «Das war mein Hund und meine Verantwortung, und ich würde niemanden bitten, meine Probleme für mich auszubügeln», schreibt Noem über den Vorfall. Und: «Die Welt ist voller Schwätzer und Vermeider. Wir brauchen Macher.» Amerika allerdings sieht das anders.
Noems Gesicht gibt es als Halloween-Kostüm
Ein Sturm der Entrüstung fegte durch das Land. Colleen O’Brien, die Vorsitzende der Tierschutzorganisation Peta USA, erklärte: «Die meisten Amerikaner lieben ihre Hunde. Wir vermuten, dass sie die Gouverneurin für absolut unzurechnungsfähig halten, denn sie hat einen ungestümen Junghund auf Hühner losgelassen und ihn dann bestraft, indem sie ihm persönlich das Hirn weggeblasen hat.»
Noem sei «furchterregender als jeder Horrorfilm-Bösewicht», so Peta, in deren Internetshop man mittlerweile ein Kristi-Noem-Kostüm für Halloween kaufen kann. Dazu gehören eine Maske mit Noem-Gesicht und Teufelshörnern, ein Plastikgewehr und eine Baseballkappe mit der Aufschrift «Noem: Welpenkiller».
Hunde sind in Amerika ausserordentlich beliebt, und Politiker-Hunde stehen unter dem Schutz der Öffentlichkeit. Als Präsident Lyndon B. Johnson 1964 dabei fotografiert wurde, wie er seinen Beagle an den Ohren in die Höhe zog, empörte sich das ganze Land. Johnson entschuldigte sich, das Weisse Haus veröffentlichte ein Statement mit dem Titel «Hunde waren immer meine Freunde».
Noem entschuldigte sich nicht, stattdessen empfahl sie Joe Biden in einer Fernsehsendung, er solle seinen Hund Commander einschläfern lassen. Commander hatte wiederholt Mitarbeiter des Secret Service gebissen.
Die Lügen fallen nicht mehr ins Gewicht
Dass Noem in ihrem Buch eine Begegnung mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un herbeiphantasierte und behauptete, sie habe ein Treffen mit Emmanuel Macron aufgrund von dessen «Pro-Hamas-Ansichten» abgesagt, woran sich weder Macron noch sein Stab erinnern konnten, alles Lügen also, fiel in Anbetracht der Cricket-Geschichte nicht einmal mehr gross ins Gewicht.
Auch dass Noem im Kapitel «Bad day to be a goat» erzählt, wie sie den Ziegenbock der Familie erschoss, weil er «bösartig und gemein» gewesen sei und ausserdem übel gerochen habe, machte die Sache nicht schlimmer. Die Sache war schon schlimm genug. Trump zog die Konsequenzen und distanzierte sich. Noem erklärte: «Ich könnte jederzeit in die Landwirtschaft zurückkehren. Das klingt richtig gut.»
Für Ziegen und Hunde in South Dakota klingt das gar nicht gut. Denn sie wissen: Ein Politiker, der Welpen in Kiesgruben abknallt, ist gefährlich. Aber ein Politiker, der auch noch stolz darüber schreibt, ist verrückt.