Das Derivatehaus hat bereits kaum mehr Gewinnkraft. Nun verteuert die Unterstellung unter eine Bank-ähnliche Regulierung das Geschäft und engt das Wachstum ein.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
«Neues, erweitertes Regulierungsregime»: Das ist ein Zwischentitel in der heutigen Jahresabschlusspräsentation von Leonteq – und es ist der Grund, warum die Aktien des Derivatehauses einen weiteren Rückschlag um bis zu mehr als 10% hinnehmen müssen.
Konkret teilte Leonteq völlig überraschend mit, dass das bislang als Wertpapierhaus regulierte Institut seit dem 1. Januar 2025 der Eigenmittelverordnung unterstellt ist.
Als nicht-kontoführendes Wertpapierhaus der Kategorie 5 musste es mindestens 20 Mio. Fr. Eigenkapital vorhalten. Nun gilt wie bei Banken eine Kapitalunterlegung nach Risikogewichten – im Fall von Leonteq mit mindestens 10,5% Eigenkapital. Dazu gesellen sich weitere Vorgaben, mitunter eine Beschränkung der Exponiertheit gegenüber einer einzelnen Gegenpartei auf 25% des Eigenkapitals sowie Anforderungen an die Liquidität.
Zur Erinnerung: Leonteq war bereits zuvor bis Ende 2019 als Bank reguliert und erfreute sich ab dem Wechsel zum Wertpapierhaus, da dies Ausschüttungspotenzial freisetzte – auch wenn sie freiwillig weiterhin eine starke Kapitalisierung sicherstellte.
Eigenkapital regulatorisch gebunden
Nun geht es wieder in die andere Richtung – nicht freiwillig, sondern mit einer regulatorisch auferlegten Bindung des Eigenkapitals. Dass das nicht aus eigenem Antrieb erfolgte, sondern auf Druck der Finanzmarktaufsicht Finma ist offensichtlich. Ebenso eindeutig sind die negativen Konsequenzen, die nun anstehen:
Noch-CEO Lukas Ruflin erläuterte bei der Präsentation, dass es nicht angebracht gewesen wäre, während der Diskussionen mit der Finma ein Aktienrückkaufprogramm aufzulegen. Sprich: Der Spielraum für Ausschüttungen ist nun eingeschränkt, worauf auch die Tatsache hindeutet, dass die Dividende erneut gekürzt wurde. Für 2024 soll sie noch 25 Rappen betragen, nachdem im Vorjahr bereits eine massive Kürzung von 4 auf 1 Fr. vorgenommen wurde – obwohl Leonteq nach der Umwandlung in eine Wertschriftenhaus eine jährlich steigende Ausschüttung in Aussicht gestellt hatte.
Gleich mehrere Aussagen von heute deuten ebenfalls in diese Richtung:
Zwar betont Leonteq, dass sie dank ihrer starken Kapitalausstattung – Eigenkapital von 804 Mio. Fr. respektive regulatorisch anerkannte Eigenmittel von 740 Mio. Fr. – «die aktuellen Anforderungen bezüglich Kapitalisierung und Risikoverteilung vollständig erfüllt». Doch gleichzeitig zeigt das Management auf, dass die neuen Anforderungen zeitlich gestaffelt eingeführt werden und dieses Phase-in noch bis Mitte 2026 dauert. Will heissen: Die «aktuellen Anforderungen», die Leonteq derzeit erfüllt, sind nicht die, die es bis Ende des Phase-in zu erfüllen gilt.
Das betrifft explizit das neue Liquiditätsregime, das die Finma angeblich erst in den kommenden Monaten definitiv festlegen wird.
Verbleibt Überschusskapital?
Auch bezüglich der Kapitalanforderungen bleibt die Unsicherheit: Auf den ersten Blick und im Vergleich zu den Parametern, die Leonteq 2019 noch erfüllen musste, dürfte das derzeitige Eigenkapital zwar ausreichen, um auch die neuen Forderungen zu erfüllen. Doch das Management hebt hervor, dass man unter dem neuen Regime Hybridanleihen ausgeben könne, die ebenfalls als Eigenmittel anerkannt würden.
Dass die Ausgabe solcher Instrumente erwogen wird, kann zur Optimierung der Bilanz beitragen. Es ist aber auch ein Hinweis darauf, dass das vorhandene harte Kernkapital allenfalls nicht ausreicht, um sowohl die künftigen regulatorischen Vorgaben (inklusive eines immer notwendigen Sicherheitspuffers) zu erfüllen und gleichzeitig über Überschusskapital zu verfügen, das ausgeschüttet werden kann.
Konkret äussert sich Leonteq noch nicht zur künftigen Kapitalstruktur – dafür müssten erst Parameter wie Risikogewichte und Liquiditätsanforderungen geklärt werden. Ruflin wies aber darauf hin, dass es 18 bis 24 Monate dauern könnte, bis die Optimierungen umgesetzt und eine neue Ausschüttungspolitik definiert sei.
Auch operativ schafft die neue regulatorische Ausgangslage Probleme. Eine allfällige Ausgabe von Hybridanleihen erhöht die Zinsbelastung, ebenso die steigenden Liquiditätsanforderungen. Die neu geltende Beschränkung von Klumpenrisiken hatte es beispielsweise bereits 2024 notwendig gemacht, eine Kreditfazilität zu ziehen, um Risiken gegenüber dem grössten Einzelkunden abzudecken. Die Folge war, dass der Zinserfolg fast 7 Mio. Fr. tiefer ausfiel als im Vorjahr und gar negativ zu Buche schlug.
Wachstum eingeschränkt
Die neue Beschränkung der Exponiertheit gegenüber einzelnen Gegenparteien, die Verknappung der Bilanzkapazität und die noch zu bestimmenden Liquiditätsanforderungen an Kreditrisiken dürften kaum einen unerheblichen Einfluss auf das weitere Wachstum haben.
Leonteq schreibt, dass «die Anpassung der Geschäftsaktivitäten im Zusammenhang mit dem neuen Regime über Zeit zu einem Rückgang der Transaktionsvolumen mit bestehenden White-Labelling-Partnern führen wird.»
Ruflin will deshalb künftig, statt das Volumenwachstum zu forcieren, verstärkt auf die Rentabilität in Bezug auf die Risikogewichte achten, die die einzelnen Produkte aufweisen. Konkret heisst das, dass gewisse Angebote, beispielsweise solche, die auf Krypto-Assets lauten, wohl wegfallen, andere zumindest reduziert werden – oder Kunden dafür eine Mindestmarge bieten müssen.
Für 2024 hat Leonteq noch ein beeindruckendes Volumenwachstum von 30% auf fast 28 Mrd. Fr. vorgelegt. Doch die Marge brach zugleich von 90 auf 70 Basispunkte ein, so dass der Ertrag auf Vorjahresniveau stagnierte.
Wie in einem solchen Umfeld die Ertragskraft dank einer Orientierung an den Risikogewichten sowie an der Marge verteidigt werden soll, wenn die Volumen nun zu sinken drohen, erschliesst sich mir nicht.
Und ja, da war auch noch das Ergebnis für das abgelaufene Geschäftsjahr, es war bereits so prekär, dass es als Warnung eigentlich genügen sollte: 2024 reichte es gerade noch zu einem Überschuss von 5,8 Mio. Fr. nach einem Gewinn von 20,6 Mio. Fr. im vorausgegangenen Jahr. Zur Erinnerung: 2021 und 2022 hatte der Gewinn mehr als 150 Mio. Fr. betragen.
Äusserst magere Jahre voraus
Und trotz der optimistischen Worte des Managements an der Präsentation: Auch der Ausblick auf das nun laufende Jahr spricht nicht dafür, dass es demnächst besser wird: Leonteq erwartet für 2025 «ein profitables Ergebnis auf zugrundeliegender Basis (d.h. ausgewiesener IFRS-Gewinn vor Steuern ohne einmalige Restrukturierungs- und regulatorische Übergangskosten)». Im Klartext: Bei geplanten 10 Mio. Fr. Restrukturierungs- und regulatorischen Übergangskosten dürfte 2025 nach Steuern ein Verlust resultieren.
Kassiert hat Leonteq zudem die Finanzziele für 2026 und will neue Mittelfristziele bekannt gegeben, sobald der Übergang zum neuen regulatorischen Regime fortgeschritten ist.
Der Anspruch von Ruflin lautet dabei, «nicht nur profitabel sein, sondern das mit einer Profitabilität, die den Aktionären gefällt.» Bei einer Eigenkapitalrendite von zuletzt 1% ist das ein grosses Vorhaben.
Die Umsetzung liegt nun bei Christian Spieler, der ab 1. März die CEO-Position bei Leonteq übernehmen wird. Ruflin will an der Generalversammlung im Frühling in den Verwaltungsrat wechseln.
Und noch ein Wort zu den Aktien: meiden.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Ruedi Keller