Mittwoch, März 26

Die autorisierte Dokumentation «Becoming Led Zeppelin» wirft einen freundlichen Blick auf die Vor- und Frühgeschichte der Hardrock-Legende. Dabei wird alles Problematische ausgeklammert

Robert Plant zu überzeugen, war gewiss keine leichte Sache. Der Sänger hat vom musikalischen Direktor und Gitarristen Jimmy Page zu Beginn von Led Zeppelin so viel einstecken müssen, dass er ihm das seither gerne heimzahlt. Versuche einer Band-Reunion weist er regelmässig zurück. Dass ihm der Regisseur Bernard MacMahon und die Produzentin Allison McGourty ihr Filmprojekt «Becoming Led Zeppelin» schmackhaft machen konnten, spricht einerseits für ihre Hartnäckigkeit. Andrerseits hat es Plant offenbar gereizt, den diversen Mythen über Led Zeppelin seine eigene Erzählung entgegenzusetzen.

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Die Dok-Filmer MacMahon und McGourty haben ihn wohl auch mit ihrer akribisch recherchierten und preisgekrönten Serie «American Epic» über die ruralen Wurzeln der amerikanischen Pop-Musik beeindrucken können. Der detektivische Spürsinn, den sie damals bewiesen, sollte sich nun auch in Sachen Led Zeppelin bewähren.

Denn der Band-Manager Peter Grant hatte stets ein strenges Regiment geführt. Er erlaubte nur selten Fotos und schon gar keine Filmaufnahmen hinter der Bühne –wohl weil das Risiko kompromittierenden Materials bei Led Zeppelin viel zu hoch war.

Ein anrührender Moment

Immerhin, drei Musiker haben den über zehnjährigen Rock’n’Roll-Exzess gesundheitlich gut weggesteckt: Plant, Page und der Bassist John Paul Jones konnte man für das neue Filmprojekt vor die Kamera bitten. John Bonham leider nicht mehr. Der Schlagzeuger war zu Lebzeiten so pressescheu, dass nun keine O-Töne mehr aufzutreiben zu sein schienen. Schliesslich fand sich aber doch noch ein bisher ungehörtes 90-minütiges Interview aus den Siebzigern.

Und so können die ergrauten Musiker in «Becoming Led Zeppelin» versonnen lächelnd den Ausführungen ihres ewig jung gebliebenen Freundes lauschen, der voller Enthusiasmus und grosser Sympathie für seine Bandkollegen das Glück beschreibt, ein Teil von Led Zeppelin zu sein. Das ist ein anrührender Moment in diesem Film. «Becoming Led Zeppelin» beginnt mit Reminiszenzen an Kinderjahre und Jugend, an frühe musikalische Vorbilder wie Lonnie Donegan, Little Richard, James Brown und Gene Krupa. Und brav erzählen die Musiker, wie sie ihr Instrument gefunden haben.

Mehr Schwung entwickelt der Film aber erst in der Schilderung von Jimmy Pages Wechsel von Pop-Songs, die er im Studio produzierte (etwa Shirley Basseys «Goldfinger»), zum Garagenrock, den er als Mitglied der Yardbirds spielte. Damals war die Band allerdings bereits in Auflösung begriffen. Page liebt die Live-Shows und sucht hektisch nach Leuten für geplante Gigs in Skandinavien. Ein früher Konzertmitschnitt aus Dänemark zeigt, dass die Band in neuer Besetzung kaum mehr etwas mit den Yardbirds zu tun hat. Die Musiker sehen nicht nur wilder aus, sie klingen auch so.

Becoming Led Zeppelin - Trailer Deutsch | Kinostart: 18. März 2025

MacMahon und McGourty vermitteln einen guten Eindruck davon, wie Led Zeppelin – so wird sich die Formation bald nennen – auf das zeitgenössische Publikum gewirkt haben. Sie sind böse, gefährlich und unberechenbar. Dieses Image bringen sie eins zu eins auf die Bühne.

Der praktizierende Okkultist Jimmy Page gibt mit schiefem Grinsen den Zeremonienmeister. Seine theatralische Gestik erinnert mal an den Dirigenten eines Orchesters, mal an einen heidnischen Magier. Und wenn er mit dem Geigenbogen, dem Insigne des Teufelsvirtuosen, bei der rituellen Messe «Dazed and Confused» diabolisch schöne Obertöne aus seiner Fender Telecaster heraussägt, ist allen klar, dass der Mann in der schwarzen Lederjacke nicht in den Himmel kommt.

Mit dem blonden Engelshaar und dem sexualisierten Bühnenhabitus verkörpert Robert Plant das totale Kontrastprogramm – das Versprechen nämlich, dass man hienieden auch eine Menge Spass haben kann. Und das verfängt sofort. Bei einem Live-Besuch der Radio-Show von Wolfman Jack dürfen Fans anrufen, um mit der Band ein paar Worte zu wechseln. Es sind vor allem Frauen, die Robert Plant anhimmeln.

Alles geht rasend schnell. Im Herbst 1968, zwei Wochen nach der Skandinavien-Tour, nimmt die Band in den Londoner Olympic Studios bereits ihr Debüt auf. Sie hat ein paar harte neue Songs wie «Good Times Bad Times» oder «Communication Breakdown» in petto. Das restliche Material besteht aus überarbeiteten, auf die eigenen exaltierten Bedürfnisse zugeschnittenen Blues- und Folk-Standards.

Grant und Page fliegen mit dem fertigen Album im November in die USA, um bei den dortigen Labels vorstellig zu werden. Jerry Wexler, Chef von Atlantic, will Led Zeppelin unbedingt unter Vertrag nehmen und zahlt, ohne die Band je live gehört zu haben, einen Vorschuss von 110 000 Dollar für die weltweiten Vermarktungsrechte am Debütalbum.

Eine filmische Hagiografie

Auf der anschliessenden Tour mit Vanilla Fudge oder Taj Mahal und Country Joe & The Fish erobert Led Zeppelin die USA zum ersten Mal. Die Briten sind als Support gebucht, entpuppen sich aber schnell als die eigentliche Attraktion. Ihre exaltierten Live-Shows sind der Schlüssel ihres Erfolgs – ebenso wie die grosszügig belieferten unabhängigen FM-Radios, die nicht nur Singles spielen, sondern ganze Album-Seiten. Im Januar 1969 erschienen, erreicht ihr Debüt bereits im Mai 1969 Goldstatus mit 500 000 verkauften Exemplaren. «Was kann danach noch kommen», sagt Robert Plant verschmitzt in die Kamera.

«Becoming Led Zeppelin» macht nicht den Fehler vieler Musikdokumentationen, die sich in kleinteiligen Sound-Schnipseln verlieren. Es werden nur wenige Songs gespielt, aber diese in voller Länge. Was hingegen fehlt, ist die kritische Distanz. Die drei überlebenden Musiker – und Bonham aus dem Off – sind die Einzigen, die zu Wort kommen. Zeitzeugen, Kritiker und befreundete Kollegen bleiben aussen vor.

Die Musiker erzählen ihre Sicht der Dinge, sympathisch, humorvoll, wie Gentlemen. Aber auch bemüht, keinen einzigen Misston stehen zu lassen. Das steht im Kontrast zu ihren krachend brachialen Auftritten. «Becoming Led Zeppelin» erweist sich insofern als filmische Hagiografie, die den ganzen Wahnsinn des Starrummels, die mafiöse Skrupellosigkeit ihres Managers Grant, die mindestens unappetitlichen, bisweilen auch justiziablen Exzesse der Musiker und ihren schon damals kaum erträglichen Sexismus unter den Teppich kehrt.

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