Freitag, November 15

Das Parlament hatte vom Bundesrat ein Kontrollregime bei gewissen Firmenübernahmen durch Ausländer gefordert. Doch die Wirtschaftskommission des Ständerats will nun nichts mehr davon wissen.

Befehl ist Befehl. Das sagte sich der Bundesrat Ende 2023, als er zähneknirschend ein Gesetzesprojekt für eine staatliche Investitionskontrolle ins Parlament schickte. Das Parlament hatte ein solches Gesetz via Motion befohlen. Die Kernidee: Wollen Ausländer in gewissen heiklen Sektoren Schweizer Firmen übernehmen, soll der Staat die Sache prüfen und bei hohen Risiken etwa für die hiesige Versorgungssicherheit ablehnen. Im Visier standen vor allem staatsnahe Investoren aus China und anderen autokratischen Ländern.

Der Vorschlag des Bundesrats war relativ stark eingeschränkt, doch der Nationalrat hat diesen September die Vorlage stark ausgebaut. Der wichtigste Ausbauschritt: Das Kontrollregime soll nicht nur für staatsnahe Auslandsinvestoren gelten, sondern für alle ausländischen Kaufinteressenten.

Das Gesetzesprojekt liegt im internationalen Trend. Nationale Sicherheit kommt verstärkt vor wirtschaftlicher Offenheit. Der Konflikt China contra Westen, Russlands Krieg in der Ukraine, die Pandemie und die Energiekrise waren zentrale Treiber. Doch nun erhält das Projekt für eine Schweizer Investitionskontrolle unerwartet starken Gegenwind: Die Mehrheit der Wirtschaftskommission des Ständerats will gar kein Gesetzesprojekt dazu. Laut Mitteilung vom Freitag empfiehlt die Kommission mit 8 zu 4 Stimmen, dass der Ständerat gar nicht auf diese Vorlage eintritt.

Genannte Gründe: Benötigte ausländische Direktinvestitionen in der Schweiz würden durch das Kontrollregime behindert, die Schweiz wäre Gegenmassnahmen anderer Länder ausgesetzt, die Vorlage greife zu stark in kantonale Kompetenzen ein, und kritische Infrastrukturen seien ohnehin weitgehend in öffentlicher Hand.

2019 hatte der Ständerat mit knapper Mehrheit eine staatliche Investitionskontrolle gefordert. Gab es ein Umdenken, oder ist die Wirtschaftskommission hier nicht repräsentativ für den Gesamtrat? Vielleicht von beidem ein etwas. Dem Vernehmen nach kamen in den Expertenanhörungen vor allem Kritiker zur Sprache. Und in den diskutierten Einzelfällen wie etwa der Übernahme der Basler Agrochemie-Gruppe Syngenta durch einen chinesischen Konzern wäre das vorgeschlagene Gesetz wohl gar nicht zur Anwendung gekommen, wie es hiess.

Unklare Mehrheitsverhältnisse

Trotzdem erscheint der Ausgang im Ständerat offen. Das Zünglein an der Waage könnten die Mitte-Ständeräte sein. Deren Chef ist der Solothurner Pirmin Bischof, der ebenfalls in der Wirtschaftskommission sitzt. Er ist laut eigenen Angaben für ein Eintreten auf das Gesetzesprojekt, doch er sei für ein Abspecken der Vorlage. Das hiesse namentlich, dass die Kontrolle auf Übernahmeofferten durch staatsnahe Investoren zu beschränken wäre.

Die Haltungen in der Mitte-Gruppe sind laut Bischoff noch offen. Er orte aber eine Neigung zum Eintreten auf die Vorlage, möglicherweise mit einer Verschlankung Richtung Vorschlag des Bundesrats. Das Gesetzesprojekt geht auf einen Vorstoss des Walliser Mitte-Ständerats Beat Rieder zurück. Auch Rieder hatte sich für ein Kontrollregime ausgesprochen, das auf staatsnahe Investoren aus dem Ausland beschränkt ist.

Hilfe für Stahlwerke gefordert

Nicht viel auszusetzen gibt es an der Übernahme des Stahlwerks Gerlafingen durch die italienische Beltrame-Gruppe. Die Italiener kontrollieren das Schweizer Stahlwerk seit rund 18 Jahren. Sie haben dieses nicht etwa ausgesaugt, sondern im Gegenteil Hunderte von Millionen Franken investiert. Doch Gerlafingen und das zu Swiss Steel gehörende Stahlwerk Emmenbrücke stecken in einer grossen Krise. Hohe Überkapazitäten im internationalen Stahlmarkt, Importbarrieren der EU, hohe Energiepreise, ausländische Stahlsubventionen und konjunkturelle Probleme sind Treiber der Krise. Das führte zu einer Serie von Vorstössen im Parlament für Staatshilfen zugunsten der Stahlbetriebe.

Im Unterschied zur Frage der Investitionskontrolle spricht sich die Mehrheit der ständerätlichen Wirtschaftskommission im Umgang mit den Stahlwerken für eine Staatsintervention aus. Die Kommission befürwortet drei Vorstösse für staatliche Unterstützung, zum Teil mit knapper Mehrheit, zum Teil deutlich. Die Vorstösse fordern sofortige Hilfsmassnahmen für das Werk Gerlafingen beziehungsweise generell eine «Übergangsfinanzierung für die Stahlindustrie zur Ökologisierung der Produktion».

Wenn der Staat die Schweizer Stahlwerke vor einem Untergang bewahren soll, müsste man dann nicht alle Betriebe mit mindestens 500 bis 1000 Mitarbeitern unter Staatsschutz stellen? Pirmin Bischof widerspricht. Im Unterschied zu vielen anderen Produkten sei bei Stahl die nationale Versorgungssicherheit sehr bedeutend, und die gegenwärtigen Überkapazitäten könnten etwa als Folge einer breiten Aufrüstung in Europa auch ins Gegenteil kehren.

Als mögliche Massnahmen für die Stahlwerke nennt Bischof etwa die Senkung der Stromnetzgebühren (die das Parlament im Dezember beschliessen könnte); die Bevorzugung von relativ klimafreundlichen Anbietern (zu denen die Schweizer gehören) bei öffentlichen Auftragsvergaben; die Bevorzugung von Stahl- und Aluminiumwerken in den Förderprogrammen für klimafreundliche Investitionen sowie die Option zum Verzicht auf Bezug und Finanzierung der Winterstromreserven.

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