Donnerstag, Mai 8

An der Generalversammlung (GV) der Schweizerischen Nationalbank erklären Votanten gerne, was diese alles anders machen sollte. Für einmal hat die Bankratspräsidentin Barbara Janom Steiner nun aber den Spiess umgedreht. Sie wirft den Kritikern eine Mischung aus unbekümmertem Leichtsinn und Verantwortungslosigkeit vor.

Ein punktgenaueres, höheres Inflationsziel, Dividendenausschüttungen trotz hohen Verlusten, ein grösseres, diverseres Direktorium, Bitcoin statt Gold und eine Anlagepolitik im Dienste des Klimas oder der AHV: An Vorschlägen, was die Schweizerische Nationalbank (SNB) alles anders und besser machen sollte, fehlt es nicht. Auch nicht an Rednern, die an der Generalversammlung jeweils für das eine oder andere plädieren.

Keine Reformen um der Reformen willen

Für die Geldpolitik der Nationalbank ist das dreiköpfige Direktorium unter der Leitung von Präsident Thomas Jordan zuständig. Der «Verwaltungsrat» der SNB heisst Bankrat. Er wird von der ehemaligen Bündner Regierungsrätin Barbara Janom Steiner präsidiert.

Der scheidende Nationalbankpräsident Jordan erklärte in seinem Referat erneut, wie die Nationalbank ihr enges Mandat (Preisstabilität unter Berücksichtigung der Konjunktur) interpretiert und durch rechtzeitige Beeinflussung der kurzfristigen Zinsen und des Wechselkurses das Gespenst der Inflation erfolgreich in die Schranken gewiesen hat.

Janom Steiner hingegen übte scharfe Kritik an den Kritikern der SNB. «Diese Forderungen, oder müsste ich sagen Angriffe, lassen sich von unbekümmertem Leichtsinn bis hin zu handfesten Partikularinteressen einstufen», erklärte sie in ihrem Referat. Beides sei gefährlich. So führten die Forderungen nach einer Vergrösserung des Direktoriums in die Irre. Die Gefahr sei zu gross, dass damit das Direktorium nach politischen oder aufgrund von Partikularinteressen besetzt würde, was klar dem Verfassungsauftrag widerspräche.

Janom Steiner hielt auch maliziös fest, die Bundesverfassung sei ganz klar: Die Nationalbank habe die Geld- und Währungspolitik im Gesamtinteresse des Landes zu führen. Von Klima oder Sozialpolitik sei nicht die Rede, auch wenn beides wichtige Themen seien. Vor dem Berner Kursaal, in dem die SNB-GV stattfand, demonstrierten Klimaaktivisten für eine aktivistische Anlagepolitik der SNB, und drinnen forderten zahlreiche Votanten von der SNB mehr sogenannte Nachhaltigkeit. Eine sogenannte Klima-Allianz reichte Begehren zur Änderung des Nationalbankgesetzes ein. Janom Steiner verwies die Petitionäre an die Politik.

«Brandgefährliche Schwächung»

Die Schweizerische Nationalbank sei erfolgreich, gerade weil sie sich auf ihr enges Mandat konzentriere und nicht Reformen um der Reformen willen mache, so beschwor die Bankratspräsidentin ihre Zuhörer. Die SNB könne und solle weder eine in Not geratene Bank um jeden Preis retten, wenn diese keine ausreichenden Sicherheiten mehr habe, noch dürfe ihr Ziel sein, ständig Gewinne an Bund und Kantone auszuschütten. Würde man den Kritikern folgen und dies missachten, nähme man bewusst eine Schwächung der Bilanz in Kauf, was die Stabilität und die Reputation der SNB gefährdete. Solche Forderungen seien für sie schlicht nicht nachvollziehbar.

Die Nationalbank funktioniere selbst in Krisenzeiten und unter schwierigen Bedingungen auch im internationalen Vergleich aussergewöhnlich gut, lautete das Fazit des Bankrats und der SNB-Spitze. «Eine Zentralbank mit solchem Leistungsausweis mittels sachfremder oder politisch motivierter Forderungen schwächen zu wollen, scheint mir persönlich weder verantwortungsvoll noch zielführend zu sein. Ich halte es im Gegenteil für brandgefährlich», ärgerte sich Janom Steiner.

Standfestigkeit und Offenheit im Diskurs

Die SNB kann sich dabei tatsächlich rühmen, die Inflation effektiver als andere Zentralbanken bekämpft zu haben. Eine flexible Definition des Zielbandes (zwischen 0 und 2 Prozent) hilft der offenen und damit immer wieder ökonomischen Schocks ausgesetzten Nationalbank. Zweifellos hat ihr Erfolg zentral damit zu tun, dass sie Standfestigkeit darin bewiesen hat, eine Politisierung zu vermeiden und sachfremde Forderungen abzuwehren.

Etwas mehr Offenheit im Diskurs über die Suche nach der adäquaten geldpolitischen Reaktion würde dem Verständnis in der Öffentlichkeit gleichwohl nicht schaden. So sagte der Nationalbankpräsident Jordan an der GV: «Wir müssen unsere eigenen Einschätzungen stets kritisch hinterfragen, veränderte Rahmenbedingungen möglichst früh erkennen und deren Auswirkungen analysieren.» Ein etwas offenerer Austausch mit der interessierten Öffentlichkeit darüber stünde der Nationalbank bei allem Verständnis für die Kritik an den Kritikern nicht schlecht. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass mit dem Rücktritt Jordans per Ende September im Direktorium ein Generationenwechsel ansteht.

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