Zum ersten Mal widmet das internationale Auktionshaus Christie’s der KI-Kunst eine eigene Versteigerung. In einem offenen Protestbrief behaupten über 6000 Kunstschaffende, KI-Kunst sei ausbeuterisch.
Christie’s widmet am 20. Februar zum ersten Mal eine ganze Auktion der KI-Kunst, also Kunstwerken, die mit digitalen Hilfsmitteln unterschiedlichster Art entstanden sind. Warum auch nicht? Auktionshäuser versteigern alles Mögliche, von Antiken und Altmeistergemälden über Dinosaurierknochen bis hin zu Memorabilien von Pop-Stars wie John Lennon oder Handtaschen berühmter Modelabels.
Wenn es nach einigen Kunstschaffenden geht, darf Christie’s aber keine KI-Kunst anbieten. Sie sind alarmiert und brachten ihre Empörung in einem offenen Brief an das internationale Auktionshaus zum Ausdruck. «Blast die KI-Kunst-Auktion von Christie’s ab», heisst es darin. Über 6000 haben ihn mittlerweile unterschrieben.
Die aufgelisteten Kunstschaffenden scheinen sich vor künstlicher Intelligenz zu fürchten. Sie werfen dem Auktionshaus vor, mit der Versteigerung solche Kunst zu fördern. Und an KI-Kunst kritisieren sie in dem kurz gehaltenen Schreiben, dass diese von Werken realer Künstler lerne und so unentgeltlich deren Werke nutze. Sie fühlten sich ausgebeutet, heisst es auch. Sehen sie schon den Tag heraufdämmern, an dem sie durch künstliche Intelligenz wegrationalisiert worden sind?
Auf die Liste der Unterzeichnenden kann man kaum Namen entdecken, die einem breiteren Publikum bekannt wären. Viele wirklich bekannte Kunstschaffende scheinen in KI-Kunst keine bedrohliche Konkurrenz zu sehen. Wahrscheinlich sind sie der Überzeugung, dass ihre Kunst nicht durch Computer und Roboter ersetzt werden könne.
KI-Pioniere
Von Ausbeutung der Kunst durch KI kann keine Rede sein. Seit je haben Kunstschaffende aus dem Pool des kollektiven Bildgedächtnisses geschöpft. Oder sollte man Picasso vorwerfen, seine Ideen von Velázquez, Rembrandt, Cézanne und bei afrikanischer Stammeskunst gestohlen zu haben? Was wäre dann von all den Epigonen zu halten, die seit Picasso malen, wie der Grossmeister der modernen Kunst es vorgemacht hat?
Einer, der sich nicht vor KI fürchtet, ist Refik Anadol. Er ist für seine Kunst international bekannt. Gerade hat er die Sammlung des Kunsthauses Zürich mit seinem Werk «Glacier Dreams» bereichert. Der 1985 in Istanbul geborene, in Los Angeles lebende Künstler gehört zu den Pionieren der KI-Kunst.
KI und Big Data sind die grossen Trends der Stunde auch in der Gegenwartskunst. Das Kunsthaus Zürich ist auf den Zug aufgesprungen und trägt mit der Aufnahme von Refik Anadols Werk «Glacier Dreams» in seine permanente Sammlung der digitalen Transformation Rechnung. Sollte man das Kunsthaus in einem offenen Brief auffordern, solche Arbeiten nicht zu zeigen, weil sie diejenigen anderer Kunstschaffender verdrängen könnten?
Innovative Köpfe
Auch das Auktionshaus Christie’s geht mit der Zeit. Und so bietet es nun in seiner Auktion unter dem Titel «Augmented Intelligence» 34 Werke an, die mithilfe künstlicher Intelligenz erschaffen wurden. Im Angebot sind «aussergewöhnliche Werke, die von einigen der innovativsten Köpfe geschaffen wurden, von den KI-Pionieren der sechziger Jahre bis hin zu zeitgenössischen Künstlern», sagt Nicole Sales Giles von der neuen Abteilung des Auktionshauses für Digitalkunst.
Zur Versteigerung kommt auch eine Arbeit von Refik Anadol. Sein Werk «Machine Hallucinations – ISS Dreams – A», ein 16-minütiges Videogemälde, das aus 1,2 Millionen Satellitenbildern von der Erde besteht, wird zu einem Schätzwert von 150 000 bis 200 000 Dollar angeboten.
Refik Anadol kritisierte den offenen Brief an Christie’s als «von dunklen Geistern getriebene Weltuntergangshysterie». Er sieht in KI keine Bedrohung, sondern vielmehr eine Chance. KI sei lediglich ein Werkzeug wie andere auch, die es benötige, um Kunst zu machen.
Kommt dabei letztlich interessante Kunst heraus, ist es eigentlich egal, ob der Pinsel nun aus Holz und Dachshaaren besteht oder eben ein digitaler Pinsel ist, der Farben malt, die nicht trocknen müssen.