Montag, November 25

In der derzeitigen Maschinenbaukrise sind die Krones-Aktien ein Kauf. Der weltgrösste Hersteller von Getränkeabfüllanlagen wächst dank Innovationen kräftig und baut seinen Marktanteil aus. Die zunehmende Dominanz sollte sich in dauerhaft höheren Margen auszahlen.

Wegen des drohenden Abschwungs richten die Aktienanleger ihren Fokus seit einigen Wochen verstärkt auf als defensiv geltende Sektoren. Spätestens seit dem Mini-Crash Anfang August haben diese Titel an den Märkten das Zepter übernommen. Schon im Juni empfahl The Market Gea, einen Anlagenbauer für die Nahrungsmittel-, die Getränke und die Pharmaindustrie. Noch mehr Exposure bei Nahrungsmitteln und Getränken hat der Anlagenbauer Krones, nämlich 100%.

Das MDax-Unternehmen aus dem bayerischen Neutraubling bei Regensburg ist mit 28% Weltmarktanteil der mit Abstand führende Hersteller von Getränkeabfüllanlagen, dreimal so gross wie seine zwei wichtigsten Wettbewerber KHS und Sidel. Seit Jahrzehnten baut Krones den Marktanteil aus, inzwischen auch gegen aufstrebende chinesische Konkurrenz. Einiges spricht dafür, dass sich diese Dominanz künftig dauerhaft in einer höheren Profitabilität auszahlen kann.

Nach einer pandemiebedingten Krise 2020 wächst Krones seit 2022 kräftig, mit steigender Marge. Die 2021 gesetzten Mittelfristziele für 2025 von mehr als 5 Mrd. € Umsatz sowie einer Marge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 10 bis 13% werden voraussichtlich schon dieses Jahr erreicht. Beim Ziel der Rendite auf das eingesetzte Kapital (ROCE), die von 10 auf 20% verdoppelt werden sollte, prognostiziert Krones für 2024 17 bis 19%.

So verkündete der seit 2016 amtierende Krones-Chef Christoph Klenk Anfang Juli seinen nächsten Mittelfristplan bis 2028: mehr als 7 Mrd. € Umsatz bei einer leicht höheren Ebitda-Marge von 11 bis 13%, 20% ROCE und mehr als 300 Mio. € freiem Cashflow. Gegenüber 2023 bedeutet dies ein durchschnittliches Wachstum von 8% jährlich, wobei Krones nur kleinere Akquisitionen anpeilt.

Die Ziele seien «ambitioniert, aber realistisch», meint Berenberg-Analyst Benjamin Thielmann. Er und andere Analysten setzen das Kursziel um 160 € (Baader und Berenberg) oder sogar 172 € (Deutsche Bank). Baader führt Krones auf ihrer «Top Picks»-Liste, Berenberg unter ihren im September aktualisierten vierzehn «Euro 2024 Mid Cap All Stars» aus 174 mittelgrossen europäischen Werten. «Unter den deutschen Small und Mid Caps gibt es wenige Unternehmen, die in einer so guten Situation sind wie Krones», findet Christian Reindl, Fondsmanager von Union Investment.

Tatsächlich hatte der Krones-Aktienkurs seit vergangenem Herbst den schwach gelaufenen MDax bei weitem übertroffen. Trotz des Investorentages Anfang Juli kam der Kurs zuletzt aber kaum vom Fleck und verharrt unter dem im Mai erreichten Allzeithoch von 131.80 €.

The Market sieht Luft nach oben – gerade in einem Börsenumfeld, das sich auf wenig konjunkturabhängige Werte fokussiert. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 12 auf Basis des geschätzten Gewinns der nächsten zwölf Monate ist Krones weit unter dem Schnitt der vergangenen zehn Jahre von 18 bewertet und ist günstiger als Gea (KGV 15).

Stabiles Geschäftsmodell

Dass der Maschinenbauverband VDMA kürzlich die Produktionsprognose der deutschen Branche für 2024 von –4 auf –8% gesenkt hat, lässt Krones unberührt. Das in 152 Ländern tätige Unternehmen profitiert langfristig von drei Megatrends: Die Weltbevölkerung wächst, und zwar vor allem die Mittelschicht, der Zuzug in die Städte geht weiter. Dies führt dazu, dass jedes Jahr durchschnittlich 3% mehr Getränke abgefüllt werden. Der entsprechende Maschinenmarkt legt 4 bis 4,5% zu, da die Maschinen komplexer werden. 45% des Umsatzes erzielt Krones jetzt schon in Schwellenländern.

Im ersten Halbjahr 2024 sprang Kronesʼ Umsatz 10% auf 2,6 Mrd. €, auch da sie die im März akquirierte Netstal (über 200 Mio. € Jahresumsatz) erstmals konsolidierte. Die Ebitda-Marge stieg von 9,5 auf 10%. Das für 170 Mio. € erworbene Schweizer Unternehmen baut Maschinen zur Produktion von Rohlingen für PET-Flaschen und Verschlüssen. Es komplettiert Kronesʼ Angebot für PET-Anlagen. Klenk nutzte eine seltene Gelegenheit: Chinesen hatten Netstal zum Verkauf gestellt, namentlich der zum staatlichen Chemieriesen Sinochem gehörende Spritzgussmaschinenbauer KraussMaffei.

Per Ende Juni sass Krones auf einem rekordhohen Auftragsbestand von 4,4 Mrd. € für ihre Abfüll-, Verpackungs-, Brauerei- und Recyclinganlagen. Während andere Maschinenbauer Kurzarbeit fahren, arbeitet Krones daran, ihre durchschnittlichen Lieferzeiten von knapp sechzig Wochen zu reduzieren.

Seit der Maschinenbauingenieur und damalige Finanzchef Klenk den Gründersohn Volker Kronseder 2016 an der Unternehmensspitze ablöste, hat er einige Krisen bewältigt. 2019 liefen die Kosten aus dem Ruder, der Ausblick musste zwei Mal gesenkt werden. Mit Ausbruch der Coronakrise 2020 fuhren die Getränkeproduzenten angesichts geschlossener Restaurants ihre Investitionen massiv zurück, Krones rutschte erstmals seit der Finanzkrise 2009 in die Verlustzone. Ab 2021 konnte sie sich vor Aufträgen kaum retten, doch waren pandemiebedingt nicht genug Automatisierungs- und Steuerungskomponenten erhältlich. Ein riesiger Orderbestand baute sich auf.

Manche Investoren fragen sich allerdings, wie lange der Auftragsboom noch andauert – und was sein Ende für die Preise und die Marge bedeuten würde. In der Vergangenheit verstrickten sich Krones und ihre Rivalen regelmässig in Preiskämpfe, um ihre Werke auszulasten. Kronesʼ Kunden nämlich sind grossteils ein Oligopol mit entsprechend erheblicher Verhandlungsmacht: Die weltgrössten Getränkekonzerne Coca-Cola, PepsiCo und Anheuser-Busch InBev teilen sich geschätzt die Hälfte des weltweiten Getränkemarktes.

Behält Krones Preisdisziplin? Der Lackmustest steht bevor

«Das ist das erste Mal, dass sich die Wettbewerber nun schon seit einiger Zeit preisrational verhalten und die Margen steigen», sagt Union-Fondsmanager Reindl. Wobei Klenk spätestens seit dem Investorentag 2021 Preisdisziplin verspricht und erklärt, sie sei «in der DNA von Krones angekommen». «Das kann man leicht sagen, wenn das Orderbuch voll ist, die Branche boomt und die Rivalen nicht preisaggressiv agieren», so Reindl. «Den Beweis muss Krones antreten, wenn die Aufträge nachlassen.»

Derzeit berichtet Krones über stabile Preise, doch der Lackmustest könnte bald kommen. Konjunkturbedingt registrierte Klenk Ende Juli erstmals eine leichte Zurückhaltung; beim Auftragseingang sei es schwieriger geworden.

In seinen acht Jahren als CEO hat sich Klenk Vertrauen erarbeitet. «Klenk macht einen guten Job», sagt Fondsmanager Reindl. Investoren rechnen dem Chef hoch an, dass er in der Krise 2019 tausend Stellen am Unternehmenssitz in Neutraubling strich und einen Teil der Produktion ins kostengünstigere Ungarn verlagerte. Es war der erste grosse Arbeitsplatzabbau in der Firmenhistorie.

Krones wurde 1951 von Hermann Kronseder in Neutraubling gegründet, bis heute sind 52% der Anteile in der Hand der Gründerfamilie. Die Familie um Aufsichtsratschef Volker Kronseder schreibt unternehmerische Verantwortung für die Mitarbeiter gross. Aus Kapitalmarktsicht ist das Fluch und Segen zugleich: Segen, weil die hohe Identifikation der Belegschaft ein Schlüssel dafür ist, dass Krones mit Abstand Innovationsführer in ihrer Branche ist. Fluch, weil dies margensteigernden Massnahmen für mehr Kosteneffizienz in der Vergangenheit auch entgegenstand.

«Die Frage ist, ob und an welchem Standort Krones in der nächsten Krise Kosten reduziert und inwiefern die Profitabilität dabei im Fokus steht», zweifelt Fondsmanager Reindl. Kronesʼ jüngste Aussagen sollten indes beruhigen: Der Produktionsanteil in Deutschland ist seit 2019 von 82 auf 67% gesunken und soll laut Klenk bis 2028 auf 58% abnehmen. Der 57-jährige Chef agiert stets in enger Abstimmung mit dem Aufsichtsratschef. Bisher wusste er die Balance zwischen der Familie und dem Kapitalmarkt gut zu wahren.

All dies spricht aus Sicht von The Market dafür, dass Krones ihre Dominanz erstmals dauerhaft in eine höhere Profitabilität umsetzen kann. Was das Geschäft an sich angeht, ist das Unternehmen nahezu unangefochten. «Krones ist super positioniert und bietet in der Branche die besten Produkte», sagt Union-Mann Reindl.

Nachhaltigkeitstrend verschafft Krones Rückenwind

Der Konzern profitiert nun von einem vierten Megatrend: dem zur Nachhaltigkeit. Coca-Cola, PepsiCo & Co müssen unter Druck ihrer Investoren Treibhausgasemissionen massiv reduzieren. Sie müssen Strom sparen, den Wasserverbrauch verringern, für ihre Plastikflaschen recyceltes PET verwenden. «80% unserer Gespräche mit unseren Kunden drehen sich um Nachhaltigkeit», sagt Krones-Investor-Relations-Chef Olaf Scholz.

Kronesʼ Spitzenstellung in der Nachhaltigkeit wird von spezialisierten Ratingagenturen bestätigt. Bei Ecovadis eroberte die Gesellschaft im Oktober 2023 das Gold-Prädikat zurück, die zweitbeste Bewertung. Ecovadis sieht sie unter den besten 5% der gesamten Branche. CDP stufte sie im Februar 2024 das dritte Jahr in Folge um eine Stufe herauf, auf A–, ebenfalls die zweitbeste Note. Die Maschinenbaubranche rangiert auf einem schwachen C.

Kronesʼ direkte Konkurrenz kann kaum mithalten: KHS erhielt von Ecovadis Gold, wird von CDP aber nicht analysiert. Sidel hat bei keiner der zwei Agenturen eine Bewertung.

Relative Bewertung «bescheiden»

Relativ zur Branche und zum eigenen historischen Durchschnitt sei Kronesʼ Bewertung «bescheiden», konstatiert Deutsche-Bank-Analyst Lars Vom-Cleff. Im Vergleich zum europäischen Branchenindex Stoxx 600 Industrials Goods & Services Index wird Krones mit einem Bewertungsabschlag von 36% gehandelt. Über die vergangenen zehn Jahre betrug der Abschlag im Schnitt 22%.

Abschlag zu Europas Investitionsgütern so hoch wie selten

Ein Grund für den Abschlag ist, dass Krones als Anlagenbauer eine niedrigere Marge erzielt als die im Index ebenfalls vertretenen Komponentenhersteller. Zudem ist die Liquidität der Titel eher gering, nicht nur wegen des 52%-Grossaktionärs. Krones habe «viele langfristige zufriedene Anteilseigner», heisst es am Markt.

Fazit: Krones sind gerade im gegenwärtigen Börsenumfeld Top-Aktien, die Profi-Anleger gerne in ihrem Depot liegen lassen. Aus guten Gründen.

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