Der Bundesrat will die Lex Koller verschärfen, um der SVP-Nachhaltigkeitsinitiative etwas entgegenzusetzen. Sein Vorschlag: Ausländer aus Drittstaaten sollen ihre Wohnung verkaufen müssen, wenn sie die Schweiz verlassen.
Wenn Wohnungen knapp sind und die Immobilienpreise stetig steigen, stellen sich auch die weltoffensten Schweizerinnen und Schweizer irgendwann die Frage, ob man die starke Zuwanderung und die hohe Nachfrage nach Wohnraum nicht begrenzen müsste. So, wie es die Nachhaltigkeitsinitiative der SVP verlangt, welche die Limite bei maximal 10 Millionen Personen ziehen will.
Würde die Initiative angenommen, könnte dies die Personenfreizügigkeit und damit die bilateralen Beziehungen zur Europäischen Union insgesamt infrage stellen. Der Bundesrat will dem SVP-Begehren denn auch etwas Konkretes entgegensetzen und der Bevölkerung zeigen, dass er die Sorgen rund um die Zuwanderung ernst nimmt, auch beim Wohnen. So plant er, die Lex Koller zu verschärfen, das Gesetz, das die «Überfremdung des einheimischen Bodens» verhindern soll. Justizminister Beat Jans soll bis Ende 2025 eine Vernehmlassungsvorlage ausarbeiten.
Bei Wegzug muss verkauft werden
In den letzten Jahren hat der Bundesrat mehrfach ausgeführt, dass die Ursachen für den angespannten Schweizer Immobilienmarkt seiner Ansicht nach nicht beim Grundstückerwerb durch Ausländer zu suchen seien. Doch nun scheint ein gewisses Umdenken stattzufinden.
Allerdings ist es nicht einfach, die Regeln zu verschärfen, der Handlungsspielraum des Bundesrates ist überschaubar. Es gibt eine ganze Reihe von internationalen Verpflichtungen – allen voran das Freizügigkeitsabkommen mit der EU –, die die Schweiz eingegangen ist und die den Immobilienerwerb durch Ausländer erlauben. An diese Grenzen will sich der Bundesrat halten – er kann die Nachhaltigkeitsinitiative schlecht mit Massnahmen bekämpfen, die ihrerseits gegen die Personenfreizügigkeit verstossen.
Für die EU-Bürger, die gerne in der Schweiz eine Wohnung kaufen möchten, soll sich gemäss den Plänen des Bundesrats nichts ändern. Einen möglichen Hebel sieht der Bundesrat dagegen bei den Personen aus Drittstaaten. Heute dürfen in der Schweiz lebende Ausländer, die nicht EU-Bürger sind, ohne Bewilligung an ihrem Wohnort eine Immobilie erwerben, um darin zu wohnen (Hauptwohnung). Wenn sie ihren Wohnsitz nach einer gewissen Zeit aufgeben, bleiben sie Eigentümer der Immobilie. Kauft sich beispielsweise ein amerikanischer Banker an seinem Arbeitsort in Zürich eine Wohnung und zieht er kurz darauf ins Ausland weiter, kann er die Immobilie behalten, sie vermieten oder zu Ferienzwecken nutzen.
Der Bundesrat erwägt nun, die ausländischen Eigentümer in einem solchen Fall gesetzlich zu verpflichten, ihre Immobilie zu verkaufen. Wie diese Pflicht aussehen soll, ob sie nur bei einem Wegzug ins Ausland gelten würde oder auch bei einem Umzug innerhalb der Schweiz, ist laut dem zuständigen Bundesamt für Justiz Gegenstand der laufenden Arbeiten. Ebenso die Frage, ob es allenfalls Vorbehalte aufgrund bestehender internationaler Verpflichtungen wie Freihandelsabkommen geben wird. Klar ist: EU-Bürger wären nicht betroffen. Das Freizügigkeitsabkommen garantiert ihnen, dass sie ihr Haus oder ihre Wohnung beim Verlassen der Schweiz nicht verkaufen müssen.
Schärfere Regeln für Immobiliengesellschaften
Die Pflicht zur Wiederveräusserung ist keine neue Idee, sie stand bereits vor ein paar Jahren zur Debatte, als Bundesrat und Parlament über eine Verschärfung der Lex Koller berieten. Damals wurde vorgeschlagen, dass der Ausländer die Wohnung innert zwei Jahren nach Aufgabe des Wohnsitzes verkaufen müsse. Im Fall einer Immobilienkrise hätte die Frist erstreckt werden können. Doch der Widerstand von bürgerlicher Seite gegen die Revision war erheblich, der Bundesrat sah von seinem Vorhaben ab.
Weiter möchte der Bundesrat den Erwerb von Geschäftsimmobilien durch Personen im Ausland – Private oder Gesellschaften – erschweren. Was genau er vorhat, ob eine Bewilligungspflicht eingeführt werden soll, wie sie vor 1997 gegolten hat, ist nicht bekannt. Verschärfungen soll es auch beim Kauf von Anteilen von börsenkotierten Immobiliengesellschaften geben. Damit will der Bundesrat wohl auf die Kritik reagieren, wonach ausländische Akteure durch ihre Investitionen in der Schweiz die Preise nach oben treiben. Laut Statistik befanden sich 2023 knapp 9 Prozent aller Mietwohnungen im Eigentum von Bau- und Immobiliengesellschaften. 44 Prozent gehörten Privaten, 36 Prozent Pensionskassen, Stiftungen und Versicherungen, 8 Prozent Wohnbaugenossenschaften und 4 Prozent der öffentlichen Hand.
Rettung von links
Inwiefern die bundesrätlichen Vorschläge den Wohnungsmarkt entspannen und die Zuwanderung dämpfen könnten, wird zu diskutieren sein. Es wäre jedenfalls eine Ironie der Geschichte, sollte die Lex Koller tatsächlich zu einem zentralen Element im Kampf gegen die SVP-Initiative «Keine 10-Millionen-Schweiz» werden. Kaum eine Gesetzesbestimmung hat eine so wechselvolle Geschichte hinter sich wie das 1983 in Kraft getretene «Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland», auch Lex Friedrich genannt (nach dem damaligen Justizminister Rudolf Friedrich).
Seine Ursprünge reichen noch weiter zurück, nämlich bis ins Jahr 1961, als das Parlament aus Angst vor einem Ausverkauf der Heimat erstmals Vorschriften zur Beschränkung des Grundstückerwerbs durch Ausländer erliess. Vater der Vorlage war der CVP-Bundesrat Ludwig von Moos, nach dem das Gesetz informell benannt wurde. In den folgenden Jahren führte die konjunkturelle Entwicklung zu einem starken Anstieg der Nachfrage nach Wohnraum in der Schweiz.
Um die schlimmsten Auswüchse des Immobilienbooms, der insbesondere die Tourismusregionen erfasst hatte, zu bekämpfen, wurde das Gesetz mehrfach verschärft. Damit gab das Parlament auch dem Druck mehrerer Volksinitiativen von links und rechts nach, welche die Bodenspekulation noch restriktiver einschränken wollten.
Als die Wirtschaft in den 1990er Jahren zu schwächeln begann, kehrte sich der Trend um. Im Oktober 1994 stimmte das Parlament einer Lockerung der Lex Friedrich zu. Doch die Politiker hatten die Rechnung ohne das Volk gemacht. Die Schweizer Demokraten ergriffen das Referendum und feierten an der Urne einen ihrer seltenen politischen Erfolge. Das Volk machte damit klar, dass es nicht bereit war, die Überfremdung des Bodens hinzunehmen.
Dennoch wurde das Gesetz in der Folgezeit mehrfach entschärft und wirtschaftsfreundlicher ausgestaltet. So wurde, wie erwähnt, 1997 der Erwerb von Geschäftsliegenschaften vollständig liberalisiert; zuständig war der damalige Justizminister Arnold Koller, seither spricht man von der Lex Koller. Seit 2005 können sich auch Personen im Ausland an börsenkotierten Schweizer Immobiliengesellschaften beteiligen. Kurz darauf schien das Ende der Lex Koller unmittelbar bevorzustehen. Der Bundesrat sprach sich für die Abschaffung aus, und alle grossen Parteien schlossen sich vorerst dieser Meinung an.
Doch das Gegenteil ist eingetreten. Da eine Aufhebung des Gesetzes den Druck auf die ohnehin schon sehr hohen Immobilien- und Mietpreise weiter erhöht hätte, beschloss das Parlament 2014, von diesem Schritt abzusehen. Stattdessen sollte eine Verschärfung angestrebt werden. Diesmal kam die Rettung von links. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran profilierte sich als grosse Verfechterin der Vorlage. Ihr Parteikollege Beat Jans könnte nun für eine weitere Verschärfung sorgen. Gelingt ihm dies, wird das Gesetz in Zukunft wohl Lex Jans heissen.