Freitag, Januar 3

Wenn Short-Seller ein Unternehmen ins Visier nehmen, kann das ein Warnsignal sein. The Market zeigt monatlich, wo Leerverkäufer an der deutschen Börse auf Kursverluste wetten.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Seit Mai 2023 ist das Volumen an Short-Positionen am deutschen Aktienmarkt kontinuierlich gesunken – bis vor kurzem: Zum Stand per Anfang März haben sich Wetten gegen deutsche Aktien das erste Mal wieder erhöht. In den letzten vier Wochen ist das Short-Volumen um knapp 2 Mrd. $ auf insgesamt 18,4 Mrd. $ gestiegen. Das zeigen Zahlen des US-Datenanbieters S3 Partners, die The Market vorliegen.

Nachdem die Rally an der deutschen Börse die Leerverkäufer in den letzten Monaten mutmasslich zum (Teil-)Rückzug veranlasste hatte, scheinen ihnen die jüngsten Kursrekorde offenbar zunehmend suspekt. Sowohl der Dax als auch der breite HDax, der die Werte aller 110 Unternehmen aus den Indizes Dax, MDax und TecDax zusammenfasst, kennen momentan nur eine Richtung: nach oben. Im Februar wurde ein neues Allzeithoch erreicht, und seither hat sich der Aufwärtstrend sogar noch beschleunigt.

Gut möglich also, dass in den Augen einiger Marktteilnehmer die Luft für den einen oder anderen Titel mittlerweile dünn geworden ist. Das könnte entsprechend die Leerverkäufer zurück auf den Plan gebracht haben.

Short-Seller leihen sich Aktien, verkaufen sie am Markt und hoffen, sie später günstiger zurückkaufen zu können, um sie dann dem Eigentümer zurückzugeben. Geht die Wette auf, streichen sie die Differenz aus dem Verkaufs- und dem Rückkaufspreis als Gewinn ein. The Market beleuchtet regelmässig, gegen welche deutschen Aktien die grössten Short-Wetten laufen (die grössten Short-Positionen unter den Schweizer Aktien finden Sie hier).

Sartorius

In den Top Ten der am meisten leerverkauften Aktien im Dax haben die Wetten gegen den «Dauerspitzenreiter» Sartorius weiter abgenommen – der Anteil leerverkaufter Aktien hat sich von 15,5% auf 13% reduziert. Ende Januar überraschte der Laborausrüster mit positiven Aussagen zu den Geschäftsaussichten. So will er 2024 zu profitablem Wachstum zurückkehren. Der Umsatz soll währungsbereinigt im mittleren bis oberen einstelligen Prozentbereich steigen, die Ebitda-Marge soll sich auf 30% verbessern – bis 2028 wird eine Marge von 34% angestrebt.

Diese positiven Nachrichten gaben der Aktie in den letzten Wochen Auftrieb – zuvor hatten die Valoren seit dem Hoch von Ende 2021 allerdings praktisch durchgehend Verluste verzeichnet. Der Laborausrüster litt 2022 und 2023 unter den hohen Lagerbeständen seiner Kunden, die während des Covid-Booms zu viel Equipment eingekauft hatten. Jetzt könnte sich eine Wende abzeichnen. Auch The Market sieht in Sartorius langfristig einen interessanten Contrarian-Kandidaten und hat die Aktien auf die Liste europäischer Favoriten für 2024 aufgenommen.

Siemens Energy

Erneut im Fokus der Leerverkäufer steht auch Siemens Energy. Die Short-Quote hat sich wieder leicht auf 8,4% erhöht, nachdem sie Anfang Februar erstmals deutlich zurückgefallen war. Der Energiekonzern geriet 2023 mit hausgemachten Problemen bei der Windsparte Gamesa in Turbulenzen. Seit dem Tief von Ende Oktober – damals erhielt Siemens Energy Garantien vom Staat – ist die Aktie im Aufwärtstrend, befindet sich aber noch immer deutlich unter dem Zwischenhoch von 2023. Anleger werden noch einen langen Atem benötigen, die wichtige Windsparte dürfte erst 2026 wieder einen positiven Beitrag zum Konzernergebnis leisten.

Zalando

Auch bei Zalando – auf Platz drei der am meisten leerverkauften Dax-Aktien – ist das Interesse der Leerverkäufer gestiegen, die Short-Quote hat sich von 4,8 auf 5,8% erhöht. Der Online-Modehändler leidet noch immer unter dem trüben Konsumklima in Deutschland und Europa. Zudem muss er wegen der während der Corona-Pandemie zu stark aufgebauten Lagerbestände weiterhin Rabatte gewähren, was auf die Margen drückt. Im Januar rutschte die Aktie unter den IPO-Preis vom Herbst 2014. Analysten von Berenberg erwarten frühestens in der zweiten Jahreshälfte eine Erholung der Konsumentenstimmung, was sich dann positiv auf die Aktie auswirken könnte.

Rheinmetall

Derzeit kein Halten kennen die Aktien von Rheinmetall. Allein seit Anfang Jahr sind sie um über 40% geklettert. Bereits seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 haussiert der grösste deutsche Rüstungskonzern an der Börse – das Plus seitdem: knapp 300%. Der Krieg in der Ukraine, Fragen zur künftigen militärischen Strategie der USA und geplante Milliardenausgaben der deutschen Bundeswehr lassen Anleger auf ein weiterhin boomendes Geschäft hoffen.

CEO Armin Papperger befeuerte die Fantasie der Anleger, indem er jüngst gegenüber dem «Handelsblatt» ankündigte, die Produktion für Pulver, das für Artilleriegeschosse gebraucht wird, verdoppeln oder gar verdreifachen zu wollen. Leerverkäufer misstrauen der Rally offenbar zunehmend. Der Anteil leerverkaufter Aktien erhöhte sich in den letzten vier Wochen von 2,2 auf 3,3%. Damit rückt die Aktie auf den 6. Platz der Top Ten unter den Short-Positionen an der deutschen Börse vor.

Deutsche Pfandbriefbank

Am breiten Markt für Gesprächsstoff sorgte zuletzt die Deutsche Pfandbriefbank. Die Aktie steht bereits seit Monaten im Fokus der Leerverkäufer, in den vergangenen Wochen haben sich deren Wetten mehr denn je gelohnt: Allein im Februar ist der Kurs um ein Drittel eingebrochen – das Minus in den letzten zwölf Monaten beträgt mehr als 60%. Bis Anfang März haben die Short-Seller ihre Wetten weiter ausgebaut, die Short-Quote stieg gegenüber dem Vormonat von 15,1% auf knapp 18%.

Dem Münchner Kreditinstitut fällt das umfangreiche Engagement im kriselnden US-Gewerbeimmobilienmarkt auf die Füsse. Der Markt sieht in den Aktien demnach eine gute Short-Möglichkeit, um davon zu profitieren. Die Deutsche Pfandbriefbank musste die Rückstellungen im dritten und vierten Quartal wegen ihrer Kredite für US-Büroimmobilien drastisch erhöhen, zudem resultierte im Schlussquartal 2023 ein Verlust.

Thyssenkrupp

Neu in den Top Ten der am meisten leerverkauften Aktien am deutschen Gesamtmarkt ist Thyssenkrupp. Mit rund 86 Mio. sind derzeit knapp 15% der ausstehenden Aktien des Industriekonzerns ausgeliehen – vor rund vier Wochen waren es gemäss Zahlen von S3 Partners lediglich rund 15 Mio. Grund für den sprunghaften Anstieg dürfte der Geschäftsbericht von Mitte Februar gewesen sein, der die ohnehin schwächelnden Aktien weiter unter Druck setzte.

Wegen erneuter Wertberichtigungen auf dem Stahlgeschäft hat Thyssenkrupp im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2023/2024 rote Zahlen geschrieben. Zudem lasteten sinkende Preise und eine geringere Nachfrage im Stahlsegment (vor allem bei Automobilkunden) auf dem Geschäft. Auch zum laufenden Jahr äusserte sich das Management pessimistischer – sowohl den Umsatz als auch das Ergebnis betreffend.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Henning Hölder

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