Samstag, Oktober 5

Weil sie bei einer Kreditvergabe und der Zeichnung von Schuldverschreibungen zumindest fahrlässig handelten, sollen drei Ex-Manager des Finanzkonzerns Wirecard dem Insolvenzverwalter Schadenersatz leisten. Ob je Geld fliessen wird, steht in den Sternen.

Seit Dezember 2022 läuft in München der Strafprozess gegen Markus Braun, den ehemaligen Konzernchef und Grossaktionär des 2020 kollabierten deutschen Finanzkonzerns Wirecard, und weitere Beschuldigte. Ein Ende ist noch immer nicht abzusehen. In einem separaten zivilrechtlichen Verfahren hat nun aber das Landgericht München I ein Urteil gefällt: Dessen auf aktienrechtliche Fragen spezialisierte Kammer verurteilte Braun sowie die damaligen Finanz-und Produktvorstände zur Zahlung von 140 Millionen Euro Schadenersatz zuzüglich Zinsen. Die drei Vorstandsmitglieder würden als Gesamtschuldner haften, hielt die Kammer fest.

Insolvenzverwalter klagt

Das Landgericht hat damit in einem sogenannten Organhaftungsverfahren einer Zivilklage des Insolvenzverwalters Michael Jaffé stattgegeben. Jaffé will damit Geld für die Gläubiger des Konzerns sichern, der einst als Börsenstar galt und bei seiner Insolvenz Schulden in Milliardenhöhe hinterliess. Der Fall gilt als einer der grössten Wirtschaftsskandale der deutschen Geschichte.

In Jaffés Klage ging es um einen Kredit und die Zeichnung von Schuldverschreibungen, über die in der Spätphase von Wirecard insgesamt 200 Millionen Euro an einen dubiosen Geschäftspartner, eine Firma namens Ocap, in Singapur geflossen sind. Hiervon erhielt Wirecard nur 60 Millionen Euro zurück.

Das Gericht bejahte «eine jedenfalls fahrlässige begangene Pflichtverletzung» der drei Manager bei der Gewährung des Darlehens. Eine ungesicherte Kreditvergabe an einen finanzschwachen Vertragspartner sei ein unvertretbares Risiko und verstosse gegen die Sorgfaltspflicht. Im Zusammenhang mit der Zeichnung der Schuldverschreibungen nahm die Kammer «eine fahrlässig begangene Pflichtverletzung» an, weil die Vorstandsmitglieder im Vorfeld entgegen anwaltlichem Rat eine gründliche finanzielle Prüfung unterlassen hätten. Die Beklagten hingegen machten geltend, ihre Pflichten nicht oder zumindest nicht schuldhaft verletzt zu haben.

Abgewiesen hat das Gericht hingegen eine Klage, die Jaffé in derselben Sache auch gegen den damaligen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Stefan Klestil eingereicht hatte. Zwar bejahte es bei ihm eine Verletzung der Überwachungspflichten. Aber es verwies darauf, dass sich der Wirecard-Vorstand schon zuvor über Vorgaben des Aufsichtsrats hinweggesetzt habe und es nicht sicher sei, ob Massnahmen von Klestil den Schaden verhindert hätten.

Noch nicht rechtskräftig

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Beobachter erwarten, dass es Berufungen geben wird. Ob und wie viel Geld Jaffé je eintreiben und an die Gläubiger verteilen kann, bleibt aber auch fraglich, wenn das Urteil bestätigt wird. Zwar haften die Manager mit ihrem Privatvermögen, doch ist unklar, wie viel davon noch zur Verfügung steht. Manager-Haftpflichtversicherungen wiederum, wie sie auch Wirecard abgeschlossen hat, zahlen in der Regel bei Vorsatz oder Straftaten nicht. Weitere Rechtsstreitigkeiten könnten somit folgen.

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