Mittwoch, Januar 8

Es gibt Menschen, die in einer fremden Stadt zuerst ins Museum gehen. Andere erkunden die Gastronomie. Und wieder andere möchten durch besondere Projekte das Lebensgefühl des Ortes erleben. Die erfolgreichsten Kulturzentren haben gelernt, alles miteinander zu verbinden.

«Pures Abenteuer», sagt Michael Amberger, sei das «Bergson», «ein Ort, an dem Hoch- auf Subkultur trifft, wo sich Opernfans und Poetry-Slammer begegnen». Doch das Kulturzentrum, das die Unternehmerbrüder Christian und Michael Amberger (Inhaber und Geschäftsführer des Münchner Familienunternehmens Allguth) im März vergangenen Jahres in einem ehemaligen Heizkraftwerk im Münchner Westen eröffneten, ist mehr als das.

Hinter den hohen Backsteinmauern des imposanten Gebäudes aus den 1920er Jahren befinden sich 20 000 Quadratmeter Fläche, ein spektakuläres, 25 Meter hohes Atrium, diverse gastronomische Einrichtungen inklusive eines Biergartens, eine 1800 Quadratmeter grosse Kunstgalerie sowie Europas intelligentester Konzertsaal.

Das «Bergson» gibt sich betont antielitär als Kulturstätte, in der sich ganz viele Menschen wohlfühlen sollen. Es gibt keine Unterscheidung zwischen Hochkultur und populären Kunstformen, keine Trennung von E- und U-Musik. Ausser für Kulturveranstaltungen und Kunstausstellungen bietet sich die Location auch für Jazzkonzerte, Techno-Partys mit bekannten DJ, feine Drei-Gänge-Menus mit musikalischer Begleitung und Kunst mit Cocktails an der Bar an.

In einem Untergeschoss befindet sich ausserdem eine 60 Quadratmeter grosse Kellerhöhle mit Pool und einem Flugtunnel als Verbindung zur Oberfläche, die von einer Mopsfledermaus bewohnt wird – das Tier nutzte das stillgelegte Heizkraftwerk als Winterquartier und ist inzwischen zum Maskottchen des «Bergson» und zum Studienobjekt für Studenten geworden.

Bis zur Eröffnung Ende 2019 war es ein langer Weg. «In den Niederlanden gibt es immer Diskussionen, wenn es um Investitionen in die Kultur geht. Zum Glück hatten wir einen hartnäckigen Stadtrat», sagt Pernille Claessen, die für die Öffentlichkeitsarbeit des Forums Groningen zuständig ist. In der Tat: Allein die polarisierende Architektur ist sehenswert und ist längst zu einer die Stadt prägenden Landmark geworden. Je nachdem, von welcher Seite man sich nähert, wirkt das zehngeschossige Gebäude mit seinen Schrägen und Spitzen wie ein schiefer Turm oder wie eine Kathedrale.

Im Inneren verbinden zickzackförmige Rolltreppen die beiden Seiten des Forums und führen vom Erdgeschoss mit Info-Counter, Tourist-Information und Café hinauf zur höchsten Dachterrasse Groningens mit atemberaubendem Cinemascope-Blick und Rooftop-Kino. Der Weg nach oben ist geprägt von Panoramafenstern, Sitzgruppen und Arbeitsplätzen für alle, die sich ausruhen, arbeiten oder die Aussicht geniessen möchten.

Weitere Highlights folgen: ein Wonderland für die kleinsten Besucher und ein Kiosk mit einer grossen Auswahl an internationalen Zeitungen und Magazinen; ein Medialab, in dem man erfahren kann, wie Filme, Animationen und visuelle Kunstwerke entstehen, und ein Smartlab, das eine Einführung in neue Technologien bietet; eine Bibliothek auf mehreren Etagen und fünf Kinos unterschiedlicher Grösse; eine weitläufige Ausstellungshalle, das lässige Camera-Café und das Restaurant NOK mit bester nordischer Küche.

Am schönsten ist der sensationelle Blick von der Aussichtsplattform mit dem rundum verglasten Café unter dem ausladenden Solardach – idealerweise kurz vor Sonnenuntergang und bei einem Glas Ouzo on the rocks. Der Blick schweift über die Grossstadt wie über ein riesiges weisses Häusermeer und das tiefe Blau der Ägäis. Doch das ist nur eines der attraktiven Details des 2016 fertiggestellten SNFCC (Stavros Niarchos Foundation Cultural Center) – des grössten Kultur- und Freizeitprojekts, das in Griechenland je realisiert wurde. Es befindet sich auf einem Gelände in Kallithea südwestlich von Athen und wurde dank einer 660-Millionen-Euro-Spende der Stavros Niarchos Foundation an den griechischen Staat realisiert.

Das Kulturzentrum umfasst die phantastische, ewig hohe Nationalbibliothek, die neue hochmoderne Griechische Nationaloper und ein Kunstmuseum – alles entworfen vom mehrfach preisgekrönten italienischen Architekten Renzo Piano. Drumherum erstreckt sich ein weitläufiger, wunderschön gestalteter mediterraner Landschaftsgarten mit Spiel- und Erholungsflächen, einem sanft ansteigenden künstlichen Hügel, der den Gebäudekomplex überdacht, und einem 400 Meter langen Meerwasserkanal.

Ganze Familien flanieren am Wasserbecken entlang, picknicken auf den Grünflächen und bestaunen die futuristischen Bauten. Das bürgernahe neue Wahrzeichen bietet das ganze Jahr über kostenlose Veranstaltungen – von Konzerten, Theatern, Filmvorführungen und Festivals bis hin zu sportlichen Wettkämpfen, Schachwettbewerben und Gärtnerkursen.

Als das imposante Gebäude am zentralen Taksim-Platz am 29. Oktober 2021, dem türkischen Nationalfeiertag, eröffnet wurde, war dies bereits die dritte Wiederauferstehung des ursprünglich 1969 fertiggestellten Kulturzentrums. Der Komplex hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich: Nur ein Jahr nach seiner Einweihung brannte das nach dem säkularen Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk benannte Opernhaus ab und wurde erst nach einem siebenjährigen Restaurierungsprozess dem Publikum wieder zugänglich gemacht.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts begann die Diskussion über eine Modernisierung oder einen möglichen Wiederaufbau, 2008 wurde die Schliessung des Gebäudes beschlossen. Durch die Gezi-Park-Proteste erlangte es symbolische Bedeutung, stand viele Jahre lang leer und wurde 2018 schliesslich abgerissen.

Der hochmoderne Neubau ist um einiges grösser als der ursprüngliche Kulturpalast, sein dominierendes Hauptgebäude, das direkt am Platz steht und wieder ein Opernhaus beherbergt, erinnert aber durch seine kubische Form und die markante, 25 Meter hohe und 50 Meter breite Glasfassade mit leiterartigen Aluminiumblenden sehr deutlich an die ursprüngliche Architektur. Das neue Atatürk-Kulturzentrum ist die grösste Kultureinrichtung in der Türkei. Neben der Oper entstanden ein Konzert- und ein Theatersaal, ein Kino, eine Bibliothek sowie eine Kunstgalerie, in der die erfolgreiche internationale Kunstmesse Contemporary Istanbul stattfindet.

Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt: Besucher haben die Wahl zwischen dem «Biz Istanbul» mit feiner türkischer Küche und Aussichtsterrasse, der Konditorei Vakko L’Atelier, der Divan-Brasserie im Foyer und diversen Cafés.

Wie so oft war die Modedesignerin Miuccia Prada ihrer Zeit voraus – bereits 1993 gründete sie zusammen mit ihrem Mann die Fondazione Prada, mit dem erklärten Ziel, nicht nur Kunst zu zeigen, sondern auch die menschliche Kultur in ihrer Vielfalt und Komplexität zu erforschen. 2015 wurde der Mailänder Standort der Stiftung eröffnet, der allein schon einen Besuch wert ist: Der Stararchitekt Rem Koolhaas verwandelte eine ehemalige Brennerei aus den 1910er Jahren im Süden der Stadt in einen architektonischen Komplex von rund 19 000 Quadratmetern, in dem alte Industriegebäude und drei neue Strukturen nebeneinander existieren – das Podium, das Kino und der Turm.

Das Ergebnis ist ein multidisziplinäres Ideenlabor, in dem Kunst- und Archäologieausstellungen, wissenschaftliche Projekte und Konferenzen, Musik- und Tanzveranstaltungen sowie pädagogische Aktivitäten stattfinden.

Der neunstöckige, 60 Meter hohe Turm aus weissem Sichtbeton beherbergt sechs Ausstellungsebenen und das Projekt Atlas mit einer Auswahl zeitgenössischer Werke internationaler Künstler aus den Jahren 1960 bis 2016. Darüber befindet sich das Ristorante Torre mit norditalienischer Gourmetküche und einem aussergewöhnlichen Blick auf die Stadt.

Zu den Höhepunkten der Fondazione Prada gehören das Le Studio d’Orphée, ein Jean-Luc Godard gewidmetes Kino, in dem Filmvorführungen sowie besondere Initiativen und Begegnungen mit Regisseuren stattfinden, und die Bar Luce, die vom amerikanischen Regisseur Wes Anderson entworfen wurde und die Ästhetik der 1950er und 1960er Jahre aufgreift, um die Atmosphäre eines typischen Mailänder Cafés jener Zeit zu schaffen. Für kleine Besucher gibt es eine Kinderakademie mit pädagogischen Workshops und für die Erwachsenen einen Studienraum, der für alle Besucher frei zugänglich ist.

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