Samstag, November 23

Die Partei stört sich an männerdominierten Piktogrammen – und schielt über den Röstigraben.

Die Nachricht schaffte es bis in den «Spiegel». In Genf hat die Stadtpräsidentin Sandrine Salerno im Jahr 2020 insgesamt 250 Verkehrsschilder «diversifiziert»: Der Mann auf dem Fussgängerstreifen wurde durch eine Schwangere, eine Frau mit Afro-Look oder durch ein lesbisches Paar ersetzt – oder sind es nur zwei Freundinnen, die Händchen halten?

Jedenfalls: Die Frauen stehen nun auf der Hälfte aller Verkehrsschilder im Vordergrund.

Historisch betrachtet sei der öffentliche Raum von Männern für Männer gedacht worden, erklärte Salerno gegenüber den Medien. Unter dem Vorwand der Neutralität sei die Beschilderung überwältigend männlich. Die Schilder, sagte Salerno, sollten die «Vielfältigkeit der internationalen Genfer Gesellschaft widerspiegeln». 56 000 Franken kostete die Aktion.

Vielfältigkeit steht auch ennet des Röstigrabens, in der rot-grünen Stadt Zürich, hoch im Kurs. Im letzten Sommer entschied das Stadtparlament, die Stadtplanung solle «geschlechtergerechter» werden. Doch anders als in Genf sieht sich die Linke Tag für Tag mit männlichen Symbolen auf Verkehrsschildern konfrontiert. Das soll sich nun ändern: Die SP fordert den Stadtrat in einem Vorstoss auf, zu prüfen, wie die Verkehrssignalisation «geschlechtergerecht und diversitätsbewusst» gestaltet werden kann – ähnlich wie in Genf.

«Wir leben in einer Gesellschaft, die sehr von Männern geprägt und auf sie ausgerichtet ist», sagt Rahel Habegger (SP), die den Vorstoss zusammen mit Leah Heuri und Marco Denoth eingereicht hat. Als Mutter von kleinen Kindern stelle sie immer wieder fest, dass viele Bereiche in der Stadt von Männern für Männer gedacht worden seien. Bei der Verkehrssicherheit etwa sei mit der Höhe des Mannes geplant worden, weshalb kleinere Menschen oft Gefahren ausgeliefert seien. «Ein anderer Punkt ist eben die Signalisation, dieser Mann mit Hut und Stock.»

Habegger erhofft sich, dass diversere Verkehrsschilder zu einer gendergerechten Stadtentwicklung führten, wie dies andernorts bereits vor Jahren zu beobachten sei. Konkrete Vorschläge, wie die Piktogramme aussehen sollen, habe sie im Vorstoss bewusst keine machen wollen. Das, sagt Habegger, sei Sache der Verwaltung. Sie wünscht sich aber einen kreativen Ansatz – und einen, der möglichst keine Stereotype bedient.

Mitunterzeichner Marco Denoth sagt, als schwuler Mann sei ihm Diversität wichtig. Und wenn er nach München gehe, freue er sich, «wenn ich solche Sachen sehe». Es zeige, dass man als Minderheit dazugehöre. Und es sei ein Zeichen, das niederschwellig gemacht werden könne, sagt Denoth. «Ich hab Vertrauen in die zuständige Stadträtin, dass sie dabei subtil vorgehen wird.»

Im Rat hat der Vorstoss gute Chancen auf Erfolg, schliesslich bilden SP, AL und Grüne eine knappe Mehrheit.

Bei den Bürgerlichen kommt die Idee der SP allerdings schlecht an. FDP-Stadtparlamentarierin Yasmine Bourgeois muss lachen, als sie vom Vorstoss erfährt. «Die SP fordert bei jeder Gelegenheit, man solle sich nicht bei Stereotypen bedienen. Aber genau das passiert mit solchen Verkehrsschildern», sagt sie. «Wie will man denn eine Frau darstellen: mit einem Rock?» Wenn schon, sollten auf den Schildern neutrale Strichfiguren zu sehen sein, findet sie. Die Piktogramme auszutauschen, hält sie aber grundsätzlich für unnötig. «Das kostet nur und verfehlt den Zweck.»

Ganz ausgemerzt hat Genf das männliche Geschlecht auf den diversifizierten Verkehrsschildern übrigens nicht. Auf einem der angepassten Piktogramme ist auch ein Mann zu sehen. Er geht am Stock.

Vielleicht ist es aber auch einfach eine Frau mit kurzem Haar.

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