In Schottland tritt am 1. April ein Anti-Hass-Gesetz in Kraft. Die Aufregung und Verwirrung sind gross: Wird bald polizeilich verfolgt, wer Transsexuelle mit dem falschen Geschlecht anredet?

Es scheint, als habe sich die Scottish National Party (SNP) gleich selbst einen schlechten Aprilscherz beschert. Humza Yousaf, der SNP-Chef und schottische Regionalpräsident, hat ausgerechnet den 1. April gewählt, um ein überaus kontroverses neues Gesetz in Kraft zu setzen. Die Hate Crime and Public Order Act war vom Regionalparlament bereits vor drei Jahren verabschiedet worden. Doch die Inkraftsetzung hat sich wegen heikler Anwendungsfragen erheblich verzögert.

Feministinnen schlagen Alarm

In Schottland gibt es ähnlich wie in England bereits seit längerem ein Gesetz, das das Schüren von Rassenhass unter Strafe stellt. Nun wird der Geltungsbereich ausgeweitet. So macht sich neu auch strafbar, wer Drohungen oder Beleidigungen ausspricht mit der Absicht, Hass gegenüber Gesellschaftsgruppen zu schüren: Genannt werden als vor Diskriminierung geschützte Merkmale Religion, Alter, Behinderungen, sexuelle Orientierung oder eine transsexuelle Identität. Unter das Gesetz fallen nicht nur Aussagen auf Social Media und im öffentlichen Raum, sondern potenziell auch in den eigenen vier Wänden.

Yousaf betont, die Schwelle für eine Strafverfolgung sei extrem hoch. Doch die Gegner hegen Zweifel und warnen vor negativen Folgen für die Meinungsäusserungsfreiheit. Das Gesetz hält zwar fest, dass Diskussionen und Kritik erlaubt seien. Im Zusammenhang mit Religion bleibt es den Schotten gar ausdrücklich erlaubt, Antipathie, Missbilligung, Spott und Beschimpfungen zu äussern. Für die anderen geschützten Merkmale sind diese Garantien aber weniger explizit.

An vorderster Front gegen das Gesetz kämpfen gender-kritische Feministinnen, die sich mit Trans-Aktivsten in den sozialen Netzwerken erbitterte Wortgefechte liefern. Susan Smith von der Organisation For Women Scotland erklärt gegenüber «Sky News», das Gesetz sei sehr vage. Daher könne auch ein subjektiver Eindruck von Hassrede zu einer Anzeige führen. Sie spricht von Aktivisten, die bereits Listen von politischen Gegnerinnen und Gegnern führten, die sie nun juristisch verfolgen wollten.

Ein Feindbild ist etwa die schottische «Harry Potter»-Autorin J. K. Rowling. Sie liefert sich auf Social Media regelmässig verbale Scharmützel mit einer transsexuellen TV-Moderatorin, die sie dabei als Mann bezeichnet. Besorgt äussern sich aber auch strenggläubige Christen oder Muslime. Sie befürchten Konsequenzen wegen ihren konservativen Ansichten über Gender, Frauen oder Homosexualität.

Hohe Schwelle

James Chalmers, Rechtsprofessor an der University of Glasgow, hält diese Befürchtungen für stark überzogen. Gegenüber der BBC verweist er auf die bisherige Praxis im Umgang mit dem bestehenden Delikt des Schürens von Rassenhass. Zu den wenigen Verurteilungen führten dabei nicht verbale Aggressionen gegen einzelne Personen, sondern beispielsweise der Aufruf zur Gewalt oder Tötung, der eine ganze Gruppe anvisiert. Wenn jemand eine Trans-Person bewusst mit ihrem abgelegten Geschlecht anrede, könnte dies laut Chalmers daher juristisch höchstens als Puzzleteil eines Gesamtbilds mit viel weitreichenderen Aussagen ins Gewicht fallen.

Entscheidend für die gesellschaftlichen Folgen des Gesetzes auf die Meinungsäusserungsfreiheit dürfte die Praxis der Polizei sein. Offen ist, ob es zu einer Schwemme von Anzeigen kommt und ob mit einem Anruf der Polizei rechnen muss, wer auf Social Media eine Beleidigung veröffentlicht. Die schottische Polizei hat angekündigt, sie werde jeder Anzeige nachgehen. Kurz zuvor hatten die Ordnungshüter bekanntgegeben, dass sie wegen Budgetkürzungen nicht mehr die Kapazitäten hätten, alle kleineren Vergehen wie Ladendiebstählen zu verfolgen.

Die Tory-Opposition in Westminster argumentiert daher, die schottische Regionalregierung setze völlig falsche Prioritäten. Derweil bringt der Kulturkampf die SNP erneut in Rücklage. Vor einem Jahr beschleunigte eine Affäre um einen Vergewaltiger, der plötzlich angab, transsexuell zu sein, das politische Ende von Nicola Sturgeon. Die nächsten Monate werden zeigen, ob das Gesetz gegen Hassverbrechen auch ihren Nachfolger Humza Yousaf ernsthaft in die Bredouille bringt.

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