Sonntag, September 29

Wenn Short-Seller ein Unternehmen ins Visier nehmen, kann das ein Warnsignal sein. The Market zeigt regelmässig, wo Leerverkäufer an der deutschen Börse auf Kursverluste wetten.

Der deutsche Leitindex Dax erklimmt rund ein Monat nach dem weltweiten Börseneinbruch Anfang August bereits neue Rekorde. Vergangene Woche stieg er erstmals über 19’000 Punkte – der allgemein düsteren Stimmung in der heimischen Industrie zum Trotz.

Die Erholung der vergangenen Wochen hielt Leerverkäufer jedoch nicht davon ab, ihre Engagements auszubauen. Sie erhöhten die Wetten am deutschen Aktienmarkt im August um 2,3 Mrd. $ auf insgesamt 22,1 Mrd. – das entspricht einem Anstieg von knapp 12%.

Leerverkäufer (vor allem Hedgefonds) leihen sich Aktien, verkaufen sie am Markt und hoffen, sie später günstiger zurückkaufen zu können – um sie dann dem Eigentümer zurückzugeben. Geht die Wette auf, streichen sie die Differenz aus dem Verkaufs- und dem Rückkaufspreis als Gewinn ein. The Market beleuchtet regelmässig, gegen welche deutschen Aktien die grössten Short-Wetten laufen und stützt sich dabei auf Zahlen von S3 Partners. Die grössten Short-Positionen auf Schweizer Aktien finden Sie hier.

Erhöhte Wetten gegen Porsche

Die Aktien von Porsche haben sich Anfang Juli erstmals an die Spitze der am häufigsten leerverkauften Dax-Werte gesetzt. Wie aus den Daten von S3 Partners hervorgeht, ist der Anteil der ausgeliehenen Aktien am gesamten Streubesitz, die Short-Quote, des Sportwagenherstellers seit Sommer noch einmal von 10 auf 12,5% gestiegen.

Bei der Volkswagen-Tochter kommt derzeit einiges zusammen, was Leerverkäufer auf den Plan ruft. Im April stimmte Oliver Blume – Chef von Porsche und des Mutterkonzerns Volkswagen – die Börse auf ein Übergangsjahr ein. Wie bei der Konkurrenz belasten auch bei Porsche die allgemeine Flaute im Autosektor und die wachsende Konkurrenz aus China auch das Geschäft.

Doch bei den Stuttgartern kommen zum schwierigen Umfeld noch interne Probleme hinzu. So kann der Sportwagenhersteller seinen Bestseller Macan in Europa derzeit nicht liefern. Grund: Die neue elektrische Variante ist nicht fertig – und die bisherige Verbrennerversion nicht mehr erlaubt.

Nachdem die Porsche-Aktien in den ersten Monaten nach dem Börsengang im Herbst 2022 gut gelaufen waren, notieren sie mittlerweile wieder unter dem Ausgabepreis von damals.

Wetten gegen Siemens Healthineers fast verdoppelt

Bei den anderen Dax-Aktien in den Top Ten hat sich unterdessen wenig verändert. Bei Siemens Energy sinkt die Leerverkaufsquote weiter auf noch 3,7%. Anleger setzen hier vor allem auf eine Trendwende der Windenergiesparte. Die Aktien haben in diesem Jahr dank einer Neubewertung eine fulminante Aufholjagd hingelegt – allerdings nicht ganz ohne Risiken. Auch bei Sartorius sinkt die Leerverkaufsquote leicht, liegt aber bei hohen 8,5%.

Fast verdoppelt haben sich die Wetten gegen Siemens Healthineers. Der Mutterkonzern Siemens brachte seine Medizintechniktochter 2018 an die Börse und hält noch immer 75% der Anteile. Der Konglomeratsabschlag belastet dabei die Bewertung, wie Investoren seit längerem monieren.

Grund für die jüngst gestiegenen Wetten gegen die Aktien dürfte vor allem die Publikation der Quartalszahlen vor rund vier Wochen sein. Zwar stieg der Umsatz im zweiten Quartal 4,3% auf 5,4 Mrd. €, während der bereinigte Ebit 9% auf 825 Mio. € zulegte. Analysten hatten im Vorfeld jedoch mehr erwartet. Die Enttäuschung war – einmal mehr – vor allem China geschuldet, wo sich Krankenhäuser insbesondere mit Bestellungen von teuren Medizintechnikgeräten zurückhalten. Analysten sehen eine Erholung in China als wichtigen Faktor, um die Mittelfristziele für 2025 zu erreichen.

Wenig verändert haben sich die Short-Positionen bei Mercedes-Benz, Continental, BMW und MTU Aero Engines. Bei Zalando hat sich die Quote wiederum reduziert.

Leerverkäufer wetten gegen Hugo Boss

Am breiten Markt steht weiterhin Thyssenkrupp Nucera im Fokus der Short-Seller. Die Aktien der im Sommer 2023 via Spin-off an die Börse gebrachten Wasserstoffsparte von Thyssenkrupp befinden sich in einem anhaltenden Abwärtssog, die Leerverkaufsquote steigt kontinuierlich. Waren im Februar 8% der ausstehenden Aktien ausgeliehen, ist der Anteil bis Anfang September auf über 35% gestiegen.

Während sich Analysten seit Monaten mit Kaufempfehlungen für die Aktien überbieten – zuletzt hat das US-Analysehaus Bernstein Research die Einstufung für Thyssenkrupp Nucera auf «Outperform» mit einem Kursziel von 20 € bekräftigt, was einem theoretischen Aufholpotenzial von knapp 140% entspricht –, teilt die Börse die Euphorie der Analysten nicht. Seit dem Börsengang haben die Aktien fast 65% an Wert verloren.

Auf die Publikation der endgültigen Zahlen für das dritte Quartal Mitte August reagierten die Titel mit einer vorübergehenden Avance – das Ausbleiben einer weiteren Enttäuschung liess die Börse offenbar aufatmen. Mittlerweile ist dieser Kursgewinn verpufft. Das Thema Wasserstoff gilt zwar als eine strukturelle Wachstumsgeschichte, die Branche sieht sich jedoch mit Herausforderungen konfrontiert.

Hugo Boss neu im Fokus

Neu in den Top Ten der am meisten leerverkauften Aktien am deutschen Gesamtmarkt ist Hugo Boss. Das Modeunternehmen schafft es dabei mit einer Short-Quote von knapp 22% auf Anhieb auf Platz 3. Im Sommer 2021 übernahm der Schweizer Daniel Grieder bei den Deutschen den CEO-Posten und glänzte zunächst mit starken Wachstumsraten.

Grieders Wachstumsstrategie basierte auf der Neupositionierung der Marken mit dem Ziel, den Anteil von traditionellen Anzügen zu senken und sich zu einem gehobenen Streetwear-Anbieter zu wandeln.

Doch mittlerweile stottert der Wachstumsmotor: Nach einem Umsatzplus von 27 und 18% in den Jahren 2022 und 2023 dürfte sich der Zuwachs im laufenden Jahr auf höchstens 4% belaufen. Im Aktienkurs spiegelt sich diese Verlangsamung bereits seit Sommer 2023 – ein Boden scheint noch nicht gefunden.

Dass die Leerverkäufer ihre Wetten seit der letzten Bestandsaufnahme Anfang Juli stark aufgestockt haben, dürfte an dem besonders enttäuschenden Zahlen für das zweite Quartal liegen. Neben einer Prognosesenkung mit Blick auf das Umsatzwachstum für das laufende Jahr auf nur noch 1 bis 4%, schockierte Hugo Boss vor allem mit ihrem Ausblick für das operativen Ergebnis (Ebit). Hier erwartet das Unternehmen im besten Fall einen Zuwachs von 5% – im schlechtesten Fall jedoch einen Rückgang von bis zu 15%.

Kupferkonzern Aurubis

Neu in den Top Ten am deutschen Gesamtmarkt ist auch Aurubis. Der Kupferkonzern steht seit dem vergangenen Jahr in den Schlagzeilen, als bei den Hamburgern eine Serie von Kriminalfällen mit Schäden in dreistelliger Millionenhöhe aufgeflogen war: Der Metallkonzern war in Hamburg über Jahre von kriminellen Banden ausgenommen worden und musste Edelmetalle im Wert von Hunderten Millionen Euro abschreiben.

Vor einigen Jahren hat sich Aurubis zum Ziel gesetzt, sich von einem gewöhnlichen Kupferlieferanten zu einem Edelmetallrecycler zu wandeln. Seitdem wird das margenschwache Flachwalzgeschäft sukzessive verkauft, erst diese Woche kündigte das Unternehmen die Veräusserung des US-Walzwerks in Buffalo an. Stattdessen will man sich als Player in einem Geschäftsfeld etablieren, das von manchen als Megatrend bezeichnet wird: der Kreislaufwirtschaft. Leerverkäufer sehen offenbar einige Stolpersteine auf diesem Weg.

Ebenfalls neu in der Rangliste ist BayWa mit einer Leerverkaufsquote von 13,3%. Mitte Juli machte das Management öffentlich, ein Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben zu haben. Deutschlands grösster Agrar- und Baustoffhändler ist aufgrund der starken Expansion in den vergangenen Jahren, die grösstenteils durch Kredite finanziert worden war, hoch verschuldet. Die zuletzt gestiegenen Zinsen verschärften die finanziellen Schwierigkeiten.

Das Sanierungsprogramm umfasst unter anderem eine Umschuldung und den Verkauf von Geschäftsteilen. Die Aktien befinden sich im freien Fall.

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