Samstag, Oktober 5

Dem roten Metall wurde von Analysten ein Höhenflug vorhergesagt, doch seit Mai sinkt der Preis. Was ist beim Kupfer los?

Sprach man mit Analysten im letzten Jahr über Kupfer, kamen viele kaum mehr aus dem Schwärmen. Denn das rote Metall ist enorm leitfähig und gilt daher als vielversprechendster Baustein für die Energiewende. So ist in einem durchschnittlichen Elektroauto doppelt so viel Kupfer verbaut wie in einem Verbrennerfahrzeug.

Nachfrageboom bei knapper Produktion

Die Nachfrage nach dem roten Metall soll in den kommenden Jahren also rasant zunehmen. Aber der Ausbau der Kupferproduktion ist mühsam: Es dauert oft länger als zehn Jahre, bis eine Kupfermine in Betrieb genommen werden kann.

Da die Nachfrage steigt, die Gewinnung von mehr Kupfer aber schleppend verlaufen dürfte, zeichnet sich gemäss den Analysten ein hoher Kupferpreis ab. Noch im Mai sprach Jeff Currie, Chefstratege der Carlyle Group und Koryphäe des Rohstoffhandels, vom besten Deal, den er in seiner langjährigen Laufbahn gesehen habe.

Tatsächlich kannte der Kupferpreis seit dieser Ankündigung nur eine Richtung. Dumm nur, dass es genau die entgegengesetzte war von jener, die sich Currie und andere Analysten erhofft hatten. Seit Mitte Mai ist der Preis für eine Tonne Kupfer um knapp 16 Prozent gesunken.

Am Dienstag passten die Analysten von Goldman Sachs ihre Kupfer-Prognose für 2025 schliesslich an. Statt bei 15 000 Dollar soll der Kupferpreis im nächsten Jahr nur noch bei 10 100 Dollar zu stehen kommen. Diese Meldung hat die Anleger aufgeschreckt. Folglich verloren die Aktien des Bergbaukonzerns Anglo American und des Rohstoffriesens Glencore innert Tagesfrist über 4 Prozent an Wert.

Kurzfristig volatil

Elias Hafner, Anlagestratege bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB), führt die jüngste Preisentwicklung auf zyklische Gründe zurück. Der Industriebereich schwächle, in den USA und insbesondere in Europa. Und auch in China, einem besonders wichtigen Markt für das Kupfergeschäft, hat sich die Nachfrage aus dem Immobiliensektor abgeschwächt.

Der Preis des roten Metalls orientiert sich eng an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Verläuft diese positiv, ist die Nachfrage nach Energie höher und folglich auch nach Kupfer. Verlangsamt sich das Wirtschaftswachstum, wie es aktuell der Fall ist, kommt auch keine Kupfer-Euphorie auf.

Für Christian Lins, Partner beim Strategieberater Oliver Wyman, spielt auch der Stimmungsumschwung bei der Elektromobilität eine Rolle: «Auf dem Kupfermarkt gibt es grosse Verunsicherung, weil sich die Mobilitätswende jüngst verlangsamt hat.»

Der langfristige Ausblick bleibt vielversprechend

Gleichzeitig betonen beide Experten, dass sich an der langfristigen Markterwartung nichts verändert habe. Die Energiewende schreitet voran, und Kupfer dürfte ein zentraler Baustein davon sein. «Der Preisaufschwung wurde nicht abgesagt, sondern nach hinten verschoben», sagt Elias Hafner.

Kurzfristig bleibe die Lage der Industrie zwar angespannt. Sinken jedoch bald die Zinsen, könnte das laut Hafner die Kupfernachfrage wieder ankurbeln und einen Stimmungswechsel auslösen. Dafür dürften sich die Handelsbeziehungen der Vereinigten Staaten mit China aber nicht massiv verschlechtern, was angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahl ein Unsicherheitsfaktor ist.

Ein weiteres Risiko für die Bedeutung von Kupfer ist der technologische Fortschritt. Künftige Elektrofahrzeuge brauchen dank Innovationen womöglich weniger Kupfer als die heutigen. Doch Hafner weist auf die diversifizierte Nachfrage nach dem Industriemetall hin, was einen gewissen Schutz bietet: «Kupfer steckt in sehr vielen Anwendungen, gerade auch im Bereich der Stromübertragung.»

Christian Lins ist sogar der Ansicht, dass die Anleger einen besonderen Anwendungsbereich von Kupfer unterschätzen: «Alle sprechen immer von der Elektromobilität, doch entscheidend für den Kupferhandel ist auch der Boom der künstlichen Intelligenz.» Weltweit werden zahlreiche neue Datenzentren für die rechenintensiven KI-Lösungen gebaut. Diese wiederum sollen mit sauberem Strom versorgt werden, was laut Lins ohne Unmengen an Kupfer kaum gelingen könne.

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