Freitag, Januar 17

Seit dem Jahreswechsel erhält die osteuropäische Separatistenrepublik kein Gas mehr. Die Krise könnte Bewegung in den seit Jahren unlösbaren Konflikt mit der Moldau bringen.

Die Energiekrise in Transnistrien verschärft sich. In der abtrünnigen Region, die völkerrechtlich zur Moldau gehört, faktisch aber seit drei Jahrzehnten ein russisches Protektorat ist, sind seit dem Jahreswechsel Stromausfälle an der Tagesordnung. In Medienberichten erzählen Bewohner, wie sie ihren Alltag ganz danach ausrichteten, wann es in ihren Häusern Elektrizität gebe.

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Während das Licht zumindest für einige Stunden angeht, bleibt die Heizung in vielen Häusern ganz kalt. Das Gas reicht nur noch zum Kochen, und auch diese Vorräte könnten bald aufgebraucht sein. Wer kann, heizt mit Holz oder anderen alternativen Brennstoffen. Dabei soll es schon zu tödlichen Rauchvergiftungen gekommen sein. Die Lage für die schätzungsweise 400 000 Bewohner der Region ist ernst.

Russland verspricht Unterstützung

Der Chef des separatistischen Regimes, Wadim Krasnoselski, ist deshalb diese Woche nach Moskau gereist. Bisher war seine Region für die Heizwärme, die Stromproduktion sowie die meist sehr energieintensive Industrie auf russisches Erdgas angewiesen. Eine Bezahlung forderte Russland dafür nicht. Seit dem 1. Januar fliesst aber kein Gas mehr.

Moskau habe ihm in Aussicht gestellt, die Gaslieferungen bald wieder aufzunehmen, erklärte Krasnoselski nach seiner Rückkehr am Donnerstag. Wann und auf welchem Wege dies geschehen soll, ist aber unklar. Naheliegend wäre der Transport durch die Turkstream-Pipeline unter dem Schwarzen Meer und dann über die sogenannte Transbalkan-Röhre über Bulgarien und Rumänien.

Laut dem Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wäre Russland aber sogar bereit, Gas für Transnistrien auf dem europäischen Markt zu kaufen. Hierfür sei jedoch die Kooperation der Moldau unerlässlich. Die Anmerkung fiel nicht zufällig. Russland und seine Protégés in Transnistrien machen allein die Ukraine und die prowestliche Regierung in Chisinau für die Probleme in der abtrünnigen Region verantwortlich.

Tiraspol lehnt Unterstützung aus dem Westen ab

Tatsächlich stellt die Weigerung Kiews, den Vertrag mit dem russischen Staatskonzern Gazprom für den Gastransit durch ukrainisches Territorium zu verlängern, den unmittelbaren Auslöser für die Krise dar. Allerdings hatte Russland im Vorfeld auch keinerlei Anstalten gemacht, eine Lieferung über alternative Routen in die Wege zu leiten. Dabei wäre Gazprom dazu sogar vertraglich verpflichtet. Der Liefervertrag mit der Moldau, über den auch Transnistrien Gas erhält, läuft noch bis September 2026.

Moskau dürfte darauf spekulieren, dass die Krise in Transnistrien auch die prowestliche Regierung in Chisinau in Bedrängnis bringt. Unter anderem bezieht die Moldau vom Kraftwerk Cuciurgan bei Dnestrovsc, das bisher mit russischem Gas betrieben wurde, Strom aus Transnistrien. Die Ausfälle erhöhen die Energiekosten im ganzen Land. Vor den anstehenden Parlamentswahlen kommt das dem prowestlichen Lager um Präsidentin Maia Sandu ungelegen.

Ins Bild passt, dass das separatistische Regime in Tiraspol bisher mehrere Hilfsangebote aus Chisinau ausgeschlagen hat. Die moldauische Regierung hat unter anderem dem transnistrischen Gasunternehmen angeboten, an der Börse in Chisinau Gas einzukaufen. Auch eine Art Tauschhandel war im Gespräch: Chisinau liefert Gas, das Transnistrien mit Elektrizität aus dem Kraftwerk Cuciurgan bezahlt. Kiew bot ein ähnliches Geschäft mit ukrainischer Kohle an. Cuciurgan kann grundsätzlich auch mit Kohle betrieben werden.

Ein für Donnerstag anberaumtes Krisentreffen zwischen Vertretern aus Chisinau und Tiraspol über mögliche Hilfeleistungen wurde von transnistrischer Seite ebenfalls abgesagt. Als Vorwand dienten angebliche Sicherheitsbedenken.

Regime ist auf billiges russisches Gas angewiesen

«Das Regime in Transnistrien hat kein Interesse an Alternativen zum Gas aus Russland», sagt der Energieexperte Eugen Muravschi von der Denkfabrik Watchdog in Chisinau. Das Wirtschaftsmodell der abtrünnigen Region basiere grossenteils auf der kostenlosen Verfügbarkeit russischer Energieträger. Dadurch würden die grossen Betriebe der Region subventioniert, die unter regulären Bedingungen gar nicht wirtschaftlich produzieren könnten. «Das russische Gas ist überlebenswichtig für das Regime.»

Laut Muravschi bietet die Krise deshalb die Perspektive, erste Schritte zur Wiedereingliederung der abtrünnigen Region in die Wege zu leiten. Chisinau trete in dieser Frage allerdings sehr zurückhaltend auf. «Die Regierung ist nicht bereit für ein solches Szenario und hat auch keine Ressourcen dafür. Deshalb wird sie sich am Ende vermutlich auf eine Lösung einlassen, mit der weiterhin russisches Gas nach Transnistrien fliesst.»

In der Ukraine zeigt man sich weniger kompromissbereit. Aussenminister Andri Sibiha sprach sich am Mittwoch gegen die Lieferung russischen Gases über die Transbalkan-Route nach Transnistrien aus. Die Pipeline durchquert zwischen Rumänien und der Moldau auch kurz ukrainisches Territorium. Kiew hätte somit die Möglichkeit, den Transit zu verweigern. Dass sie damit Mitverantwortung für die Energiekrise in Transnistrien trüge, nähme die Ukraine wohl in Kauf.

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