Mittwoch, November 27

Eine neue Expedition zur «Titanic» soll das Wrack so genau wie nie zuvor kartieren. Und später weitere Artefakte bergen.

Der Untergang der «Titanic» 1912 ist das bekannteste Schiffsunglück der Geschichte. Das Schicksal des Luxusdampfers und seiner Passagiere fasziniert die Menschen bis heute: sowohl das Los der vielen Reisenden in der dritten Klasse, die sich von der Überfahrt nach Amerika ein neues Leben erhofft hatten, als auch das Schicksal der begüterten Passagiere.

Zehn Millionäre befanden sich an Bord der «Titanic», unter ihnen der Geschäftsmann und Hotelgründer John Jacob Astor, einer der reichsten Männer der Welt. Bekannt ist auch das Ehepaar Straus, Inhaber des New Yorker Kaufhauses Macy’s, das gemeinsam den Tod fand. Ida Straus weigerte sich, allein das Rettungsboot zu besteigen, da sie ihren Mann nicht verlassen wollte.

Erst 1985 wurde das Wrack von einem amerikanisch-französischen Team entdeckt. Seitdem steht es im Fokus von Abenteurern, Geschäftsleuten und juristischen Streitigkeiten. 3824 Meter tief vor der Küste Neufundlands liegen Gegenstände auf dem Meeresgrund, die viel über das Leben derjenigen erzählen können, die bei der Überfahrt dabei waren. Im Tresorraum des Schiffes werden Diamanten vermutet, die schon damals einen Wert von sieben Millionen Dollar gehabt haben sollen.

2023 implodierte das Tauchboot «Titan»

Die Firma, die die Bergungsrechte an der «Titanic» besitzt, heisst RMS Titanic Inc. In diesen Tagen hat sie eine neue Tauchexpedition zur «Titanic» gestartet. Es ist für die Firma die erste Expedition zum Wrack des Schiffes seit 14 Jahren.

Und es ist die erste «Titanic»-Mission seit der Implosion des Tauchboots «Titan» vor einem Jahr.

Damals, im Juni 2023, hatte eine bemannte Tauchfahrt des privaten Tauchbootunternehmens Ocean Gate fatal geendet. Der CEO von Ocean Gate, Stockton Rush, befand sich selbst in der «Titan». Ebenfalls an Bord des Kohlefaser-Tauchboots: einer der reichsten Männer Pakistans mit seinem Sohn, ein britischer Milliardär und Abenteurer sowie der Franzose Paul-Henri Nargeolet. Letzterer war auch der Direktor für Unterwassersuche bei der RMS Titanic Inc.

Nur zwei Stunden nach Beginn des «Titan»-Tauchgangs brach der Kontakt zur Crew ab. Es begann eine grossangelegte Suche, die laut Schätzungen mehr als 50 Millionen Dollar verschlang. Vier Tage später wurden Teile der «Titan» und menschliche Überreste rund 500 Meter vom Wrack der «Titanic» entfernt gefunden. Untersuchungen ergaben, dass das Tauchboot implodiert war. Ocean Gate stellte nach der Tragödie alle Tauchbootfahrten ein.

RMS Titanic Inc. schickt im Gegensatz zur vorherigen Mission kein bemanntes Tauchboot, sondern zwei ferngesteuerte Roboterfahrzeuge (ROV) in die Tiefe. Diese befinden sich an Bord der «Dino Chouest», eines über hundert Meter langen Tiefsee-Logistikschiffs.

Die ROV sollen das Wrack der «Titanic» und das Trümmerfeld untersuchen. Noch immer gibt es keine definitive Karte des Wracks. Teile wie der Bug und das Heck gelten als gut erforscht. Doch die Umgebung des Trümmerfeldes wurde bisher eher oberflächlich untersucht.

Von den hochauflösenden Bildern erhofft sich die RMS Titanic Inc. neue Erkenntnisse über den Zustand des Schiffs und der Artefakte. So schreibt die Firma, dass man beispielsweise neue Schadstellen entdecken könnte, die später einen ungehinderten Zugang zum Schiffsinneren erlauben würden.

Der Sprecher James Penca sagte, die Technologie habe sich seit dem letzten Besuch des Unternehmens an der Stätte im Jahr 2010 enorm weiterentwickelt. «Wir wollen das Wrack mit einer noch nie da gewesenen Klarheit und Präzision sehen», schwärmte sein Kollege David Gallo gegenüber «BBC».

Das Wrack der «Titanic» gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Und es zerfällt. Es gehe bei dieser Mission darum, den Zustand des Wracks zu dokumentieren und zu sehen, wie man sich in den kommenden Jahren verhalten müsse, wenn es um die Bergung von Artefakten gehe.

Zudem soll ein Magnetometer an einem der ROV sämtliche Metallteile aufspüren, auch solche, die bisher unsichtbar im Sediment begraben sind.

5500 Gegenstände sind bisher geborgen worden

Die RMS Titanic Inc. startete 1987 erstmals einen Tauchgang. Das Expeditionsteam konnte damals mit dem Tauchboot «Nautile» 1800 Objekte bergen, darunter Instrumente von der hinteren Andockbrücke, Leder-Reisetaschen von Passagieren und eine dekorative Putte. In den letzten Jahren hat die Firma insgesamt rund 5500 Objekte aus dem Wrack geborgen.

Alle der bisher geborgenen Gegenstände wurden ausserhalb des Schiffes geborgen. Ins Innere des Schiffes vorzudringen, war der Firma RMS Titanic Inc. jahrzehntelang verboten – ausser mit Kameras. Dies, weil das Schiff die letzte Ruhestätte der rund 1500 Todesopfer ist. Daher muss sich die Firma jedes neue Projekt gerichtlich bewilligen lassen.

Als die RMS Titanic Inc. im Jahr 2000 nach Diamanten suchen wollte, die an Bord vermutet werden, verbot ein Gericht dies noch explizit. 2020 dann bewilligte eine amerikanische Richterin den Antrag, in das Innere des Wracks vorzudringen, um das Marconi-Funkgerät zu bergen. Durch einen Notruf mit diesem Gerät konnten 1912 über 700 Menschen gerettet werden. Der Richterspruch war ein Wendepunkt beim Umgang mit der «Titanic».

Zwar ist das Funkgerät immer noch nicht geborgen worden, auch beim gegenwärtigen Unterfangen steht dies nicht zur Debatte. Doch die Firma plant, bei späteren Tauchgängen weitere Artefakte zu bergen.

Der «BBC» sagte Tomasina Ray, die die Fundstücke aus der «Titanic» kuratiert: Wenn man in Zukunft weitere Habseligkeiten der Passagiere finden könne, werde dies dazu beitragen, deren Geschichte zu erzählen. «So viele Passagiere sind nur Namen auf einer Liste, und das ist eine Möglichkeit, ihnen Bedeutung zu verleihen.»

Exit mobile version