Freitag, April 25

Im sechsten Duell der Play-off-Finalserie führt Lausanne zwischenzeitlich 5:0. Für das Entscheidungsspiel vom Dienstag ist die Ausgangslage klar: Der ZSC muss, Lausanne darf Meister werden.

Bei Heimspielen des Lausanne HC erklingt seit Jahrzehnten am Ende jeder Drittelspause ein 90er-Hit der amerikanischen Punkband The Offspring, die Tradition überlebte auch die Umsiedlung von der Malley in die Vaudvoise Aréna vor fünf Jahren. Die Kalifornier singen darin:

Chances thrown
Nothing’s free
Longing for, used to be
Still it’s hard, hard to see
Fragile lives
Shattered dreams (go!)

Der Song handelt davon, wie es ist, in einer Kleinstadt aufzuwachsen, von den Sorgen des Lebens. Aber für die ZSC Lions könnten die Passagen ein düsteres Fanal sein: Vergebene Chancen, geplatzte Träume? Das würde die Zürcher Gefühlswelt vermutlich recht treffend zusammenfassen, sollte dem ZSC der Meistertitel am Ende dieser bisher so überzeugenden Saison noch entgleiten.

In Zürich waren beim Public Viewing 8500 Zuschauer parat für die Meisterfeier – und wurden bitter enttäuscht

Nach den Geschehnissen vom Samstagabend ist das ein realistisches Szenario. Die Zürcher waren mit grossen Hoffnungen nach Lausanne gereist, und die Liga hatte vorsorglich bereits ihre Weisungen für eine mögliche Pokalübergabe verschickt. Doch der ZSC unterlag 3:5, was sich weniger dramatisch anhört als es war. Die Gäste lieferten ein Debakel von einem Auftritt und konnten ihn erst im letzten Abschnitt etwas freundlicher schattieren. 175 Kilometer entfernt, beim Public Viewing in der Zürcher Swiss-Life-Arena trauten 8500 Zuschauer ihren Augen kaum.

What the hell is going on?
The cruelest dream, reality

Man konnte sich das tatsächlich fragen, aus Zürcher Optik: Was zur Hölle eigentlich los ist und wie man aus dem Albtraum namens Realität aufwachen kann. 0:5 lag der ZSC nach 39 Minuten zurück. Die ganze Saison über hatte er nie mit mehr als drei Toren Unterschied verloren, 65 Spiele lang. Der Trainer Marc Crawford hatte nach schon nach 35 Minuten genug gesehen und wechselte seinen Torhüter Simon Hrubec aus. Erst danach erwachte sein Kollektiv und antwortete mit drei Treffern. Dem Lausanner Coach Geoff Ward war die Sache irgendwann nicht mehr geheuer. versuchte, den Elan des ZSC mit einem Time-Out zu brechen. Letztlich brachte sein Team den Vorsprung ohne zu brillieren über die Zeit.

Der ZSC war unter erschwerten Bedingungen in diese Partie gestiegen, er musste auf die am Donnerstag verletzt ausgeschiedenen Leistungsträger Yannick Weber und Rudolfs Balcers verzichten. Trotzdem war nicht abzusehen, dass der ZSC dem entfesselten Gegner so lange so wenig würde entgegensetzen können. Im Mitteldrittel wurde der Gast fast überfahren.

Die Frage ist, wie sehr dieser zunächst ziemlich katastrophale Auftritt das Selbstvertrauen der Mannschaft beschädigt hat. Und wie schnell es Crawford gelingt, das Team wieder aufzurichten. Drei Tage hat der ZSC Zeit, am Dienstag geht es in der Swiss-Life-Arena in der Belle um alles. Es ist eine Premiere, dass der ZSC ein Spiel 7 in einer Finalserie zu Hause bestreitet: 2001 und 2018 siegten die Zürcher in Lugano, 2012 in Bern. Und 2022 unterlagen sie in Zug.

Von der Meistermannschaft von 2018 sind nur noch fünf Spieler übrig, darunter der Angreifer Chris Baltisberger. Baltisberger, 32, rückte anstelle von Balcers in die Paradelinie mit Denis Malgin und Sven Andrighetto. Er erzielte den ersten Zürcher Treffer und wollte den Abend danach so gewertet wissen, dass man auf dem letzten Abschnitt aufbauen könne. Er sagte auch: «Für das Schweizer Eishockey ist es doch grossartig, dass es zu einem siebten Spiel kommt.»

Für die neutralen Zuschauer und die Branche als Ganzes ist das sicherlich zutreffend. Der Zwischenstand von 3:3 ist auch leistungsgerecht in dieser unterhaltsamen Serie, in der bisher erstaunlich viele Treffer gefallen sind. Und stets das Heimteam gewonnen hat.

Der Lausanne HC existiert seit 1922 – und wartet noch immer auf seinen ersten Titel

Im ZSC aber hätten sie auf diesen Nervenkitzel bestimmt verzichten können. Für die Organisation steht am Dienstag viel auf dem Spiel, denn eigentlich sind die Rollen klar verteilt: Der ZSC muss, Lausanne darf Meister werden. Die Zürcher starteten im September als Titelfavorit, für Lausanne ging es darum, den schmählichen Sturz auf Platz 11 aus der Saison 2022/23 vergessen zu machen. Längst hat dieses Team alle Erwartungen übertroffen. Es wirkt als würde die Equipe davon getragen, dass der Ballast der düsteren letzten Jahre abgeworfen werden konnte; mehrere Spieler befinden sich in der Form ihres Lebens, darunter der Nationalstürmer Damien Riat, der am Samstag zwei Treffer erzielte.

Bisher hat sich der ZSC in dieser Saison jedem Problem entledigen können, die Mannschaft fand stets eine Antwort zum opportunen Zeitpunkt. Am Dienstag wartet der ultimative Test. Vielleicht kann der ZSC Zuversicht daraus ziehen, dass es bereits 2022 und 2023 eine Belle gab. Und dabei stets das Heimteam gewann. Oder aus dem Umstand, dass der Stadion-DJ in der Swiss-Life-Arena The Offspring nicht im Sortiment führt. Es ist so etwas wie die inoffizielle Hymne des Lausanne HC. Einem Klub, der in seinem mehr als 100-jährigen Bestehen noch nie etwas gewonnen hat.

Lausanne – ZSC Lions 5:3 (1:0, 4:1, 0:2). 9600 Zuschauer. – SR Lemelin (USA)/Hebeisen, Fuchs/Obwegeser. – Tore: 5. Suomela (Powerplaytor) 1:0. 27. Riat (Fuchs) 2:0. 33. Almond (Holdener) 3:0. 35. Fuchs (Kovacs, Riat) 4:0. 39. (38:59) Riat (Kovacs) 5:0. 40. (39:38) Chris Baltisberger (Schäppi) 5:1. 43. Kukan (Andrighetto) 5:2. 49. Malgin (Grant/Powerplaytor) 5:3. – Strafen: 3mal 2 Minuten gegen Lausanne, 1mal 2 Minuten gegen ZSC Lions. – PostFinance-Topskorer: Pilut; Andrighetto.

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