Der Brite findet sich überhaupt nicht zurecht in seinem Ferrari-Wagen und hat keine Erklärung dafür. Nun muss Hamilton dringend sein Motivationsproblem lösen.

Mehr noch als Las Vegas ist der Grosse Preis von Miami das Party-Rennen der Formel 1, rund auf dem improvisierten Kurs um das Hard-Rock-Football-Stadion wird die pure Lebensfreude zelebriert. Der grosse Liebling der Stars wie der Fans ist der Rekordweltmeister Lewis Hamilton, er gilt den Amerikanern als das Gesicht der Rennserie.

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Doch mit der Freude ist es beim 40 Jahre alten Ferrari-Piloten momentan nicht weit her. Im letzten Rennen in Saudiarabien kam er als Siebenter mit 31 Sekunden Rückstand hinter seinem Teamkollegen Charles Leclerc ins Ziel; der Monegasse fuhr als Dritter den ersten Podestplatz für das italienische Traditionsteam ein.

Damit ist Lewis Hamilton an der neuen Wirkungsstätte wieder genau in jenen Zustand geraten, dem er nach drei desillusionierenden Jahren bei Mercedes mit seinem spektakulären Wechsel entfliehen wollte: mitten in die Krise. In eine sportliche und eine persönliche – und in die vielleicht grösste seiner Karriere.

«Alles, was ich versucht habe, hat nicht funktioniert», sagte der Brite unlängst, «es ist schrecklich. Denn ich habe keine Antwort. Ich habe mich keine einzige Sekunde in meinem Auto wohlgefühlt.» Zunächst hat er probiert, den Rennwagen mehr auf seine Bedürfnisse abzustimmen. Danach hat er versucht, sich mehr seinem Auto anzupassen. Herausgekommen ist bei beiden Varianten nicht das, was er von sich selbst erwartet – und vor allem nicht das, was alle anderen von ihm erwarten.

Hamilton liegt sogar hinter seinem Nachfolger bei Mercedes

Nach fünf Rennen hat die Scuderia Ferrari nur 78 Punkte eingefahren; im vergangenen Jahr waren es zum gleichen Zeitpunkt bereits 151. Von denen hatte sein Vorgänger Carlos Sainz junior 69 errungen. Hamilton kommt derzeit nur auf 31 Punkte und liegt damit in der Gesamtwertung sieben Punkte hinter Andrea Kimi Antonelli, seinem jungen Nachfolger bei Mercedes.

Die Frische ist weg, die Freude auch. Der Ferrari-Teamchef Fred Vasseur ist dünnhäutiger geworden. In diesem Jahr hatte der Franzose den WM-Titel in der Konstrukteurswertung eingeplant und für die Reglement-Neuerung 2026 dann beide seiner Fahrer als Titelkandidaten in der Einzelwertung.

Doch seit dem Überraschungssieg Hamiltons im Sprintrennen von Schanghai sinkt die Zuversicht bei allen Beteiligten. Der Ferrari-Wagen namens SF-25 ist nur die vierte Kraft; die Scuderia will mit Beginn der Europa-Saison ein runderneuertes Auto vorstellen. Damit soll das Leistungsdefizit im Qualifying verringert werden – und im Rennen Erfahrung und Angriffslust der beiden Fahrer besser zur Geltung kommen.

In Florida an diesem Wochenende wird nur die Bekleidung der Fahrer neu sein, sie treten in Blau an. Hamilton zermürbt vor allem der Umstand, dass er nicht genau weiss, weshalb er in den Kurven so viel Zeit auf seinen Teamkollegen verliert. Die eine wunde Stelle, auf die er zeigen könne, gebe es nicht. Einstweilen schien er gar an Benachteiligung zu glauben. Doch dafür fanden sich keine Anzeichen. Hamilton gibt zu, dass sein Teamkollege Leclerc momentan den besseren Job macht.

Seine Prognose für den Rest der Saison: «Ich weiss nicht, wie lange ich noch so strauchle. Aber es wird schmerzhaft werden.» Das wirkt alles andere als beruhigend. Eine derart lange Eingewöhnungszeit kann sich keiner der Beteiligten leisten. Zumal in Maranello bereits Alarmstufe Rot herrscht.

Der ehemalige Rennfahrer Ralf Schumacher gehört als Experte des Bezahlsenders Sky zu den Dauerkritikern Hamiltons. Der Deutsche sagt, dass Hamilton in sich zusammengesackt sei. Zudem mutmasst er, dass der Brite schon bald die Lust verlieren und vorzeitig zurücktreten könnte. Ein solcher Typ ist Hamilton allerdings nicht. Sondern eher einer, der über den Kampf wieder ins Rennen zurückfindet. An Ferrari schätzt er besonders die Energie und die Leidenschaft, und damit muss er sich jetzt synchronisieren.

«Vielleicht brauche ich eine Gehirntransplantation»

Damit allein kann Hamilton seine Umstellungsschwierigkeiten nach zwölf Jahren im Mercedes jedoch nicht lösen. «Achterbahn» nennt er den gegenwärtigen Zustand. Ein Teamwechsel ist heutzutage eben doch mehr als der Sprung von einem Cockpit ins andere. Und die Angelegenheit ist nicht nur auf einer technischen Ebene komplex, es geht auch um die Umstände. Insbesondere muss Hamilton sein Motivationsproblem lösen, denn der fatale Mix aus Verwunderung und Enttäuschung scheint ihn derzeit auszubremsen.

Dauerhaft mental ins Straucheln geraten ist der Sieger von 105 Grand Prix bisher noch nie. «Es geht um das Vertrauen ins Auto und auch um das Vertrauen in ihn selbst. Alles ist noch neu für ihn», sagt der Teamchef Vasseur. Hamilton seinerseits sagt, dass er vieles eben zum ersten Mal erlebe, er schreibe sich sogar alle Erkenntnisse auf. Das führt zu folgender Zwischenbilanz: «Das Auto fühlt sich immer noch fremd an. Vielleicht brauche ich eine Gehirntransplantation.»

Viel eher benötigt er jedoch einen Befreiungsschlag. Erfolg ist nicht nur eine Frage der Eingewöhnung, sondern auch eine der Zuversicht.

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