In der Schweiz geht die Vermögensungleichheit zurück, und die Chancen auf wirtschaftlichen Aufstieg sind auch global intakt. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dem «Wealth Report» der UBS.
Umverteilungsträume sind wieder in Mode. In der Schweiz etwa wollen die Jungsozialisten mit einer einer nationalen Erbschaftssteuer Vermögende zur Kasse bitten. Das gängige Narrativ: Die Reichen hierzulande werden immer reicher, alle anderen immer ärmer.
Juso-Rhetorik zielt an Realität vorbei – zumindest hierzulande
Die Klassenkampfrhetorik klingt verlockend einfach. Mit Blick auf die Faktenlage ist sie vor allem aber eines: faktisch falsch. Neue Zahlen des «Global Wealth Report» der UBS zeigen, dass der Gini-Koeffizient, die gängige Variable zur Messung der Wohlstandsungleichheit, in der Schweiz seit der Finanzkrise von 2008 um 4,6 Prozent zurückgegangen ist. Und das ganz ohne Juso-Experimente.
Auf globaler Ebene zeigt sich bei der Ungleichheit ein differenzierteres Bild: Als Faustregel notieren die Studienautoren, dass die Ungleichheit in Entwicklungsländern eher zu-, in Industrieländern aber eher abnimmt.
Global gesehen ist aber festzuhalten: Alle werden grundsätzlich reicher.
Für Einzelpersonen bleiben die Entfaltungsmöglichkeiten intakt: Eine von drei Personen schafft innerhalb eines Jahrzehnts den Aufstieg in eine höhere Vermögensklasse. Die Chance, die unterste Vermögensklasse zu verlassen, steht über einen Zeitraum von dreissig Jahren bei über 60 Prozent.
Währungseffekte dominieren
Ins positive Bild passt, dass das globale Vermögen gemessen im Dollar 2023 um 4,2 Prozent gewachsen ist. Das ist laut den Autoren eine Rückkehr zur Normalität, nachdem der Wohlstand im Vorjahr noch geschrumpft war.
In den unterschiedlichen Weltregionen war das Wachstum unterschiedlich ausgeprägt: In Europa, dem Nahen Osten und Afrika, die die UBS in einer gesammelten Kategorie misst, war die Vermögenszunahme mit 4,8 Prozent am stärksten.
In Asien wuchsen die Vermögen zwar um 4,4 Prozent. Die UBS-Ökonomen geben aber zu bedenken, dass dieses nur unter starkem Wachstum von Schulden erklärt werden könne. Seit 2008 hat die asiatische Schuldenlast um 192 Prozent zugenommen – ganze 20 mal mehr, als es im gleichen Zeitraum in Europa, dem Nahen Osten und Afrika der Fall war. Asiens Wohlstandswachstum läuft somit in Verdacht, auf Pump getrieben zu sein.
Schweiz bleibt Spitzenreiterin
Im Ländervergleich zeigen sich ebenfalls erhebliche Unterschiede bei der Wohlstandsentwicklung.
In der Schweiz schrumpfte das Durchschnittsvermögen 2023 um beinahe 6 Prozent. Das hat primär mit dem Franken zu tun, der gegen Jahresende stark aufwertete und so zu einem Wertverlust bei Anlagen in Fremdwährungen führte. Rechnet man die Schweizer Wohlstandsentwicklung in Dollar um, ergibt sich ein positives Wachstum von 3,4 Prozent.
Mit einem Durchschnittsvermögen von über 700 000 Dollar pro Kopf bleibt die Schweiz vor Luxemburg und Hong Kong auf dem ersten Platz der Wohlstandstabelle. In den USA liegt das Durchschnittsvermögen bei rund 565 000 Dollar, in Deutschland bei 265 000 Dollar.
Wachstumsgewinnerin ist dieses Jahr die Türkei: Gemessen in der Lokalwährung wuchs das Durchschnittsvermögen um über 157 Prozent. Diese Zahl ist jedoch im Kontext der hohen Teuerung im Land zu betrachten: Als Konsequenz des Wertzerfalls der Lira haben viele Türken ihre Ersparnisse in Kapitalmärkte und harte Anlageklassen wie Immobilien geparkt, was zu einem starken Auftrieb in deren Bewertung und somit einen nominellen Wohlstandsgewinn geführt hat. Ob sich dieser als nachhaltig erweist, wird sich noch zeigen.
Auffallend ist die unterschiedliche Wohlstandsentwicklung in Europa seit der Finanzkrise von 2008: In Skandinavien und Mitteleuropa werden die Leute reicher, Südeuropa wird abgehängt. Italien, Spanien und Griechenland sind neben Japan die einzigen Staaten weltweit, in denen sich die Vermögen seit 2010 gemessen in Dollar sogar negativ entwickelten.
Der grosse Vermögenstransfer bahnt sich an
Spannend ist auch der Blick in die Zukunft: Die Autoren glauben, dass sich bei der Vermögensverteilung in den nächsten Jahrzehnten einiges verändern könnte.
Einerseits führt die hohe Konzentration von Vermögen bei älteren Personen dazu, dass schätzungsweise 83 Billionen Dollar in den nächsten zwanzig Jahren vererbt oder verschenkt werden. Dies entspricht in der Grössenordnung etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung der gesamten Welt.
Anderseits befinde sich die Weltwirtschaft in einer Phase tiefgreifender struktureller Veränderungen, sagt UBS-Chefökonom Paul Donovan. In solchen Episoden seien erhebliche Verschiebungen in den Vermögensstrukturen zu erwarten.
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