Sonntag, Dezember 1

Der Hype um die neuesten Chips von Nvidia macht es deutlich: Im Wettlauf um Rechenkapazitäten investieren Tech-Riesen wie Microsoft, Amazon und Alphabet massiv in Rechenzentren. Das eröffnet Möglichkeiten, das Thema KI-Infrastruktur auf unkonventionelle Weise zu spielen.

Die Rally zeigt Anzeichen von Erschöpfung. Der Nasdaq 100 hat am Dienstagabend zwar leicht fester geschlossen. In den vergangenen anderthalb Monaten hat der Index mit den Mega Caps aus dem Tech-Sektor aber vergleichsweise schwach abgeschnitten. Mit einer Performance von gut 7% hinkt er dem marktbreiten S&P 500 seit Anfang Jahr nun sogar leicht hinterher.

Im Fokus steht einmal mehr Nvidia. Der grösste Profiteur des Booms im Bereich künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence, AI) hat zu Wochenbeginn die nächste Generation seiner Chips vorgestellt, mit denen grosse Sprachmodelle wie ChatGPT aufgebaut werden. Konzerngründer und CEO Jensen Huang wurde bei seiner gut zweistündigen Präsentation im SAP Center wie ein Rockstar gefeiert.

Die Sportarena ist das Heimstadion des NHL-Hockeyclubs San José Sharks und hat Kapazität für rund 11’000 Zuschauer. Wie bei einem Konzert von Taylor Swift war bei Huangs Auftritt jeder Sitzplatz bis in die hinterste Reihe belegt. «Wir fragen uns, ob die Sharks die Halle ebenso gut füllen können», schreibt Stacy Rasgon, Halbleiteranalyst bei Bernstein Research in einem Kommentar ironisch, zumal sich das Team nicht für die Playoffs qualifiziert hat.

Die Begeisterung für Nvidias neue Produkte ist gross. Der Anlass, zu dem der Konzern Kunden, Geschäftspartner, Analysten, Medienvertreter und Fans ins Silicon Valley eingeladen hatte, wird mit den Warteschlangen bei der Lancierung neuer Apple-Produkte vor rund zehn Jahren verglichen. Parallelen gezogen werden ebenso zum Massenauflauf bei der Einführung von Microsofts Betriebssoftware Windows 95 Mitte der Neunzigerjahre.

Angesichts der Obsession mit künstlicher Intelligenz an der Börse und dem steigenden Spekulationsfieber werden aber auch ungute Erinnerungen an die Exzesse mit Meme-Aktien in den Jahren 2020/21 wach. Der Kurs von Nvidia eröffnete am Dienstag zunächst deutlich im Minus, ging dann jedoch gut 1% höher auf knapp 894 $ aus dem Handel. Mit einer Kapitalisierung von nahezu 2,2 Bio. $ ist der Chipdesigner zum drittgrössten Konzern Amerikas avanciert und wird mehr und mehr zum Casino.

Darauf deutet zumindest die wilde Zockerei mit Optionen hin. Gemäss «Bloomberg News» wurden am Montag im Vorfeld von Jensen Huangs Präsentation innerhalb von einer halben Stunde mehr als 24’000 Call Optionen auf Nvidia mit einem Ausübungspreis von 1940 $ und Laufzeit bis Freitag gekauft. Um damit Geld zu verdienen, müsste sich der Kurs in den nächsten drei Tagen mehr als verdoppeln – eine ziemlich sportliche Wette, nachdem Nvidia allein seit Anfang Jahr schon 80% vorgeprescht ist.

Bekannt ist, dass Nvidia inzwischen Tesla als populärste Einzelaktie im Optionenhandel von der Spitze verdrängt hat. Bezeichnenderweise wurden die betreffenden Call-Kontrakte zu Wochenbeginn in kleinen Bündeln von jeweils 900 Stück für insgesamt 24’000 $ gekauft. Das deutet daraufhin, dass es sich um Kleinanleger handeln könnte, die quasi nach dem Motto YOLO (You only live once – man lebt nur einmal) wie beim Roulette einfach etwas Geld auf eine zufällige Zahl setzen.

Aus technischer Sicht fällt zudem auf, dass der Kurs von Nvidia nach dem parabolischen Verlauf der vergangenen Monate fast 80% über dem gleitenden Durchschnitt der letzten 200 Tage notiert. «Das hat es bei einem Konzern mit einem Börsenwert von über 2 Bio. $ noch nie gegeben», sagt Marktbeobachter Larry McDonald. Der Kurs von Apple etwa sei zu den extremsten Zeiten temporär auf maximal 65% über den 200-Tages-Durchschnitt gestiegen. Selbst im Fall von Amazon seien es höchstens gut 55% gewesen. «Auf einem solchen Niveau wird die Luft enorm dünn», warnt er.

Möglicherweise gibt es momentan also bessere Strategien, um auf den Boom im Bereich künstliche Intelligenz zu setzen. Attraktive Chancen zu einem günstigen Preis ergeben sich beispielsweise mit Blick auf den wachsenden Bedarf an Energie, der mit dem massiven Ausbau von Rechenzentren für immer komplexere KI-Modelle einhergeht.

Grösser, schneller, teurer

Die Kernbotschaft von der Nvidia-Konferenz in San José ist laut und deutlich: «Wir brauchen grössere GPUs», sagte Nvidia-Chef Huang bei der Präsentation am Montag.

Das Unternehmen ist der unangefochtene Leader im Markt für sogenannte Graphic Processing Units (GPU), mit denen Modelle für generative künstliche Intelligenz anhand grosser Datenmengen kalibriert werden. Der Grundblock der neuen Chip-Serie, die nach dem amerikanischen Mathematiker und Statistiker David Blackwell benannt ist, ist rund doppelt so gross wie sein Vorgängermodell.

Von der Chipschmiede TSMC in Taiwan mit modernster 4-Nanometer-Technologie fabriziert, umfasst der neue B100-Chip von Nvidia 208 Mrd. Transistoren. Zum Vergleich: Der H100-Chip, das bisherige Hauptprodukt von Nvidia, verfügt über 80 Mrd. Transistoren. Der MI300X-Chip von Konkurrent AMD zählt 153 Mrd. Relativ zu älteren Versionen werden die neuen KI-Chips damit zwar immer leistungsfähiger, absolut betrachtet nimmt ihr Energieverbrauch jedoch laufend zu.

Das Gesamtpaket mit Nvidias neuer Blackwell-Architektur umfasst zwei GPU-Einheiten sowie einen zentralen Steuerungsprozessor (Central Processing Unit, CPU). Wie die Hardware-Fachpublikation «The Register» vorrechnet, benötigt es eine Leistung von rund 2700 Watt, wogegen die Vorgängerversion mit rund 1000 Watt auskommt. Bei maximaler Leistung muss es deshalb mit Flüssigkeit gekühlt werden, wogegen zuvor Ventilatoren reichten.

Hinzu kommt, dass die KI-Modelle immer komplexer und grösser werden. Die massive Rechenleistung, die für dieses Wettrüsten benötigt wird, führt zu einem rasanten Kapazitätsausbau bei Rechenzentren. Führend sind die Titanen des Tech-Sektors, die ihre Data Center für das Training und die Anwendung ihrer KI-Modelle nutzen. Zu diesem Zweck bieten sie ihre Infrastruktur auch anderen Unternehmen als Cloud-Dienst an.

Wie eine Auswertung mit Hilfe des Finanzdatendiensts S&P Global Market Intelligence zeigt, schätzen Analysten, dass allein Microsoft, Alphabet und Meta Platforms ihre Kapitalinvestitionen (Capex) dieses Jahr um fast 30% auf mehr als 122 Mrd. $ erhöhen und danach weiter ausbauen werden. Der mit Abstand grösste Teil davon entfällt auf Rechen- und Speicherchips sowie andere Data-Center-Investitionen.

Ähnlich sieht es bei Amazon aus, wobei in diesem Fall Investitionen in die E-Commerce-Infrastruktur ebenso eine bedeutende Rolle spielen. In der Vergangenheit hat der Konzern kommuniziert, dass rund 40% seiner Capex in die Cloud-Sparte AWS fliessen. Konservativ gerechnet dürfte es in diesem Jahr wohl etwa die Hälfte sein, was einem Anstieg von rund 26 Mrd. auf 30 Mrd. $ entsprechen würde.

Energiebedarf wächst

Mit diesem rasanten Ausbau der Rechenkapazitäten nimmt der Bedarf an Ressourcen entsprechend zu. Grundsätzlich hat der Boom im Bereich künstliche Intelligenz zwei Effekte: Erstens braucht es mehr Chips, und zweitens benötigen KI-Chips mehr Energie.

Dazu ein Beispiel: Es wird geschätzt, dass es rund 1300 Megawattstunden (MWh) Strom braucht, um ein grosses Sprachmodell wie GPT-3 von OpenAI zu trainieren. Das kommt ungefähr dem jährlichen Bedarf von 130 US-Haushalten gleich. Bei neueren Versionen wie GPT-4 oder Gemini von Google dürfte der Energieverbrauch bedeutend höher sein. Generell ist das Trainieren von Modellen, die Bilder und Videos erzeugen, energieintensiver.

Künstliche Intelligenz ist nicht der einzige Grund für den wachsenden Energieverbrauch zum Betrieb von Rechenzentren. Viel Strom wird auch für das Schürfen von Kryptowährungen benötigt, die seit einigen Monaten wieder im Trend sind. Ebenso wird die Stromnachfrage in den nächsten Jahren deutlich steigen, wenn die Flotte an Elektroautos auf den Strassen zunimmt und andere Initiativen zur CO2-Reduktion forciert werden.

Zahlen dazu hat der Unternehmensberater McKinsey in einer Studie Anfang 2023 veröffentlicht. Die Leistung grosser Rechenzentren wird in den nächsten Jahren jeweils rund 9 bis 10% zunehmen; konkret von aktuell 19’000 auf 32’000 Megawatt bis 2029. Um das in einen Kontext zu stellen: Das Schweizer Kernkraftwerk Gösgen hat eine installierte Leistung von rund 1000 Megawatt.

«Die wachsende Nachfrage nach Diensten von Rechenzentren, speziell in Bezug auf generative künstliche Intelligenz, treibt den Stromverbrauch in die Höhe», befindet auch eine Untersuchung von Boston Consulting Group. In den USA entfielen 2022 etwa 2,5% des landesweiten Elektrizitätsverbrauchs auf Data Center. Bis 2030 soll sich der Anteil auf 7,5% oder 390 Terawattstunden verdreifachen. Das entspricht ungefähr dem jährlichen Verbrauch von 40 Mio. Wohnhäusern in den USA, also fast einem Drittel des gesamten Bestands.

In den offiziellen Daten zur Entwicklung der landesweiten Elektrizitätsnachfrage lässt sich der Effekt bisher zwar noch nicht eindeutig erkennen. So hat der Stromverbrauch in den Vereinigten Staaten vergangenes Jahr im Vergleich zu 2022 sogar leicht abgenommen. Verantwortlich dafür dürften massgeblich wetterbedingte Faktoren sowie der Abschwung im industriellen Gewerbe gewesen sein.

In einzelnen Gebieten kommt es aber bereits zu Engpässen. Paradebeispiel dafür ist North Virginia, einst Hauptsitz des Internetproviders AOL und heutiges Zentrum der globalen Data-Center-Industrie. Im Sommer 2022 konnte der Versorger Dominion Energy dort neue Anlagen wegen unzureichender Kapazität nicht ans Netz anschliessen. Auch beklagen sich Anwohner über die wachsende Lärmbelastung, die in einem Data Center hauptsächlich durch die Kühlung Tausender von Rechenmaschinen verursacht wird.

Beim Bau neuer Anlagen wird deshalb vermehrt auf andere Regionen ausgewichen. Das grösste Data Center der Welt entsteht derzeit in Fayetteville, südlich von Atlanta im US-Gliedstaat Georgia. Es wird von QTS gebaut, einer Portfoliogesellschaft der Private-Equity-Firma BlackStone. Doch auch dort nehmen die Probleme aufgrund von Kapazitätsengpässen zu. Diese Woche wurde ein Gesetz verabschiedet, das Steuervergünstigungen für Rechenzentren aufheben soll.

Kampf um Effizienzgewinne

Die grossen Tech-Konzerne versuchen derweil, ihre Infrastruktur punkto Leistung, Effizienz und Kosten möglichst zu optimieren. «Angesichts der wachsenden Nachfrage nach KI-Diensten geht es darum, jeden Aspekt in unseren Rechenzentren zu überdenken», sagt Alistair Speirs, der eine leitende Funktion bei Microsofts Cloud-Sparte Azure ausübt.

Der Softwareriese aus dem Grossraum Seattle lud unlängst Wirtschaftsjournalisten aus aller Welt an seinen Hauptsitz ein, um näher über seine Strategie auf dem Gebiet künstlicher Intelligenz zu informieren. Neben dem KI-Dienst Copilot und der Partnerschaft mit OpenAi standen vor allem die neusten Entwicklungen im Bereich Hardware in Zentrum.

Unter anderem gewährte das Unternehmen einen Einblick ins Gebäude Nummer 50 auf dem weitschweifigen Firmen-Campus in Redmond. Das Forschungslabor voller Testgeräte ist normalerweise für Aussenstehende tabu, wird hier doch ein entscheidender Baustein für Microsofts Cloud-Infrastruktur entwickelt: hauseigene Computerchips.

Obschon ein Grossteil der KI-Rechendienste mittelfristig weiterhin auf Prozessoren von Nvidia basieren dürfte, unternehmen Branchenriesen wie Microsoft derzeit bedeutende Anstrengungen, um die Ausstattung ihrer Data Center zu diversifizieren. Dazu arbeitet der Konzern auch mit anderen Chip-Anbietern zusammenzuarbeiten und setzt eigens entwickelte Hardware-Komponenten ein.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung sind zwei eigens für die Azure-Infrastruktur konzipierte Prozessoren, die Ende 2023 vorgestellt worden sind: Azure Maia, ein Chip spezifisch für das Trainieren grosser und komplexer KI-Modelle, sowie Azure Cobalt, eine zentrale Steuerungseinheit, die wie die klassischen CPU-Prozessoren der Anbieter Intel und AMD verschiedenste Aufgaben übernehmen kann.

«Basierend auf der Arm-Architektur ist Azure Cobalt optimiert für Leistung, Energieeffizienz und Kosteneffizienz bei der Ausführung allgemeiner Rechenarbeiten», erklärt Chef-Designer Wes McCullough, der zuvor lange für Intel arbeitete. «Wir nutzen die Transistoren auf unseren Silizium-Produkten so gut wie möglich», sagt er weiter. «Summiert man diese Effizienzgewinne bei den Servern in all unseren Rechenzentren, ergibt sich eine beträchtliche Zahl.»

Das gleiche Ziel wird bei der Innenausstattung, Verkabelung, Stromversorgung und Kühlung der Maschinen im ganzen Data Center verfolgt. So experimentiert Microsoft auch mit eigenen Server-Gestellen und Anschlüssen. «Wir wollen dadurch ein reibungsloses Zusammenspiel der einzelnen Komponenten gewährleisten, um die Umweltbelastung zu reduzieren», sagt Pat Stemen, der im Bereich Hardware-Systeme und Infrastruktur arbeitet.

Ähnlich verhält es sich bei anderen Branchenleadern. Alphabet und Amazon entwickeln schon seit längerem eigene Chips und bieten Kunden damit eine Auswahl von Optionen bei der Nutzung ihrer Cloud-Infrastruktur an. Meta hat vergangenes Jahr ebenfalls einen eigenen KI-Chip präsentiert. Auch chinesische Internetriesen wie Alibaba, Baidu oder ByteDance versuchen mit hausgemachten Prozessoren, die Effizienz ihrer Rechenzentren und damit den Energieverbrauch zu verbessern.

Alternative Anlagemöglichkeiten

Um am Infrastrukturboom zu partizipieren, ergeben sich für Investoren und Investorinnen verschiedene Möglichkeiten. Bei den typischen KI-Wetten nimmt die Kursentwicklung allerdings einen bedeutenden Teil des erhofften Wachstums vorweg.

Für Nvidia sehen die fundamentalen Perspektiven über die nächsten Quartale zwar weiterhin ansprechend aus. Die neuen KI-Produkte werden gut laufen. Auf mittlere bis lange Sicht bleiben aber Fragen zur Nachhaltigkeit des rasanten Wachstums. Die satten Margen ermuntern die Konkurrenz und geben grossen Abnehmern wie Microsoft, Amazon, Alphabet oder Meta einen Anreiz, ihre Abhängigkeit zu verringern. Auch die Aktien des kleineren Konkurrenten AMD sind inzwischen weit vorgeprescht.

In anderen Hardware-Segmenten reflektieren die Bewertungen ebenfalls viel Fantasie. Bei KI-Darlings wie zum Beispiel dem Data-Center-Ausrüster Super Micro Computer oder dem auf Rechenzentren fokussierten Netzwerkspezialisten Arista Networks ist deshalb Vorsicht angebracht. Lässt die KI-Begeisterung an der Börse etwas nach, kann der Boden bei solchen Titeln rasch brüchig werden. Das gleiche Problem stellt sich bei Vertiv, einem Anbieter von Kühlsystemen.

Wie in dieser Analyse dargelegt, könnte das Potenzial von Intel dagegen weiterhin unterschätzt werden. Verlagert sich zum Beispiel ein Teil der Rechenleistung aus Effizienz- und Datenschutzüberlegungen weg von der Cloud vermehrt zu PC-Geräten, erhält die Turnaround-Story zusätzliche Glaubwürdigkeit. Ausgezeichnet für ein solches Szenario positioniert ist Qualcomm als führender Hersteller von Smartphone-Prozessoren.

Eine alternative Variante, das Thema künstliche Intelligenz zu spielen, eröffnet sich im Rohstoffsektor. Erste Engpässe beim Anschluss von Data Center ans Stromnetz demonstrieren, dass die Elektrizitätsinfrastruktur in den USA oft in desolatem Zustand ist. Angesichts des Energiehungers von KI-Modellen in Kombination mit anderen strukturellen Trends wie Elektromobilität könnten Unternehmen wie der Kupferförderer Freeport-McMoRan oder der Aluminiumproduzent Alcoa zu den Profiteuren von Investitionen in die Stromversorgung zählen. An der Schweizer Börse ist ABB ein vielversprechender Kandidat.

Letztlich wird sich auch die Frage stellen, mit welchen Energiequellen die steigende Nachfrage gedeckt werden kann. Erneuerbare Ressourcen wie Wind und Solar werden sicherlich einen Beitrag leisten, dürften aber bei weitem nicht ausreichen. Auffällig ist diesbezüglich, dass sich grosse Betreiber von Rechenzentren wie Microsoft und Amazon in letzter Zeit vermehrt für Kernkraft interessieren.

Gerade in den USA könnte ein Teil der Lösung zudem Erdgas heissen. Gaskraftwerke können rasch gebaut werden, stossen erheblich weniger CO2 aus als Kohlekraftwerke und sind überdies flexibel sowohl für Band- wie auch für Spitzenlast einsetzbar. US-Förderer wie Chesapeake Energy, Coterra Energy, Range Resources oder EQT sind ausgesprochen günstig bewertet.

Aufhorchen lassen in diesem Zusammenhang Äusserungen des EQT-Managements zur geplanten Akquisition des Pipeline-Betreibers Equitrans Midstream: «Die Stromerzeugung in den USA ist wirklich ein spannenderer Markt», sagte CEO Toby Rice, wobei er speziell auf den Südosten des Landes verwies. «Und dann kommt noch der Energiebedarf von KI hinzu, was noch mehr Chancen eröffnen wird.»


Deep Diving

An dieser Stelle präsentieren wir wie immer einige Links, die einen vertieften Einblick in ein aktuelles Thema geben:

  • Wir bleiben gleich beim Thema Halbleiter: TSMC, der weltgrösste Auftragsproduzent, der die neuen KI-Chips von Nvidia herstellt, diversifiziert die geografische Präsenz. Während der taiwanische Branchenriese es mit seinen neuen Fabriken im US-Bundesstaat Arizona momentan weniger pressant hat, macht er am Standort Japan rasch vorwärts. Der Tech-Videoblog «Asianometry» zeigt, welches strategische Kalkül TSMC mit Aufbau von Kapazitäten ausserhalb des Heimmarkts Taiwan verfolgt.
  • Inzwischen sind rund anderthalb Monate vergangen, seit Apple die VR/AR-Brille Vision Pro auf den Markt gebracht hat. Nach dem anfänglichen Rummel ist kaum etwas zum neuen Gerät zu hören. Wie es heisst, sollen es viele Kunden trotz der teils enthusiastischen Produktbewertungen in den Apple-Filialen retourniert haben. Was heisst das grundsätzlich für virtuelle Realität als Zukunftsmarkt? Mit dieser Frage befasst sich der Branchenkenner Benedict Evans in seinem neuen Essay.
  • Die Diagnose eines Glioblastoms – einer aggressiven, schwer zu behandelnden Krebserkrankung des Gehirns – endet für die meisten Patienten tödlich. Hoffnung gibt eine experimentelle Therapie, bei der eigene Immunzellen so umprogrammiert werden, dass sie den Tumor angreifen. Ob die Behandlung tatsächlich funktioniert, ist zwar noch ungewiss, doch wie das Onlineportal des Nachrichtensenders «CNN» berichtet, haben gleich drei klinische Studien in den vergangenen Tagen ermutigende Resultate gezeigt.

Und zum Schluss noch dies: California Forever

Kaum eine Branche brüstet sich mehr damit, die Welt mit bahnbrechenden Innovationen zu verbessern, als die Tech-Industrie. Zu diesem hehren Selbstbild passt ein kontroverses Projekt, das einige der reichsten Exponenten aus dem Silicon Valley planen: eine von Grund auf neu konzipierte Stadt ohne verstopfte Strassen, Obdachlose, Kriminalität und alle anderen Probleme, die für viele Zentren in den USA typisch sind.

Das California Forever genannte Utopia soll in Solano County, knapp 100 km nordöstlich von San Francisco, ungefähr auf halbem Weg in Richtung Sacramento entstehen. In den vergangenen Jahren hat dort eine verschwiegene Gesellschaft namens Flannery Associates für rund 900 Mio. $ sukzessive Land gekauft. Ziel ist es, eine Siedlung mit dereinst bis zu 400’000 Einwohnern aus dem Boden zu stampfen.

An Geld fehlt es den Initianten nicht. Zu ihnen zählen unter anderen der Venture-Capital-Magnat Marc Andreessen, Reid Hoffman, der Mitgründer von LinkedIn, und Laurene Powell Jobs, die Witwe von Apple-Gründer Steve Jobs. Als CEO für die Leitung verantwortlich ist Jan Sramek, ein vormaliger Trader von Goldman Sachs.

Das Konsortium von Tech-Milliardären hat vor wenigen Tagen neue Unterlagen für das idealistische Unterfangen. Als «eines der umweltfreundlichsten Wohngebiete der Welt» gepriesen, sollen in der ländlichen Gegend zunächst rund 50’000 Menschen in harmonischer Gemeinschaft mit «erschwinglichen Wohnungen», «sicheren und fussgängerfreundlichen Strassen» sowie grossangelegten Grünflächen leben.

Bis der Spatenstich überhaupt erst möglich ist, muss das Projekt diverse Hürden überwinden. In erster Linie braucht es eine Umzonung, zumal die 200 Quadratkilometer grosse Grundfläche gemäss aktuellen Auflagen nur als Agrarland genutzt werden darf. Ein weiterer Streitpunkt ist die Nähe zur Travis Air Force Base der amerikanischen Luftwaffe. Mit Widerstand drohen zudem Umweltschutzverbände und Anwohner, die Bedenken hinsichtlich des Verkehrs äussern.

Ein Schlüsselentscheid fällt voraussichtlich Anfang November, wenn über California Forever abgestimmt werden soll. Gegenwärtig werden dafür Unterschriften gesammelt. Um den Zuspruch aus der Bevölkerung zu sichern, wurden bereits grosse Versprechungen gemacht. So werden 15’000 gut bezahlte Jobs mit guter Bezahlung in den Bereichen Industrie und Technologie sowie 500 Mio. $ an Sozialleistungen wie Anzahlungen für Stipendien und Zuschüssen für Kleinfirmen «garantiert».

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