Dienstag, November 26

Für die Energiewende werden spezielle Rohstoffe benötigt, etwa die Metalle der seltenen Erden, die zur Herstellung von Magneten für Elektromotoren und Generatoren dienen. Sie könnten in Grönland abgebaut werden. Doch dem stehen mehrere Hindernisse im Weg.

Diese Recherche wurde vom Pulitzer Center unterstützt.

Von Windkraftanlagen über Elektroautos bis hin zur Unterhaltungselektronik – etliche moderne technische Produkte würden ohne spezielle Rohstoffe gar nicht funktionieren. Jetzt ist darum Grönland in den Fokus der Industrieländer geraten.

Die grösste Insel der Erde beherbergt nämlich etliche kritische Rohstoffe. In Grönland wurden zum Beispiel die Metalle Lithium, Niob, Hafnium und Zirkonium gefunden, welche für Batterien und andere technische Anwendungen benötigt werden.

Und es gibt auch Vorkommen von seltenen Erden. Diese speziellen Rohstoffe sind besonders für die Transformation des Energiesystems bedeutsam, können aber nur in einer Handvoll Ländern abgebaut werden. Wer über Zugang zu ihnen verfügt, besitzt einen grossen Wettbewerbsvorteil.

Um den künftigen Zugriff auf die wichtigen Substanzen zu vereinfachen, schloss die Europäische Union neulich ein Bergbauabkommen mit Grönland. Die USA trafen eine ähnliche Abmachung. Auch China hat grundsätzlich Interesse angemeldet, aber wegen der gewandelten geopolitischen Lage derzeit schlechte Karten.

Das Interesse an den kostbaren Rohstoffen Grönlands ist also gross. Ein veritabler Bergbauboom lässt aber noch auf sich warten. Fachleute sagen, dass die Risiken des Bergbaus auf der Insel nicht zu unterschätzen seien. Diese Risiken betreffen die Technik, die Wirtschaftlichkeit, den Umweltschutz sowie rechtliche und politische Fragen.

Die Metalle eignen sich für Magneten in Motoren

Es gibt 17 verschiedene Metalle der seltenen Erden. Besonders gefragt im Zusammenhang mit der Energiewende sind 4 davon: Sie tragen die klangvollen Namen Dysprosium, Neodymium, Praseodymium und Terbium. Vor allem Neodymium und Praseodymium werden für den Bau von Magneten für Elektromotoren und Generatoren benötigt, zum Beispiel in Windkraftanlagen oder Hybridautos. Eine Beifügung kleiner Mengen Dysprosium und Terbium macht diese Magneten noch härter.

Die Nachfrage nach den vier Metallen ist derzeit im Vergleich zum Angebot hoch – und sie steigt voraussichtlich noch. Entsprechend teuer dürften diese laut der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU noch über längere Zeit bleiben.

An mehreren Orten in Südgrönland sind seltene Erden bereits nachgewiesen worden, an weiteren Orten wird danach gesucht. Die Vorkommen seien zum Teil gross, der Gehalt an seltenen Erden in dem Erz sei allerdings gering, sagt Flemming Getreuer Christiansen, ein geowissenschaftlicher Berater in Dänemark mit langer Erfahrung in Grönlands Bergbau. «Eine gute Mine für seltene Erden hat einen Gehalt von 3 bis 6 Prozent, eine schlechte nur einen solchen von einem Prozent.» Das verteure den Aufwand für den Abbau und die Verarbeitung.

Wie realistisch ist es, dass der Abbau der gefragten Rohstoffe in Grönland eines Tages in nennenswertem Masse helfen wird, den Bedarf von Europa oder den USA zu decken? Zwar hat die Insel eine lange Tradition des Bergbaus, sie reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. In der Vergangenheit wurde zum Beispiel Kohle abgebaut, später probehalber auch Uran. Derzeit aber gibt es überhaupt nur eine aktive Bergbaumine: In dieser wird Anorthosit gefördert – ein Ausgangsstoff für den Dämmstoff Steinwolle. Der Betrieb einer Mine für Saphir und Rubin wurde 2023 eingestellt. Eine Mine für seltene Erden gibt es noch nicht.

Vor allem im Winter blockieren Eisschollen die Fjorde

Eines der Probleme: Bergbau im unwirtlichen Klima von Grönland geht ins Geld. Der Norden der Insel ist die meiste Zeit des Jahres von Meereis umgeben. «Dort ist es viel zu teuer», sagt Christiansen. In Südgrönland gebe es Fjorde mit offenem Wasser im Sommer, die Bedingungen seien dort ähnlich wie in Norwegen.

Für die Wintermonate, in denen Eisschollen den Transport auch in manchen Regionen im Süden behinderten, seien derzeit aber Möglichkeiten zum Lagern des Materials notwendig. Der Klimawandel werde den Abbau von Rohstoffen erleichtern, weil dann weniger Eis vorhanden sein werde, meint Christiansen.

«Wir wissen, dass auf Grönland das Potenzial für Schlüsselressourcen wie die seltenen Erden vorhanden ist», sagt der Politologe Florian Vidal von der Arctic University of Norway (UiT). Aber für den Abbau brauche man Investitionen und geeignetes Personal. «Für Grönland ist dies die grösste Herausforderung im kommenden Jahrzehnt.»

Theoretisch gibt es auf der Insel zwar das Personal für die nötigen Arbeiten. Aber derzeit baue Grönland mehrere Flughäfen, und dafür benötige man die gleichen Arbeiter, sagt Christiansen. Also müsste man Personal aus dem Ausland holen, wenigstens für die Bauphase.

Wegen der schwierigen Witterungsbedingungen ist darüber hinaus die Sorge gross, der verstärkte Abbau von Rohstoffen in Grönland könne die Umwelt verschmutzen – und zwar nicht nur direkt an den Minen. Mehr Transport von Rohstoffen bedeutet auch mehr Schiffsverkehr. «Es gibt Sorgen in den Fjorden und bei den Fischern», sagt Vidal.

Immerhin hat die EU in ihrem Bergbauabkommen mit der Inselregierung dem Thema Nachhaltigkeit viel Gewicht beigemessen. Die Förderung von Rohstoffen soll nur unter strengen Umweltauflagen genehmigt werden.

Kann der Bergbau Grönland zur Unabhängigkeit verhelfen?

In Grönland gibt es eine starke politische Bestrebung, von Dänemark ökonomisch unabhängig zu werden. Der verstärkte Abbau von kritischen Rohstoffen wäre ein Schritt in diese Richtung. Doch das Thema Bergbau spaltet die Bevölkerung. Nach einem Regierungswechsel 2021 wurden die Umweltvorschriften für den Bergbau verschärft. Die Folgen dauern bis heute an.

Ein Rechtsstreit mit einem Unternehmen ist besonders spektakulär. Die australische Bergbaufirma Greenland Minerals stand kurz davor, die Erlaubnis zu erhalten, Mineralien im Süden der Insel abzubauen. Doch 2021 entschied die neu gewählte grönländische Regierung, die Förderung von Uran zu verbieten, und erliess ein entsprechendes Gesetz.

In der Folge wurden dem Unternehmen die Rechte für das Kuannersiut-Projekt, über die es bereits verfügte, entzogen – ein Projekt, in welches es in den vorangegangenen 15 Jahren enorm viel investiert hatte. Die Begründung: Wenn dort seltene Erden abgebaut würden, würde man unweigerlich auch Uran fördern, und das sei nunmehr untersagt. Daraufhin forderte Greenland Minerals von der Regierung eine Entschädigung in Höhe von 11,5 Milliarden Dollar – zunächst in einem Schiedsverfahren, anschliessend vor Gericht.

Dieser Konflikt, der bis heute weiterschwelt, führt zu erheblicher Verunsicherung unter Investoren. «Heute wird das politische Risiko in Grönland als höher eingeschätzt als in vielen Ländern Afrikas», sagt Christiansen. Grundsätzlich biete Grönland ein stabiles Umfeld für Unternehmen, erläutert Vidal, aber in diesem Fall sei das anders. Investoren würden in Zukunft zweimal hinschauen, bevor sie sich engagierten.

«Es wird viele Jahre dauern, bis Grönland wirklich gross am Bergbau verdient», sagt Christiansen zusammenfassend. Ein paar Minen würden vielleicht schon in den kommenden 10 bis 15 Jahren eröffnet. Für die EU würde das nicht viel mehr bedeuten als einen Tropfen auf den heissen Stein. Und für Grönland ist es noch lange nicht genug, um wirtschaftlich unabhängig zu werden.

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