Samstag, Oktober 5

Österreich verharrt laut jüngsten Schätzungen auch 2024 in der Rezession, und das Budgetdefizit ist höher als erwartet. Dass diese Nachrichten so kurz nach der Wahl kommen, birgt politischen Zündstoff.

Österreichs Wirtschaftslage ist noch schlechter als angenommen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) sowie das Institut für Höhere Studien (IHS) korrigierten am Freitag ihre Schätzungen vom Sommer nach unten und rechnen nun für das laufende Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,6 Prozent. Weil die Wirtschaft bereits im vergangenen Jahr um 1 Prozent geschrumpft war, handelt es sich um die längste Rezession der Nachkriegszeit, wie der Wifo-Chef Gabriel Felbermayr erklärte.

Auch für das kommende Jahr erwarten die Institute eine schwache Konjunktur mit einem Plus von nur noch 1 Prozent (Wifo) oder sogar leicht darunter (IHS). Auch diese Prognosen fallen schlechter aus als noch im Sommer. Felbermayr begründete dies unter anderem mit der anhaltenden Krise der Industrie und fallenden Warenexporten, die 3,5 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres liegen. Sowohl Wifo wie IHS erwarten deshalb auch eine höhere Arbeitslosigkeit von 7 Prozent.

Österreich droht ein schleichender Abstieg

Preisbereinigt steigen die Haushaltseinkommen wegen der Lohnsteigerungen bei nachlassender Inflation zwar deutlich. Aber das wirkt sich erstaunlich wenig auf den Konsum aus, der laut Felbermayr viel zu wenig wächst, um die schwachen Investitionen auszugleichen. Stattdessen sparen die Menschen das Geld, was der Ökonom zum einen mit dem Inflationsschock erklärt, der der Bevölkerung immer noch in den Knochen stecke. Zum anderen bewerte die Bevölkerung die ökonomische Lage als nicht nachhaltig. Es komme zu «Vorsichtssparen» wegen fehlender Zuversicht.

In Europa falle Österreich damit zurück, sagte der IHS-Chef Holger Bonin mit Verweis auf die letzten sechs Quartale mit bekannten Daten. Das Land halte die rote «Konjunkturlaterne». Wenn das so weitergehe, drohe Österreich ein schleichender Abstieg im Vergleich zu den anderen europäischen Volkswirtschaften. Als weitere Ursachen nannte Bonin die Probleme des wichtigsten Handelspartners Deutschland, die Verteuerung der Energie und die im Vergleich zum Euro-Raum stark gestiegenen Löhne, die zulasten der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie gehen.

Die düsteren Prognosen kommen zu einem heiklen Zeitpunkt: Österreich hat am vergangenen Wochenende gewählt und der rechtspopulistischen FPÖ einen grossen Sieg beschert. Derzeit finden erste Gespräche im Hinblick auf eine voraussichtlich äusserst schwierige Koalitionsbildung statt. Der Handlungsspielraum für die künftige Regierung wird dabei vom hohen Budgetdefizit eingeschränkt: Am Donnerstag und damit just vier Tage nach der Wahl erhöhte das Finanzministerium die Defizitprognose für das Budget des laufenden Jahres auf 3,3 Prozent des BIP, es liegt damit deutlich über der Maastricht-Grenze. Wifo und IHS schätzen es sogar noch etwas höher.

Das ist insofern brisant, als der dafür zuständige Fiskalrat schon vor Monaten erklärte, Österreichs Defizit werde die europäischen Konvergenzkriterien verfehlen. Die Regierung wies das allerdings zurück. Bundeskanzler Karl Nehammer von der konservativen ÖVP erklärte im Wahlkampf entgegen allen Expertenmeinungen, das Land brauche kein Sparpaket. Allein um die EU-Regeln einzuhalten, wird Wien aber im kommenden Jahr rund 3 Milliarden Euro einsparen müssen.

Entsprechend empört waren die Reaktionen der Oppositionsparteien auf die jüngsten Hiobsbotschaften. Die Regierung hinterlasse einen Scherbenhaufen, klagte etwa die FPÖ. Die liberale Partei Neos warf ihr sogar vor, die Bevölkerung aus wahltaktischen Gründen belogen zu haben.

In wirtschaftspolitischen Fragen hätten die Wahlsiegerin FPÖ und die ÖVP weitgehende Überschneidungen, die Konservativen schliessen aber eine Zusammenarbeit mit dem FPÖ-Chef Herbert Kickl aus. Wahrscheinlicher ist deshalb eine Koalition der ÖVP mit den Sozialdemokraten – möglicherweise erweitert um Neos. Während die ÖVP hofft, über eine Ankurbelung des Wachstums das Defizit zu verringern, will die SPÖ Reiche höher besteuern. Wie sich die Parteien auf eine echte Reformagenda einigen wollen, ist derzeit fraglich.

Ein Sparpaket könnte die Konjunktur abwürgen

Eine solche ist aber für die beiden Wirtschaftsforschungsinstitute zwingend. Es bestehe kein Spielraum für teure Kompromisslösungen, erklärte der IHS-Chef Bonin. Bei einem hastigen Konjunkturpaket drohten die Mittel zu verpuffen. Wie Felbermayr warnte er davor, mit einem harten Sparpaket den Konjunkturmotor abzuwürgen. Mittelfristig seien aber ausgabenseitige Massnahmen nötig, wobei beide Ökonomen unter anderem das Pensionssystem nannten und vorschlugen, den zum Ausgleich der CO2-Steuer geschaffenen Klimabonus wieder abzuschaffen.

Kurzfristig seien aber wohl auch Steuererhöhungen nötig, erklärte der Wifo-Chef und nannte als sinnvolle Beispiele etwa die Anhebung der seit Jahren nicht an die Inflation angepassten Mineralölsteuer oder der Grundstücksteuer. Das wäre eine Form der Vermögensbesteuerung, die nicht durch Wegzug umgangen werden kann – und allenfalls eine Möglichkeit in den Koalitionsverhandlungen, um der SPÖ einen Erfolg zum Preis von anderweitigen Konzessionen zu gönnen.

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