Wenn Leerverkäufer ein Unternehmen ins Visier nehmen, kann das ein Warnsignal sein. The Market zeigt regelmässig, wo diese Investoren an der deutschen Börse auf Kursverluste wetten. Diesmal im Fokus: Sartorius, Porsche SE, Commerzbank und Evotec.
Seit knapp zwei Jahren zeigt The Market auf Basis von Zahlen des US-Datenanbieters S3 Partners, wo Leerverkäufer an der deutschen Börse auf Kursverluste wetten. Seitdem gehörten die Aktien von Sartorius jeden Monat zu den Top Ten der Dax-Titel – in den meisten Fällen sogar auf den vorderen Plätzen 1 und 2. Im Dezember 2024 fallen die Valoren des Laborausrüsters nun erstmals aus den Top Ten der am meisten leerverkauften Aktien im deutschen Leitindex.
Die jahrelange Beliebtheit von Sartorius unter Short-Sellern war begründet. Die Göttinger litten bis zuletzt unter den hohen Lagerbeständen ihrer Kunden. Während des Covid-Booms hatten Unternehmen so viele Ausrüstungsgegenstände gekauft, wie sie kriegen konnten – entsprechend zurückhaltend sind sie seit dem Ende des Booms, was die Aktien von Sartorius und anderer Pharma- und Laborzulieferern seitdem belastet.
Doch zuletzt entspannte sich die Situation leicht. Die Zahlen für das dritte Quartal, die Sartorius im Oktober vorlegte, zeigten erstmals eine Verbesserung des Auftragseingangs, vor allem von Verbrauchsmaterialien. Es wäre sicherlich verfrüht, bereits das Ende des Lagerabbaus auszurufen. Doch die Tatsache, dass die Leerverkäufer die Reissleine ziehen, könnte ein erstes Zeichen dafür sein.
Bereits bei der letzten Erhebung Anfang November reduzierte sich die Ausleihquote deutlich von 7,2% auf 4,4%. Jetzt hat sie sich erneut mehr als halbiert und liegt noch bei 2,1%. Zum Vergleich: Anfang Jahr lag die Quote bei über 16%.
Leerverkäufer leihen sich Aktien, verkaufen sie am Markt und hoffen, sie später günstiger zurückzukaufen – um sie dann dem Eigentümer zurückzugeben. Geht die Wette auf, streichen sie die Differenz aus dem Verkaufs- und dem Rückkaufspreis als Gewinn ein. The Market beleuchtet regelmässig, gegen welche deutschen Aktien die grössten Short-Wetten laufen.
Anfang Dezember hat sich das Short-Volumen am gesamten deutschen Aktienmarkt gegenüber dem Vormonat geringfügig verringert – von 20,1 Mrd. auf 19,6 Mrd. $.
An der Dax-Spitze der am meisten leerverkauften Aktien bleibt Porsche AG. Seit Monaten steigt die Ausleihquote beim Sportwagenhersteller; Anfang Dezember hat sie sich noch mal erhöht von 19 auf 20,5%. Ende Oktober enttäuschte Porsche mit schwachen Zahlen für das dritte Quartal. Vor allem in China kämpft der Autohersteller mit starken Absatzproblemen. Als Porsche 2022 per Spin-off vom Mutterkonzern Volkswagen an die Börse gebracht wurde, waren die Wachstumshoffnungen in China ein grosser Teil des Investment Case – diese wurden jedoch enttäuscht; die Nachfrage nach Luxus im Reich der Mitte hat sich bis heute nicht erholt.
Porsche SE neu im Visier der Short-Seller
Neu tauchen in der Rangliste auch die Aktien der Porsche Automobil Holding (Porsche SE) auf. Dabei handelt es sich um eine börsennotierte Beteiligungsgesellschaft, deren Name auf die Familien Porsche und Piëch zurückgeht, die ihr Vermögen über diese Holding verwalten. Die mit Abstand wichtigsten Beteiligungen der Gruppe sind Aktien von Volkswagen und Porsche, was die schlechte Börsen-Performance der Automobil-Holding erklärt.
Zusätzlich zum Wertverlust bei den wichtigsten Beteiligungen rückten zuletzt auch die hohen Schulden der Holding verstärkt in den Fokus der Anleger. Als Volkswagen im September 2022 den Sportwagenhersteller Porsche unter dem Namen Porsche AG an die Börse brachte, nahm die Porsche Holding dies zum Anlass, sich Anteile des Sportwagenherstellers zu sichern – eine Entscheidung, die die Schulden der Beteiligungsgesellschaft schlagartig in die Höhe trieb.
Die Nettoverschuldung – also die Finanzschulden abzüglich der flüssigen Mittel, Termingeldanlagen und Wertpapiere – hat sich zuletzt von knapp 6 Mrd. auf rund 5 Mrd. € zwar grundsätzlich verringert. Allerdings droht den Anleihen der Porsche Holding gemäss Analysten von Bloomberg Intelligence eine Herabstufung. Grund: Die Anleihen sind strukturell untergeordnet, Anleihegläubiger haben also im Fall einer Insolvenz eine niedrigere Priorität bei der Rückzahlung als Anleihegläubiger von Tochtergesellschaften wie Volkswagen. Anleihegläubiger der Porsche Holding stehen quasi weiter hinten in der Schlange.
Schulden der Porsche SE geraten in den Fokus
Zudem könnte der Holding eine Beeinträchtigung des Cashflows drohen, der hauptsächlich aus Dividendenzahlungen von Volkswagen und Porsche stammt. Vor allem beim Volkswagenkonzern sehen Beobachter die üppige Dividendenausschüttung in Gefahr, weil der Autobauer aufgrund der Restrukturierung dringend Barmittel benötigt – zum Nachteil der Porsche Holding.
All diese Faktoren spiegeln sich bereits wieder in einem steigenden Preis bei den Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) für Anleihen der Porsche Holding: Für eine fünfjährige Absicherung von Anleihen werden derzeit knapp 140 Basispunkte verlangt – im Frühjahr waren es noch weniger als 60. Damit sind die Kreditausfallversicherungen für Anleihen der Porsche Holding erstmals wieder teurer als jene für Anleihen von Volkswagen, wie folgende Grafik von Bloomberg Intelligence zeigt. Das letzte Mal war dies 2017 der Fall. Die Leerverkäufer scheinen das Thema zunehmend auf dem Radar zu haben, auch wenn eine Ausleihquote von 2,5% noch vergleichsweise moderat erscheint.
Commerzbank: Übernahmefantasie klingt ab
Deutlicher erhöht hat sich die Short-Quote bei den Aktien von Commerzbank; mit 4,8% hat sie sich mehr als verdoppelt. Die Grossbank geriet im September als potenzielles Übernahmeobjekt in den Fokus von Unicredit. Die zweitgrösste Bank Italiens hat sich heimlich und quasi über Nacht mit rund 9% an der Nummer zwei in Deutschland beteiligt, was den Aktien entsprechend Auftrieb gegeben hat. Doch jetzt scheint erst einmal die Luft raus zu sein, klingt die Übernahmefantasie durch Unicredit doch wieder ab.
Statt sich weiterhin auf die Commerzbank zu konzentrieren, legte Unicredit kürzlich ein Übernahmeangebot im Wert von 10 Mrd. € für den italienischen Konkurrenten Banco BPM vor. Zwei Übernahmen gleichzeitig zu realisieren scheinen wenig realistisch zu sein. Zudem deutete Unicredit-CEO Andrea Orcel an, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Übernahme von Commerzbank gesunken sei. Sicher scheint, dass Orcel die neuen Machtverhältnisse in Deutschland nach der Bundestagswahl am 23. Februar nächsten Jahres abwarten will.
Für die Commerzbank-Aktien sind das kurzfristig keine erbaulichen Aussichten, was die Leerverkäufer offenbar zum Anlass genommen haben, ihre Wetten aufzustocken.
Neu in den Top Ten sind die Aktien von Brenntag. Der Chemiehändler verliert Ende nächsten Jahres seinen Konzernchef, wie vergangene Woche bekannt wurde. Zudem gibt der Konzern aufgrund der konjunkturellen Lage einen vorsichtigen Ausblick. Reduziert haben sich die Wetten hingegen sowohl gegen Covestro – die Übernahme durch den arabischen Erdölriesen Adnoc wurde Anfang der Woche perfekt – als auch gegen BMW. Die Münchner gelten bei Beobachtern unter den leidenden deutschen Autobauern noch als am besten aufgestellt – auch aus Sicht von The Market.
Evotec gerät in den Fokus
Am breiten Markt fallen vor allem die gestiegenen Wetten gegen Evotec auf. Nachdem die Aktien des Auftragsforschers in diesem Jahr bereits herbe Verluste verzeichnet hatten, kamen im November Übernahmegerüchte auf. Zu Beginn zeigten gleich zwei Interessenten Interesse an den Hamburgern: der Private-Equity-Fonds Triton Partners, der sich 10% der Anteile an Evotec sicherte und eigentlich nicht für den Kauf von Minderheitsanteilen bekannt ist, sowie das US-Biotechunternehmen Halozyme, das ein unverbindliches Angebot von 11 € pro Aktie in bar ankündigte.
Vor rund zwei Wochen zog Halozyme ihre Interessensbekundung jedoch zurück, womit derzeit nur noch Triton Partners bleibt. Einige Leerverkäufe spekulieren offenbar auf ein Nichtzustandekommen einer Übernahme. The Market glaubt jedoch, dass das Angebot der Amerikaner nicht der letzte Kaufversuch gewesen sein muss.
Gestiegen sind auch die Wetten gegen Aurubis – das Unternehmen steckt mitten in der Transformation von einem gewöhnlichen Kupferlieferanten hin zu einem Edelmetallrecycler – und Hugo Boss. Der Modekonzern durchläuft ein operativ schwieriges Jahr, der Wachstumsmotor stottert erheblich. Seit Anfang Jahr ist die Konsensschätzung der Analysten für das Ergebnis je Aktie um mehr als einen Drittel gesunken. Die Aktien haben dieses Jahr fast die Hälfte an Wert verloren. Leerverkäufer sehen offenbar noch keine Wende.