Montag, November 25

Moungi Bawendi, Louis Brus und Alexei Ekimov erhalten den Nobelpreis für die Entwicklung von Quantenpunkten – eine Technologie, die in modernen Bildschirmen, Leuchtdioden und Solarzellen verwendet wird.

Das hat es in der mehr als hundertjährigen Geschichte der Nobelpreise noch nie gegeben. Die Namen der drei Chemienobelpreisträger gerieten am Mittwoch vorzeitig an die Öffentlichkeit. Der Vorsitzende des Nobelkomitees für Chemie bemühte sich zwar noch um Schadenbegrenzung, indem er sagte, die Entscheidung sei noch nicht getroffen worden. Doch einige Stunden später wurde dann offiziell bestätigt, was alle bereits wussten.

Der diesjährige Chemienobelpreis geht an Moungi Bawendi, Louis Brus und Alexei Ekimov. Die drei werden für die Entdeckung und Entwicklung von Quantenpunkten ausgezeichnet. Dabei handelt es sich um nanometergrosse Partikel, deren elektrische, magnetische und optische Eigenschaften durch ihre Grösse bestimmt werden.

Die Arbeiten der drei Preisträger gehen auf die frühen 1980er Jahre zurück. Seither hat sich viel getan. Quantenpunkte haben längst praktische Anwendung gefunden. So wurde bereits 2013 ein LCD-Bildschirm präsentiert, der von hinten mit Quantenpunkten beleuchtet wurde. Einige Jahre später kamen die ersten QLED-Monitore auf den Markt, in denen die Quantenpunkte selbst die drei Grundfarben Rot, Grün und Blau erzeugten. Diese Bildschirme haben eine höhere Auflösung als herkömmliche LCD.

Eingeschränkte Bewegungsfreiheit für Elektronen

Quantenpunkte sind Partikel, die typischerweise aus tausend bis hunderttausend Atomen bestehen. Damit sind diese Partikel kleiner als ein Mikrometer, werden also in Nanometern gemessen. Man bezeichnet sie deshalb auch als Nanopartikel.

Die geringe Grösse wirkt sich auf das Verhalten der Elektronen in den Quantenpunkten aus. Da deren Ausdehnung ungefähr so gross ist wie die Wellenlänge der Elektronen, kommen die Quanteneigenschaften der Elektronen zum Tragen. Anders als in ausgedehnteren Materialien können sich die Elektronen nicht mehr frei bewegen. Ihr Bewegungsspielraum ist in allen drei Raumrichtungen eingeschränkt. Wie in einem Atom können die Elektronen deshalb nur noch fest definierte (diskrete) Energiezustände annehmen. Deshalb bezeichnet man Quantenpunkte auch als künstliche Atome.

Ebenso wie normale Atome senden auch die künstlichen Atome Licht aus, wenn ein Elektron von einem höheren Energieniveau in ein tieferes springt. Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied. Bei einem normalen Atom sind die Spektrallinien durch die Atomsorte vorgegeben, bei einem künstlichen Atom gibt es zusätzliche Freiheitsgrade. Indem man die Grösse und die Form der Quantenpunkte variiert, kann man die Farbe, in der sie leuchten, massschneidern. Das macht sie so interessant für Leuchtdioden und andere optische Anwendungen.

Die Grösse der Quantenpunkte bestimmt ihre Farbe

Die Erforschung der Quantenpunkte begann in den späten 1970er Jahren. Einer der Pioniere war der russische Physiker Alexei Ekimov. Er experimentierte damals mit Gläsern, die er mit Halbleitern «impfte». Dabei entdeckte er winzige Halbleiterkristalle, die bei ungewöhnlich kurzen Wellenlängen Licht absorbierten. Zusammen mit dem theoretischen Physiker Alexander Efros konnte Ekimov nachweisen, dass die optischen Eigenschaften der Nanokristalle mit deren Grösse korreliert.

Etwa zur gleichen Zeit untersuchte der Amerikaner Louis Brus an den Bell Laboratories Nanopartikel, die in einer Flüssigkeit schwimmen. Indem er die Wachstumsbedingungen im feuchten Medium kontrollierte, konnte er Nanopartikel aus Cadmiumsulfid herstellen, die nur 4,5 Nanometer gross waren. Brus verglich die Absorptionslinien dieser Nanopartikel mit denen von ausgedehntem Cadmiumsulfid und stellte fest, dass sie zu kürzeren Wellenlängen verschoben sind. Durch Berechnungen konnte Brus das auf die Einschnürung der Ladungsträger in den Nanokristallen zurückführen. Damit war erwiesen, dass die ungewöhnlichen optischen Eigenschaften der Quantenpunkte durch Quanteneffekte hervorgerufen werden.

An Anwendungen der Quantenpunkte war aber noch nicht zu denken. Dafür liessen sich die Grösse und die Qualität der Nanokristalle nicht genau genug kontrollieren.

Das Rezept für perfekte Nanokristalle

Hier kommt der dritte Nobelpreisträger ins Spiel. Der amerikanische Chemiker Moungi Bawendi schaffte es im Jahr 1993, nahezu perfekte Nanokristalle herzustellen. Sein Erfolgsrezept waren ein sorgfältig ausgewähltes Lösungsmittel und die richtige Menge der Ausgangssubstanz. In der Lösung bildeten sich unzählige Kristallkeime. Indem Bawendi die Temperatur der Lösung kontrollierte, konnte er das Wachstum der Kristalle steuern. Das Lösungsmittel sorgte dafür, dass die Nanokristalle eine gleichmässige und glatte Oberfläche entwickelten.

Diese relativ einfache Herstellungsmethode sprach sich schnell herum. Auch andere Forscher fingen nun an, die Eigenschaften der Quantenpunkte zu untersuchen. Schon bald folgten die ersten Anwendungen.

So werden aus Quantenpunkten heute Leuchtdioden und Laser hergestellt. Auch in Solarzellen können Quantenpunkte ihre Vorteile ausspielen. So lässt sich über die Grösse einstellen, bei welcher Wellenlänge sie Licht absorbieren. Langfristig besteht das Ziel darin, Quantenpunkte mit verschiedenem Durchmesser zu mischen, um einen grösseren Teil des Sonnenspektrums zu nutzen, als dies zum Beispiel Solarzellen aus Silizium tun.

Auch in der Chemie werden Quantenpunkte verwendet. Als Katalysatoren können sie chemische Reaktionen anstossen. So sollen sie zum Beispiel dabei helfen, aus Wasser und Sonnenlicht Wasserstoff herzustellen. In jüngster Zeit untersucht man auch das biomedizinische Potenzial der Quantenpunkte. Dazu beschichtet man ihre Oberfläche mit Proteinen oder anderen Biomolekülen. Mit den so funktionalisierten Quantenpunkten möchte man zum Beispiel Krebszellen aufspüren.

An der Pressekonferenz der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften wurden die Vorzüge der Quantenpunkte wortreich dargestellt. Über den Fauxpas mit den durchgesickerten Namen verlor der Sekretär der Akademie allerdings kein Wort. Dafür wurde der per Telefon zugeschaltete Preisträger Moungi Bawendi von einem Journalisten gefragt, ob er von dem Leck etwas mitbekommen habe. Der in den USA lebende Chemiker verneinte. Er sei erst durch den Anruf aus Stockholm aus dem Schlaf geholt worden.

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