Mittwoch, Oktober 23

Im September stand das Traditionsunternehmen vor dem Aus, da es keinen Nachfolger gab. Nun kauft Roberto Martullo den Betrieb – er ist der Ehemann der SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher.

Der Schweizer Schuhhersteller Künzli ist gerettet: Der Unternehmer Roberto Martullo kauft den Traditionsbetrieb. Martullo werde Künzli per Januar 2025 übernehmen und «zunächst persönlich operativ führen», teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. Die bisherige Besitzerin Barbara Artmann werde den Übergang bis Mitte 2025 oder «so lange wie gewünscht» begleiten. Damit sei sichergestellt, dass Produktion und Bestellabwicklung fortgeführt würden, teilte Künzli weiter mit.

Die Mitarbeiter am Hauptsitz in Windisch im Aargau können damit aufatmen. Noch im September teilte das Unternehmen mit, es müsse den Betrieb auf Ende Jahr einstellen. Artmann, die 63 Jahre alt ist, war es nicht gelungen, einen Nachfolger zu finden. Den Angestellten wurde gekündigt.

Nun erhält das Unternehmen mit Roberto Martullo einen prominenten neuen Besitzer. Martullo ist der Ehemann der SVP-Nationalrätin und Unternehmerin Magdalena Martullo-Blocher und der Schwiegersohn des Alt-Bundesrats und SVP-Vordenkers Christoph Blocher.

«Eine solche Schweizer Traditionsfirma darf nicht verlorengehen», liess sich Martullo zitieren. Die Schuhe von Künzli hätten ihn schon in seiner Jugend begleitet. «Ich werde Sorge tragen, dass die Firma für Kunden, Partner und insbesondere auch die Mitarbeitenden erhalten bleibt», versprach er. Den Angestellten sei bereits angeboten worden, die Kündigungen aufzuheben. Auch die eigene Fabrik in Albanien setze die Produktion «ohne Unterbruch» fort, hiess es.

Druck durch Billiganbieter

Die Künzli Swissschuh AG hat eine lange Geschichte. Werner Künzli gründete das Unternehmen 1927. Zunächst wurden im Aargau Skischuhe hergestellt, später auch Fussball-, Eislauf- und Handballschuhe. 1955 übernahm Künzlis Sohn Kurt das Geschäft. Er entwickelte das Markenzeichen des Unternehmens: die fünf auffälligen Streifen, die sich von der Sohle zur Schnürung zogen. Durch sie wurden Künzli-Schuhe erst richtig bekannt. Auch Schwinger tragen die Schuhe aus Windisch.

Schon in den 1970er Jahren bekam Künzli den Druck des Markts zu spüren. Immer mehr Sportschuhe wurden günstig in Asien hergestellt und machten den teureren Schweizer Produkten Konkurrenz. Künzli zog sich aus dem Sportgeschäft zurück und spezialisierte sich auf orthopädische Schuhe, die vor allem bei der Behandlung von Gelenks- oder Bänderverletzungen eingesetzt werden. 2005 lancierte Künzli eine Linie mit modischen Sneakers.

Der hohe Kostendruck, eine beschleunigte Technologie und veränderte Kundenbedürfnisse zwangen Künzli bald zu weiteren Veränderungen. 2018 verlagerte das Unternehmen die Produktion der Schuhe nach Albanien und strich am Hauptsitz im Aargau sechs Stellen. In der Schweiz blieben nur noch die Bereiche Vermarktung, Vertrieb, Verwaltung und Entwicklung.

Martullo befürwortete die Abzocker-Initiative

Mit Roberto Martullo zieht bei Künzli nun ein Mitglied aus einer der einflussreichsten Schweizer Unternehmerfamilien ein. Seine Ehefrau, Magdalena Martullo-Blocher, leitet den Konzern EMS-Chemie; das Schweizer Wirtschaftsmagazin «Bilanz» schätzte das Vermögen der Familie im Januar 2023 auf 14 bis 15 Milliarden Franken.

Im Vergleich zu seiner Frau und seinem Schwiegervater steht Roberto Martullo weniger im Rampenlicht. Zwar engagiert er sich auch politisch, jedoch mit mässigem Erfolg; dreimal scheiterte er mit der Wahl in den Zürcher Kantonsrat. 2013 trat er als Präsident der SVP Meilen zurück. Der «massive Polarisierungsdruck der Medien» verhindere eine konstruktive Amtstätigkeit, hiess es.

Martullo befürwortete damals die sogenannte Abzocker-Initiative. Damit stellte er sich gegen die SVP und Christoph Blocher, die die Vorlage ablehnten. Die Abzocker-Initiative war eine Reaktion auf exorbitante Managerlöhne. Sie forderte unter anderem, dass die Aktionäre börsenkotierter Unternehmen über die Gesamtsumme der Löhne und Boni der Verwaltungsräte und Manager entscheiden können. Im März 2013 wurde die Initiative mit 67,9 Prozent angenommen – der dritthöchsten Zustimmungsrate in der Geschichte der Schweiz.

2016 erregte Roberto Martullo Aufsehen, als er bekanntgab, dass er 6,4 Millionen Franken Steuern nachzahlen müsse. Wegen der unerwarteten Einnahme zog der Gemeinderat von Meilen einen Antrag auf eine Steuererhöhung zurück.

Stärkung von Handwerk und Tradition

Der Kauf von Künzli stärkt die unternehmerische Kraft der Familie Blocher, die an grossen Industrieunternehmen beteiligt ist: Herzstück ist die Ems-Chemie, Magdalena Martullo-Blochers Bruder Markus leitet das Chemieunternehmen Dottikon ES. Zeitweise hielt die Familie eine Beteiligung an der «Basler Zeitung», die sie 2018 verkaufte.

Mit der Übernahme eines Sneaker-Herstellers liegt Roberto Martullo im Trend. Freizeitschuhe im Retro-Look, wie jene von Künzli, sind aus der Modewelt nicht mehr wegzudenken. Viele Konsumenten schätzen zudem lokal verwurzelte Unternehmen, die für Tradition und Handwerkskunst stehen. Nur dass die Künzli-Schuhe in Albanien gefertigt werden, will nicht recht dazu passen.

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