Montag, Januar 20

Die Vogelart gibt es laut dem Naturschutzbund nicht mehr auf der Erde. Warum der Mensch daran Schuld hat und zugleich davon betroffen ist.

Der Dünnschnabel-Brachvogel gehörte zu den seltensten Watvögeln der Welt. Seit den 1990er Jahren wurde er nicht mehr gesichtet, nun gilt er offiziell als ausgestorben. Das teilte der Naturschutzbund (Nabu) in Niedersachsen mit.

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Forscher hätten in den vergangenen Jahren intensiv in seinen ehemaligen Brutgebieten in Sibirien und auf seinen Zugrouten nach dem Vogel gesucht. Hunderttausende Quadratkilometer seien abgesucht worden – jedoch ohne Erfolg. Es habe keine stabile Population nachgewiesen werden können. Laut der Forschungsgruppe stehe mit nahezu 100-prozentiger Sicherheit fest, dass es auf der Welt kein einziges Exemplar mehr gebe. Ihre Ergebnisse hatte die Gruppe bereits Ende 2024 veröffentlicht.

Der Dünnschnabel-Brachvogel ist nach dem Riesenalk (1852) und dem Kanaren-Austernfisch (1981) die dritte Vogelart, die in Europa seit Beginn der Neuzeit ausstirbt. Doch der Dünnschnabel-Brachvogel ist die erste Art, die auf dem europäischen Festland heimisch war. «Ein trauriger Meilenstein in der Geschichte des Artensterbens», schreibt der Nabu.

In den sibirischen Sumpfgebieten Zuhause

Der Dünnschnabel-Brachvogel erreichte eine Körperlänge von bis zu 41 Zentimetern. Er besass einen dünnen, gebogenen Schnabel und einen charakteristischen Ruf. Seine elegante Silhouette, die weissen Flügelunterseiten sowie ein auffällig weisser Bürzel unterschied ihn von anderen Brachvögeln. Sie gehören zur Familie der Schnepfenvögel und zeichnen sich durch einen langen Schnabel und schlanke Körper aus.

Das Zugverhalten der Dünnschnabel-Brachvögel war einzigartig. Im Winter zog er von der zentralasiatischen Steppe über den Balkan und Italien bis nach Nordafrika. Von dort stammt das letzte Foto eines Dünnschnabel-Brachvogels. Aufgenommen wurde es 1995 in Marokko. Seither seien die Vögel in diesem wichtigen Überwinterungsgebiet nicht mehr gesichtet worden.

Heimisch war der Dünnschnabel-Brachvogel in den Sumpfgebietens Russlands und Kasachstans. Seine einzigen bekannten Brutgebiete befanden sich in der Region Tara, rund 250 Kilometer nördlich der russischen Stadt Omsk.

Feuchte Wiesen, Moore und Auenlandschaften waren sein Lebensraum. Doch Menschen zerstörten diese Gebiete durch Landwirtschaft, Entwässerung und Städtebau, wie der Nabu schreibt. Auch sei er in seinen Rast- und Wintergebieten gejagt worden. Seine ohnehin geringe Population habe ihn besonders anfällig für menschliche Störeinflüsse gemacht.

Nabu fordert mehr Engagement im Artenschutz

Holger Buschmann, Landesvorsitzender des Nabu in Niedersachsen, sagte: «Das Aussterben findet nicht nur in den Tropen statt, sondern auch vor unserer Haustür.» Erst verschwinden einstmals häufige Arten, dann sterben sie regional aus und schliesslich weltweit. Artenvielfalt sei jedoch die Grundlage stabiler Ökosysteme, auf die Menschen angewiesen seien.

Das Aussterben des Dünnschnabel-Brachvogels hat laut Buschmann gravierende Folgen. «Ohne funktionierende Ökosysteme riskieren wir, eines Tages keine Luft zum Atmen, kein Wasser zum Trinken und keine Nahrung zum Essen zu haben.» Es brauche daher mehr Artenschutz.

Der Nabu fordere Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu mehr Engagement im Natur- und Artenschutz auf. «Der Dünnschnabel-Brachvogel mag verloren sein, aber es liegt in unserer Hand, das Aussterben weiterer Arten zu verhindern.»

Auch der Grosse Brachvogel ist bedroht

Allgemein gelten mehrere Watvogel-Arten als bedroht. Dazu gehört auch der Grosse Brachvogel, der dem Dünnschnabel-Brachvogel ähnelt. Laut Nabu wird der europäische Bestand auf etwa 220 000 Brutpaare geschätzt. Er steht auf fast allen Roten Listen Mitteleuropas.

Mit dem Eskimo-Brachvogel gilt eine weitere verwandte Art als extrem selten oder bereits ausgestorben. Seine Population bestand im 19. Jahrhundert laut Schätzungen noch bei bis zu mehreren Millionen Exemplaren. Seither führten massive Jagd und der Verlust von Lebensräumen zu einem dramatischen Rückgang. Die Weltnaturschutzunion stuft ihn als möglicherweise ausgerottet ein. Es bestehe zwar eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass einige Exemplare überlebt haben. Doch die letzte Sichtung eines Eskimo-Brachvogel datiert aus den 1960er-Jahren.

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