Sonntag, Oktober 6

Mit dem Beitritt markiert Le Pen einen Führungsanspruch unter den europäischen Rechtsaussenparteien.

Einen Tag nach dem verpassten Wahltriumph hat sich Marine Le Pens Rassemblement national am Montag Viktor Orbans «Patrioten für Europa» angeschlossen. Die Mitgliederzahl der Ende Juni gegründeten Fraktion im Europaparlament steigt damit um 30 Abgeordnete auf 84. Damit werden die «Patrioten» drittstärkste Parteigruppe im Parlament, nach der EVP und den Sozialdemokraten.

Über den Schritt war seit Tagen spekuliert worden. Le Pen gab ihn erst nach dem französischen Urnengang vom Sonntag bekannt. Mögliche Wähler sollten durch das Zusammengehen mit Orban nicht abgeschreckt werden. Nun besteht kein Grund mehr zur Zurückhaltung. Orban und Le Pen verstehen sich gut. Der Ungar hatte der Französin vor zwei Jahren zu einem 11-Millionen-Euro-Kredit einer ungarischen Bank verholfen, mit dem sie Kampagnen finanzierte.

Jordan Bardella, Präsident des Rassemblement national, Europaparlamentarier und Chef der neuen Gruppe, hatte noch am Sonntagabend angekündigt, seine Partei werde nicht nur in Frankreich, sondern auch in der EU die Gleichgewichte der Macht verschieben. Und zwar mit dem entschlossenen Kampf gegen «Migrantenschwemme, grüne Strafaktionen und die Abschaffung der nationalen Souveränität durch Brüssel».

Gegen Globalisierer und Zentralisten

Das passt gut zu dem Programm der neuen Rechtsaussenfraktion. Orban hatte es Ende Juni in Wien zusammen mit dem österreichischen FPÖ-Obmann Herbert Kickl und Andrej Babis, dem Chef der tschechischen ANO-Partei, vorgestellt. Es trägt den Titel «Ein patriotisches Manifest für eine europäische Zukunft».

Europa, heisst es in dem kurzen Text, stehe am Scheideweg. Denn die EU, ursprünglich eine formidable Idee, habe sich gegen die Europäer und ihre Nationen gewandt. Globalisierer, nicht gewählte Bürokraten und Lobbyisten seien im Begriff, einen europäischen Zentralstaat zu schaffen. Der Kampf werde nicht mehr zwischen links und rechts geführt, sondern zwischen den Vertretern des Superstaates und patriotischen Souveränisten.

Die Legitimation europäischer Institutionen entspringe einzig dem Nationalstaat, heisst es weiter. Die europäische Identität, «die Frucht des griechisch-römischen und jüdisch-christlichen Erbes», müsse geschützt werden. Das geschehe auch durch den Stopp der illegalen Migration, «wie ihn die grosse Mehrheit der Europäer verlangt».

Um im Europäischen Parlament eine Fraktion zu bilden, müssen mindestens 23 Abgeordnete aus wenigstens 7 Ländern zusammenfinden. Dieses Ziel haben die «Patrioten» mit 13 Parteien längst erreicht. Neben den ungarischen, österreichischen und tschechischen Gründerparteien stossen die italienische Lega und die islamfeindliche PVV aus den Niederlanden hinzu.

Aus Belgien kommen die flämischen Nationalisten, aus Dänemark die Volkspartei sowie aus Spanien und Portugal die rechtsextremen Chega und Vox. Viele dieser Parteien kommen aus der Fraktion «Identität und Demokratie», die nun ausblutet. Orbans zuvor fraktionsloser Fidesz hat jetzt eine Heimat. Doch die Macht wird er sich teilen müssen.

Appeasement gegenüber Russland

Denn mit dem Beitritt des Rassemblement national erhebt Le Pen Anspruch auf eine führende Rolle unter den extremen Rechten im Europäischen Parlament. Inhaltlich wird es um die Blockade jeder weiteren Vergemeinschaftung von Politik in der EU gehen. Das, wenn nicht der Rückbau der Union, ist der ideologische Kern der Souveränisten. Hinzu kommt natürlich das omnipräsente Thema der Immigration, das mit allen möglichen Sachfragen gekoppelt wird: von der Infrastruktur über die Bildung bis zur inneren Sicherheit.

Und schliesslich dürfte es auch einen Konsens geben, was die Politik gegenüber Russland und der Ukraine betrifft. Da geben sich die «Patrioten» als «Partei des Friedens» und drängen auf ein schnelles Kriegsende. Marine Le Pen hatte vor dem zweiten Wahlgang gesagt, die Ukraine müsse daran gehindert werden, mit französischen Langstreckenwaffen Ziele in Russland anzugreifen.

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